Die bewegung 2.juni
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knast
Die Jahre im Knast
Ralf Reinders wird am 10. September 1975 in einer Steglitzer
Ladenwohnung zusammen mit Inge Viett und Juliane Plambeck von einem
Sondereinsatzkommando der Berliner Polizei verhaftet. Vorausgegangen waren
fünf Jahre in der Illegalität und zahlreiche Aktionen bei den
Haschrebellen, der RAF und der Bewegung 2. Juni. Folgen sollten fünfzehn
Jahre Knast in Totalisolation, Kleingruppenvollzug, Trakt und sogenanntem
Normalvollzug. Eine Woche vor seiner Entlassung am 14. September 1990 sitzt
Ralf Reinders während eines Hafturlaubs mit ein paar alten GenossInnen
zusammen und redet über die Knastjahre. Ein Tonband läuft mit. Eine
gekürzte Fassung des mehrstündigen Gespräches auf den folgenden
Seiten.
Frage: ... und dann kommt aus dem Telefon Bär ist dran. Ich
sage, wer ist da? Bär. Ich sage, kannste doch vergessen. Bär am Telefon?
Völlig unmöglich. Und es hat richtig lange gedauert, bis ich kapiert habe,
daß du mich anrufst. Das war 1986.
Ralf Reinders
Telefonerlaubnis hatten wir von '86 an. Als
wir schon zwei Jahre in Moabit im Haus 3 waren.
Und wie war das für dich, zum ersten Mal nach draußen
telefonieren zu können?
Sehr seltsam. Aber ich mag Telefone sowieso nicht. Und aus
dem Knast heraus, wenn du halt niemanden siehst und nur 'ne Stimme hörst,
keine Mimik siehst, keine Grimassen, nischt und dazu dann immer noch
jemand, der daneben sitzt und mithört
entsetzlich. Das Telefonieren war
aber auch notwendig, um ein Stück von der Normalität wieder
mitzubekommen.
Konntet ihr dann telefonieren wie ihr wolltet?
Wir konnten einmal in der Woche telefonieren. Fünf Minuten.
Täglich durften in Haus III pro Station vier Gefangene telefonieren. Die
mußten sich da montags immer in 'ne Liste eintragen. Eine ganze Station,
das waren 40 bis 44 Leute. 28 konnten sich aber nur in die Liste eintragen.
Man mußte Schlange stehen, um sich eintragen zu können. Und wer als Letzter
kam, der hatte eben Pech.
Telefoniert werden konnte dann in der Zeit zwischen sechs und
acht Uhr abends.
Und wie habt ihr sonst den Kontakt nach außen gehalten?
Na, durch Briefe und Besuche.
Sind die kontrolliert worden?
Ja, bis zum Schluß.
Wie war das mit den Besuchen? Sind die auch überwacht
worden?
Ja, bis März '85. Von Anfang '85 an konnten wir auch an den
Stations-Meetings teilnehmen. Das waren so Gruppensprechstunden, die einmal
im Monat stattfanden. 12 14 Gefangene konnten ohne akustische Überwachung
bei Kaffee und Kuchen mit ihren Angehörigen zusammensitzen.
Aber wie war das, von da drinnen, nach 'zig Jahren Knast?
Konntest du 'ne Vorstellung und ein Gefühl dafür haben, daß ich da in einer
Wohngemeinschaft, in einer Küche sitze, ganz viele Plakate an der Wand, mit
anderen zusammensitze?
Meine Vorstellung war eigentlich so wie bei ner
Sprechstunde. Da siten, 'ne kleine
Freude. Wir hatten eigentlich ein Jahr lang auf diesen Tag trainiert.
Später, als wir dann in den Trakt kamen, hatten wir die ersten drei Monate
fast jede Woche irgend eine Prügelei. Da ging's hauptsächlich darum, daß
die Anstaltsleitung die Trennscheibe bei Privatsprechstunden wieder
durchsetzen wollte. Als wir in den Trakt kamen, hat das Gericht die
Trennscheibe bei Privatbesuchen abgeschafft, weil der Trakt ja sicher genug
sei und außerdem zwei Anstaltsbullen und zwei Staatsschützer dabeisitzen
und da gar nix passieren kann.
