Ziele breit gestreut
[aus der Zeitung junge Welt 27.10.2001]High-Tech-Krieg trifft immer mehr Zivilisten.
Vorratslager des Roten Kreuzes in Kabul zerstörtAngriffe auf einen Flüchtlingskonvoi, ein Gotteshaus und ein Krankenhaus unter Raketenbeschuß, Streubombenangriff auf ein Dorf im Westen des Landes, Zerstörung von Lagerhäusern des Roten Kreuzes – bei der Aufzählung handelt es sich nicht um nachweisliche Angriffsziele während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien vor zwei Jahren. Es ist die – unvollständige – Liste vermeintlicher Fehltreffer der letzten Tage im High-Tech-Krieg der USA gegen Afghanistan. Die Angaben kommen auch nicht aus der Propagandaabteilung der regierenden Taliban, sondern basieren auf Berichten der Vereinten Nationen, des Roten Kreuzes, westlicher Nachrichtenagenturen sowie Eingeständnissen des US-Verteidigungsministeriums selbst.
Angesichts der Eskalation des Krieges am Hindukusch sah sich selbst der Sonderberichterstatter des UN-Flüchtlingshilfswerks für Afghanistan, Kamal Hossein, gezwungen, die USA darauf hinzuweisen, daß auch für eine Großmacht international verbindliche humanitäre Standards gelten.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) meldete am Freitag, US-Kampfflugzeuge hätten zwei weitere Lagerhäuser der Hilfsorganisation in Kabul angegriffen. Nach Angaben eines Wachmanns wurden bei dem Bombardement in der afghanischen Hauptstadt erneut Nahrungsmittelvorräte und Hilfsgüter vernichtet. Bereits in der letzten Woche hatten US-Bomben zwei Vorratsgebäude des Roten Kreuzes in Kabul vollständig zerstört. Es war leicht zu treffen – nach IKRK-Angaben war der Lagerhauskomplex deutlich mit einem großen roten Kreuz markiert.
Im Dorf Wasir Abad unweit von Kabul schlug am Freitag eine US-Bombe direkt in ein Wohnhaus ein. Bei dem Angriff wurden zwei Mädchen im Alter von sechs und elf Jahren getötet. Die Nachbarn hätten die Eltern der Schwestern noch schwer verletzt aus den Trümmern retten können, sagten sie der Nachrichtenagentur AFP. Für die Mädchen kam dagegen jede Hilfe zu spät.
Erstmals hatte am Donnerstag das Pentagon in Washington den Einsatz von Streubomben in Afghanistan zugegeben. »Einige« dieser Bomben seien nahe der Stadt Herat abgeworfen worden, räumte ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums ein. Nicht ganz freiwillig: Die UNO hatte zuvor berichtet, im Dorf Schakar Kala bei Herat seien am Montag neun Menschen durch Streubomben getötet wurden. Insgesamt seien 20 der 45 Häuser ganz oder teilweise zerstört worden. Die Bevölkerung mußte nach den Angriffen evakuiert werden, da das gesamte Gelände mit den tödlichen Sprengfallen übersät war. Bei dem Angriff wurden nach Informationen der Vereinten Nationen auch ein Krankenhaus und eine Moschee getroffen. Angaben der Taliban zufolge wurden bei dem Beschuß mindestens 36 Menschen getötet. Die Taliban beschuldigen die USA darüber hinaus, bei der Bombardierung der Stadt Kandahar am Donnerstag morgen einen vollbesetzten Bus getroffen zu haben. Bis zu 50 Fahrgäste sollen dabei ums Leben gekommen sein. Unabhängige Angaben darüber liegen noch nicht vor.
In den knapp drei Wochen seit Beginn des US-Feldzuges stellten sich Taliban-Angaben über Opfer in der Zivilbevölkerung allerdings leider als richtig heraus: Zwei Tage nach Beginn der Luftangriffe zerstörten die USA am 9. Oktober das Büro einer UNO-Minenräumorganisation nahe Kabul. Vier afghanische Zivilisten, die dort als Wächter arbeiteten, wurden auch UNO-Angaben zufolge getötet. Am 11. Oktober bombardierten die USA das Dorf Kadam westlich von Dschalalabad. Nach Angaben der Taliban kamen bei dem Angriff 200 Menschen ums Leben, vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen. Bei einem von den Taliban organisierten Besuch ausländischer Journalisten einige Tage danach bestätigen aufgebrachte Dorfbewohner diese Opferzahl. Am 13. Oktober schlug eine 900-Kilogramm-Bombe in einem Wohnviertel in Kabul ein. Selbst das Pentagon räumte »bis zu vier tote Zivilisten« ein. Die Bombe sei »offenbar falsch programmiert« gewesen. Bei Angriffen auf Kandahar bombardierten die USA am 16. Oktober nach Angaben der Taliban auch ein Krankenhaus und ein Wohngebiet. Mindestens 14 Menschen seien dabei getötet worden. In Kabul wurden an diesem Tag erstmals zwei Lagerhäuser des IKRK von US-Bomben vernichtet. Auch eine Schule in der afghanischen Hauptstadt wurde nach UNO-Angaben getroffen, ohne daß die Bombe allerdings explodierte. Am vergangenen Sonntag wurden in einem Flüchtlingstreck 25 Menschen, darunter neun Kinder, getötet. Eine US-Bombe hatte einen Traktor mit Anhänger getroffen, berichteten überlebende Flüchtlinge in Pakistan. Sie waren aus dem südafghanischen Dorf Tirin Kot vor den Bomben made by USA geflohen.
In den Vereinigten Staaten selbst finden am Sonnabend im Rahmen eines weltweiten Aktionstages in zahlreichen Städten Proteste gegen die US-Angriffe auf Afghanistan und rassistische Diskriminierung statt. Das veranstaltende Bündnis ANSWER (Act Now to Stop War and End Racism) rechnet mit mehreren zehntausend Teilnehmern.
Rüdiger Göbel
Zivile Ziele in Kabul zerstört
[Kabul (reuters/ap) 27.10.001]Die USA haben ihre Angriffe gegen Kabul und Taliban-Stellungen verstärkt
Am Morgen erschütterten sechs bis sieben Explosionen Kabul. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) teilte mit, wegen der Bombardierung ihrer Lagerhäuser habe sie keine Hilfe leisten können. Von den fünf IKRK-Lagerhäusern der Stadt seien inzwischen vier zerstört. Insgesamt hätten sich in den Lagern Lebensmittel und Decken für 55.000 Menschen befunden
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