Und da haben die Bullen dann immer Meldungen geschrieben, über Vorfälle,
die es gar nicht gab, oder haben Auseinandersetzungen provoziert. Daraufhin
ging die Trennscheibe wieder hoch, und da sind wir natürlich sauer geworden
und haben die beschimpft. Und dann ist die Sprechstunde abgebrochen worden.
Die Sprechstunde war immer so'n neuralgischer Punkt, weil's dann beim
Abbruch automatisch zu 'ner Prügelei gekommen ist. Das war vorher schon so,
bevor wir in den Trakt gekommen sind. Das war so ein Punkt, wo wir gesagt
haben, die Sprechstunden, da gibt es überhaupt keinen Kompromiß. In allen
anderen Sachen kann man mal einen Rückzieher machen. Man kann sich ja nicht
jahrelang prügeln. Aber die Sprechstunde war so der äußerste Punkt. Da gab
es keinen Kompromiß. Der Kontakt mußte sein, die Berührung mußte sein und
das freie Gespräch mußte auch so einigermaßen sein, soweit das geht. Da war
man sehr aggressiv, manchmal.
Es lief so: wenn wir Sprechstunde hatten, dann hat uns ein Bulle aus der
Zelle abgeholt, und auf dem Weg zum Sprechraum hat er dann schon
angefangen, seinen Salm runterzulassen: Sie wissen ja, keine Berührung und
kein Kontakt. Oder: Nicht, ich bin ja großzügig, und da dürfen sie schon
mal 'nen Handschlag austauschen und so weiter. Meistens haben wir mit
denen nicht gesprochen. Dann haben sie immer noch nachgefragt: Sie wissen
doch, Sie haben doch verstanden, kein Körperkontakt. Da kriegst du dann
schon Agressionen. Da ging dann je nach Bulle die Spannung hoch. Die
meisten haben aber nichts gemacht. Haben nicht eingegriffen, wenn wir
unseren Besuch umarmt haben.
Kommt nicht irgendwann so eine Zeit, wo man denkt, füg dich
...
Wenn du dich so 'nem Gedanken hingibst, dann hast du schon
verloren. Es gibt Phasen, wo alles überdacht wird, dir alles durch den Kopf
geht, aber sich fügen heißt, daß du über kurz oder lang deine Identität
verlierst.
Das vergessen draußen viele, daß das, was sich im Knast
abspielt, wie das Leben draußen ist, nur unheimlich konzentriert. Vieles
ist halt so aufeinandergeschweißt, daß man sich das nicht vorstellen kann.
Es ist alles extremer. Du überlegst natürlich schon, wo es sinnvoll ist,
was zu machen und wann es einfach nix bringt. Das ist immer eine
Gratwanderung. Also, stellste dich ganz stur. Jeden Tag 'ne Prügelei
hältste aber auch nicht durch. Dann biste irgendwann kaputt. Auf der
anderen Seit
Paßt du dich an, dann ist das ein Stück Selbstaufgabe. Du
mußt eigentlich viel genauer als hier draußen in jeder Situation überlegen,
was du machst. Hier draußen fällt's viel leichter, Konflikten aus dem Weg
zu gehen.
Gab es nicht Überlegungen, sich scheinbar zu fügen, um in den
Normalvollzug zu kommen?
Da reden sich Gefangene raus, wenn sie das machen. Ich denke
nicht, daß das geht. Es gibt kein Scheinleben, auch nicht zeitweilig. In
dem Augenblick, wo du auf was eingehst, bist du auch inhaltlich drauf
eingegangen. Jede Lebensäußerung wird kontrolliert. Jeder einzelne Bulle
schreibt 'nen Bericht über dich. Das sind Sachen, die Gefangene oft nicht
beachten. Dann grüßt du einen Beamten irgendwann mal, dann steht da gleich
im Bericht
Der ist jetzt viel freundlicher, der ist jetzt ansprechbar.
Die Konfrontation ist einfach zu direkt dafür, um zu sagen Jetzt täusche
ich die. Ich kenne jedenfalls keinen Gefangenen, der ein Scheinangebot
gemacht hat und es auch wirklich durchziehen konnte. Du hast ja nur
begrenzte Möglichkeiten. Also für mich wäre das unmöglich
gewesen.
Es gibt noch was anderes. Es gibt diesen Prozeß, der immer
wieder zwischendurch läuft, wo du überlegst
Kommen die an dich ran?
Läuft nicht auch so ein ganz schleichender Anpassungsprozeß? Wie kann ich
auf diesem engen Raum ein gewisses Maß an Selbstbestimmung verteidigen? Ich
will nicht in den drei Minuten, in denen die mir die Tür aufmachen,
rausgehen. Weil, du wirst sonst, wenn das 100, 200, 300 Tage hintereinander
läuft, zu einem Rädchen, das nur noch funktioniert. Und sich dieser
Anpassung in einem selbst bewußt zu werden, ist die Voraussetzung, damit du
nicht in dem Apparat aufgehst.
Nur der Widerstand hält dich als Person am Leben?
Ja. Das stimmt absolut. Jedenfalls über so lange Jahre. Du
kannst natürlich sagen
Wenn ich zwei Jahre Knast habe, halte die Füße
still, mach da keinen Ärger und so. Aber ich weiß nicht, ob da jemand
gesund bei rausgeht, ob man die Jahre einfach so schlucken kann.
Spielten solche Überlegungen auch eine Rolle, als ihr gegen
die Diskussion über eine Amnestie für die Gefangenen aus der militanten
Linken in den 80er Jahren geschrieben habt
Keine Amnestie für die
Klassen-Justiz?
Nee. Das war eine rein politische Auseinandersetzung, in der
unsere persönliche Situation eine untergeordnete Rolle spielte.
Einerseits willst du selbst überleben, so daß du hinterher
noch lebensfähig bist, und andererseits hat es auch 'ne politische
Bedeutung für die draußen und für dich selbst, wie du dich im Knast
verhältst.
Du gehst ja nicht in den Knast und überlegst dir, was
machste jetzt die nächsten 15 Jahre. Sondern du hast dir doch vorher
überlegt, was du machst, was du auch politisch machst und was du da für 'ne
Antwort gegensetzt und welche möglichen Konsequenzen das hat. Und dann
sitzt du im Knast und dann mußt du erstmal gucken, wie geht es jetzt
weiter, wie kannste das, was du da angefangen hast, dadrin unter anderen
Bedingungen weitermachen. Du versuchst, so viele Informationen wie möglich
zu sammeln. Was sich irgendwann auch erschöpft, weil das ist vielleicht
auch etwas, was uns von Intellektuellen unterscheidet
Ich habe
erhebliche Schwierigkeiten, mich über einen längeren Zeitraum auf 'ner ganz
abstrakten Ebene auseinanderzusetzen, wenn ich das nicht irgendwo auch
umsetzen kann. Und das ist im Knast eben nur sehr beschränkt möglich. Und
war nur da möglich, wo es unmittelbar mit dem Knast zu tun hatte.
Wart ihr für die Beamten Gefangene wie andere auch?
Nee, das waren wir von Anfang an nicht. Schon wegen der
ganzen Sicherheitsverfügungen, die wir hatten. Die waren gezwungen, bei uns
mehr zu beachten, und insofern hatten wir dann schon eine
Sonderstellung.
Viele Schließer haben uns auch gehaßt. Einige sind ja auch
Rechtsradikale. Während andere Schließer auch wieder sowas wie Achtung vor
uns hatten. Weil das sagen sie auch heute noch wir ja keine Leute sind,
die 'ner alten Oma die Handtasche wegnehmen. Und deswegen auch einfach
andere Gefangene.
Dazu kam: wenn andere Gefangene Auseinandersetzungen hatten, dann waren die
in der Regel alleine. Es haben in der Zeit (1976 1980) 22, 23 von uns in
Moabit gesessen. Und da wußten sie nie, wenn sie einem eins auf's Maul
hauen, wo sie die Antwort herkriegen. Von daher waren sie auch
vorsichtiger. Sie sind eigentlich das erste Mal auf kollektiven Widerstand
gestoßen. Das war auch eine neue Erfahrung für sie. Die anderen Gefangenen
können sie leichter spalten und einzeln kaputtmachen. Es gibt ja einige
Gefangene, die sich auch gewalttätig wehren. Sich nichts gefallen lassen.
Bloß, da stürzen dann 50 Mann rüber, hauen ihn zusammen und isolieren ihn.
Und die Knackis kriegen dann in der Regel auch Knast nach. Da werden die
doch weich mit der Zeit. Über Jahre halten das die wenigsten durch.
Wie war Euer Verhältnis zu den anderen, den sogenannten
sozialen Gefangenen im Knast?
Gerade in den ersten Jahren und besonders in den Zeiten der
schärfsten Isolation haben wir von den anderen Gefangenen sehr viel
Solidarität erfahren. Wir haben auch gemeinsame Aktionen wie den
Hungerstreik 1979 für Verbesserungen im Normalvollzug organisiert.
Ein Bulle hat mal zu mir gesagt
Es ist gar nicht so wichtig,
ob ihr was macht. Die anderen Gefangenen kriegen einfach Mut, wenn
politisch bewußte Leute drin sind, die wissen, wo's langgeht und die auch'n
Plan haben und mal was gemacht haben. Die stecken alle anderen an, mit
ihrer Widerstandskraft. Da fangen plötzlich Gefangene, die sonst immer
ruhig waren, an zu maulen. Fangen an, Beschwerden zu schreiben, werden
frech zu den Bullen und so. Und so verlieren sie ein Stück Kontrolle über
die Gefangenen.
Seid ihr von den Schließern schikaniert worden?
Ja, einige haben beim Filzen Marmelade ausgekippt, in die
Klamotten, oder sie haben das Seifenpulver rumgestreut oder Bilder
abgerissen, irgendwelche Sachen durcheinandergeschmissen. Aber das waren
einzelne.
Eine andere Form von Schikane war die durch Verfügungen.
Besonders als der Prozeß anfing. Morgens Prozeß, nachmittags Prozeß und die
Freistunde. Und dann geht's los. Morgens, bevor du zum Prozeß kommst,
nackend ausziehen. Wenn du vom Prozeß zurückkommst, nackend ausziehen. Wenn
du zum Prozeß hingehst, nackend ausziehen. Wenn du vom Prozeß zurückkommst,
nackend ausziehen. Dann gehste zur Freistunde und dann, wenn du von der
Freistunde reinkommst, wirste nochmal nackend ausgezogen. Und dann haben
wir irgendwann gesagt
Jetzt ist Schluß, das machen wir nicht mehr. Da
hatte sich viel Zündstoff angesammelt. Dann ist jeden Tag die Zelle
auseinandergenommen worden. Ich bin manchmal zurückgekommen, dann hat's
ausgesehen, als wenn 'ne Bombe eingeschlagen hätte. Alles lag nur noch auf
einem Haufen. Und dann platzt das dann halt. Das ist schon massiv. Und
dieser Dauerstreß trifft schon deine Balance. Da, wo du versuchst,
Bedingungen für dich hinzukriegen, da immer wieder zuzuschlagen. Die
maßlose Wut, die du dann hast, und die du nirgendwo hintun kannst. Und dazu
kommt ja, wenn du an irgendwas arbeitest, egal was, dann brauchst du ja ein
Mindestmaß an Konzentration.
Du konntest morgens um Sieben Freistunde haben und abends um Sechs oder
jede Zeit dazwischen. Aus Sicherheitsgründen war das immer anders und du
hast es nicht vorher erfahren. Das heißt, du wußtest nie, wann kommen sie,
wann wirste rausgerissen. Am Anfang war es noch so, daß die
Zellendurchsuchungen während der Freistunde gemacht wurden. Irgendwann
haben sie angefangen, uns extra nochmal 'ne Stunde später rauszuholen. Wir
sind dann in 'ne Leerzelle gesperrt worden, dann wurde eine Stunde lang die
Zelle durchsucht. Danach bist du zurückgekommen, hast nochmal eine Stunde
lang aufgeräumt, um überhaupt erstmal 'n Überblick zu kriegen. Du bist den
ganzen Tag beschäftigt, für nothing. Es passiert effektiv gar nix, du bist
total isoliert, aber du bist den ganzen Tag beschäftigt mit dem Knast.
Im Trakt kam dann eine Phase von intensiver Auseinandersetzung mit den
Bullen. Und da wollten sie uns wir waren sieben Mann in einem Bereich
in kleinere Gruppen legen, nachdem es einige Prügeleien gegeben hat. Die
Anstaltsleitung hat beim Gericht beantragt, uns zu zweit oder zu dritt in
verschiedene Bereiche zu legen. Das ist dann während der Hauptverhandlung,
wir hatten ja zu der Zeit unseren Prozeß, öffentlich erörtert worden. Da
ist uns ein Vorfall zu Hilfe gekommen: Die Bullen haben sich zwei Tage
vorher untereinander geprügelt. Da konnten wir sagen: ja, wenn sich unter
diesen Bedingungen die Bullen untereinander prügeln, also die, die
freiwillig da sind, jeden Tag raus können und die dann schon nicht mehr
wissen, wohin mit ihren Aggressionen, was wollt ihr dann von uns?
Von dem Tag an war das Thema vom Tisch und die Bullen haben uns im Trakt
total in Ruhe gelassen. Die sind das erste halbe Jahr immer im Dutzend, mit
Helm und Knüppel bewaffnet reingekommen, haben uns Essen reingestellt, die
Tür wieder zugemacht und wir konnten dann im Trakt machen, was wir wollten.
Von da an gab es keine Auseinandersetzungen mehr.
Wann war das?
Genau ab dem 13. April 1980. Da hat ein Bulle auf die Nase
gekriegt, den entscheidenden Schlag auf's Auge. Na, Auslöser war, wieder
mal, 'ne abgebrochene Sprechstunde. Das war der Auslöser für den Antrag,
uns auseinanderzulegen.
Nachdem wir aus dem Trakt raus waren, gab's keine körperlichen
Auseinandersetzungen mehr. Von den Schließern gab's dann überhaupt keinen
Versuch von einer Konfrontation mehr. Ganz im Gegenteil. Wenn von oben
Verfügungen kamen und sie gemerkt haben, daß das bei uns auf Widerstand
stößt, dann haben die das so formal gemacht, daß sie damit die Verfügungen
unterlaufen haben.
Haben die sich mit euch normal unterhalten?
Ja, einige. Es gibt sehr große Unterschiede. Es gab da
Bullen, die waren die absoluten Schweine und es gibt genauso welche, mit
denen hatten wir von Anfang an keine Schwierigkeiten. Also, sie waren zwar
Schließer, standen auf der anderen Seite, aber die haben sich keine Mühe
gegeben, dich besonders zu schikanieren, sondern sind korrekt gewesen und
haben immer versucht, sich, ich würde beinahe sagen
menschlich zu
verhalten. Die einfach geglaubt haben, daß ihr Job notwendig ist. Die sind
nicht alle gleich.
Es gab auch welche, die gefilzt haben, da sah die Zelle nachher
ordentlicher aus als vorher. Das waren oft ganz konservative Bullen, die
zwar scharf, aber auch korrekt waren. Da war dann mein Schrank so
aufgeräumt, wie ich ihn vorher nie kannte.
Kriegt man im Knast ein Wohngefühl?
Bestimmt nicht. Es gibt bei den Knackis Erfahrungen, wenn
die lange drin sind. Die haben halt so'n Wohnungsgefühl. Da siehste dann,
der Boden ist poliert und Deckchen und Gardinen vorm Fenster und so. Dann
ist aber halt der Kopf auch schon kaputt. Ich hab mich in der Zelle nie
heimisch gefühlt.
Das ist aber auch eine andere Rangehensweise. Das hängt ja
schon damit zusammen, wenn du in den Knast kommst und du weißt, wofür du
drinsitzt, ist das was anderes, als wenn du meinetwegen nur illegal deinen
Lebensstandard aufbessern wolltest. Also zum Beispiel 'nen Raub machst und
dafür in den Knast kommst und mit einem Mal das gar nicht vertreten kannst,
ganz im Gegenteil noch Schuldgefühle hast. Die meisten haben die anfangs ja
noch. Na, beim dritten Mal dann auch nicht mehr, aber dann ist es sowieso
schon zu spät. Und woran sollen die sich festhalten. Und da gibt es dann
schon mal 'ne Überanpassung.
Jeder braucht seinen Freiraum und irgendwie merkst du es ja daran, wie du
dich aufregst. Wenn das an der Haut aufhören würde, würdest du dich ja
nicht aufregen. Wenn du von der Freistunde wiederkommst, und die Zelle
sieht aus wie'n Schlachtfeld. Dann würdest du dich nicht drüber aufregen.
Dann wär dir das egal, hat ja nichts mit dir zu tun. Aber es hat eben was
mit dir zu tun. Es sind ja deine Lebens- und Arbeitsbedingungen. Natürlich
ist es dann auch so'n ständiger Kampf um deinen Freiraum.
Hast du mal Angst gehabt?
Ja, vor Auseinandersetzungen hab ich Schiß gehabt. Was heißt
Angst? Das ist so'n Gefühl ja, schon Angst. Aber die war nicht
bestimmend. Also nicht so, daß du gesagt hättest, jetzt verzichte ich drauf
oder so. Viel öfter hab ich mich geärgert, wenn ich manchmal nichts gemacht
habe. Da habe ich dann nachher so 'ne Wut gehabt über 'ne verpaßte
Gelegenheit.
Wir hatten auch die Auseinandersetzungen, wie wir mit den
Bullen umgehen sollten. Das war eigentlich genau das Ding, daß wir immer
gesagt haben
Der kleine Bulle an sich interessiert uns nicht. Den
behandeln wir nach dem Motto Wie er in den Wald reinruft, so schallt's
heraus. Das haben die dann auch irgendwann begriffen. Sie haben gemerkt,
daß wenn sie sich anständig und vernünftig verhalten, dann passiert nischt.
Dadurch war dann hinterher die letzten Jahre auch das Verhältnis bestimmt.
Ich denke, daß das schon was damit zu tun hatte, daß wir nicht einfach
wahllos irgendeinem Bullen auf die Schnauze gehauen haben, nur weil wir
frustig waren. Wir haben schon geguckt, wer das jeweils ist.
Habt ihr durch die Öffentlichkeit Schutz gehabt?
Ein bißchen schon, denke ich. Selbst wenn es rein rechtlich
kein Schutz war. Aber wir haben ja durch die Medien immer noch ein bißchen
Beachtung gehabt. Gerade während des Prozesses. Wenn einer da
blaugeschlagen im Gerichtssaal gesessen hat, dann sah das halt auch nicht
so gut aus. Da ist dann ein sehr seltsamer Eindruck entstanden. Du kannst
von einer Konfrontation berichten. Aber 'nen Blaugeschlagenen zu sehen, ist
nochmal was anderes. Das hat dann doch ein bißchen Eindruck
hinterlassen.
Ich hab das Gefühl, wir reden die ganze Zeit über Prügeleien.
Vielleicht hat das auch was damit zu tun, daß eine gewalttätige Situation
auch eine gewalttätige Auseinandersetzung mit sich bringt. Und irgendwie
bestimmt das dann auch das ganze Denken.
aus:
die bewegung 2.juni
gespraeche ueber haschrebellen, lorentz-entfuehrung und knast
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von den haschrebellen zur bewegung 2.juni
die lorenzentfuehrung teil 1
die lorenzentfuehrung teil 2
ralf reinders, ronald fritzsch
die unbeugsamen von der spree
fritz teufel, gerald kloepper, ralf reinders, ronald fritzsch
die jahre im knast
ralf reinders
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