Mehringhof durchsucht!

Der Ermittlungsrichter
des Bundesgerichtshofes

Herrenstraße 45a
Postfach 1661

76125 Karlsruhe,

den 14.12.1999

Fernsprecher (0721) 159-0
Telefax (0721) 159-831

Ermittlungsverfahren

gegen

UNBEKANNT

wegen

Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
nach § 129a Abs. 1 StGB u.a.

BESCHLUSS

Es werden angeordnet:

I.

Die D u r c h s u c h u n g der in den nachfolgenden Nummern 1 bis 34 bezeichneten Räumlichkeiten im MehringHof, Gneisenaustraße 2a, Berlin-Kreuzberg mit der Maßgabe, daß die Durchsuchung sich auf die Räume zu beschränken hat, die Zugang haben zu Treppenhäusern, Aufzugsschächten, Kaminschächten, Fahrstühlen oder die an derartige Räumlichkeiten/Gelassen (Treppenhäuser, Aufzugsschächte etc.) angrenzen, sowie auf sämtliche Kellerräume, Speicherräume und Dachstühle. Zu durchsuchen sind auch Treppenhäuser, Aufzugsschächte usw.

II.

die B e s c h l a g n a h m e von Sprengstoffen, Waffen, nicht zugelassenen Scannern, Peil- und Funkgeräten sowie sämtlicher schriftlicher Unterlagen über die Weiterleitung und Aushändigung von Geldern an die im Untergrund lebenden Mitglieder der "Revolutionären Zellen/Rote Zora (RZ)"

G r ü n d e:

    I.

    Die auf Antrag des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof ergehende Entscheidung beruht auf §§ 94, 98, 103 Abs. 1, 169 Abs. 1 StPO.

    II.

    Es ist anzunehmen, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird.

1.

Dem Ermittlungsverfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

    Seit Ende des Jahres 1973 existiert in der Bundesrepublik Deutschland eine terroristische Vereinigung, die sich zunächst "Revolutionäre Zelle" genannt hat und sich seit Sommer 1976 "Revolutionäre Zellen" nennt. Als Teilorganisation der gemischt-geschlechtlichen Vereinigung "Revolutionäre Zellen" bildete sich seit etwa 1977 ein feministischer Zweig mit der Bezeichnung "Rote Zora"

    Ziel der terroristischen Vereinigung "Revolutionäre Zellen/Rote Zora (RZ)" ist die gewaltsame Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland durch die Begehnung schwerer Straftaten, wie Schußwaffen-, Brand- und Sprengstoffanschläge. In Verfolgung der vorgenannten Ziele hat sich diese Vereinigung seit ihrer Gründung zu mindestens 186 Anschlägen in Selbstbezichtigungschreiben bekannt. Der bislang letzte Sprengstoffanschlag der terroristischen Vereinigung "Revolutionäre Zellen/rote Zora (RZ)" erfolgte in der Nacht zum 24. Juli 1995 auf eine Werkhalle der Lürssen-Werft in Lemwerder bei Bremen.

    Nach außen leben die einzelnen Mitglieder der "Revolutionären Zellen/Rote Zora (RZ)" in der Legalität. Einzelne Mitglieder sind jedoch in die Illegalität abgetaucht und werden von den in der Legalität lebenden Mitgliedern durch Geldzuwendungen unterstützt.

    In der Zeit von 1973 bis 1999 verübte die terroristischen Vereinigung "Revolutionäre Zellen/Rote Zora (RZ)" in Berlin und Umgebung über 40 Anschläge. Zu diesen Anschlägen bekannten sich jeweils "Revolutionäre Zellen" oder der feministische Zweig der "RZ", die "Rote Zora".

    Am 15. Januar 1991 verübten Mitglieder der "Revolutionäre Zellen/Rote Zora (RZ)" einen Sprengstoffanschlag auf die Siegessäule in Berlin-Tiergarten. Dabei setzten die Täter Sprengstoff ein, der am 4. Juni 1987 von unbekannten Mitgliedern dieser Vereinigung aus einem Zweigwerk der Firma Glöckner Durilit GmbH in Salzhemmendorf entwendet worden war. Dort wurden insgesammt 110 kg des gewerblichen Sprengstoffes Gelamon 40 und 22,5 kg des ebenfalls im gewerblichen Bereich verwendeten Sprengstoffes Hablastit 60/65 sowie 195 m Sprengschnur mit gelber Ummantelung entwendet.

    Sprengstoff aus diesem Diebstahl wurde darüber hinaus bei dem versuchten Sprengstoffanschlag auf das biotechnische Zentrum der Technischen Universität Braunschweig im Februar/März 1988 sowie bei dem versuchten Sprengstoffanschlag auf die Staatskanzlei und das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf am 6. Januar 1991 eingesetzt. Auch zu diesen Anschlägen haben sich Mitglieder der terroristischen Vereinigung "Revolutionäre Zellen/Rote Zora (RZ)" bekannt.

2.

    Nach dem Ergebnis der Ermittlungen ist davon auszugehen, daß sich Sprengstoff aus dem vorgannten Diebstahl in den Räumlichkeiten des MehringHofes befindet. Im Frühjahr 1995 erhielt das Mitglied der terroristischen Vereinigung "Revolutionäre Zellen/Rote Zora (RZ)" Tarek Mousli von einem anderen Mitglied der Vereinigung 48 Stangen des gewerblichen Sprengstoffes Gelamon 40 - insgesamt etwa 10 kg - sowie 4,15 m Sprengschnur mit gelber Ummantelung zur weiteren Aufbewahrung für die terroristische Vereinigung ausgehändigt. Der Sprengstoff stammte auch aus dem Steinbruch in Salzhemmendorf. Nach Angaben von Tarek Mousli lagerte dieser Sprengstoff zuvor in einem Schacht im MehringHof. In diesem Schacht sollen darüber hinaus Waffen gelagert worden sein, unter anderem eine Maschinenpistole, eine oder mehrere Pistolen und weitere Sprengstoffvorräte.

    Bereits am 6. November 1987 war fernmündlich im Vorzimmer des Justizsenators in Berlin ein anonymer Hinweis eingegangen, daß sich im MehringHof, in der Gneisenaustraße, im AL-Büro und in einem Buchladen Waffen und Sprengstoff befänden. Diesem Hinweis war seinerzeit nicht nachgegangen worden.

    Da noch eine größere Menge des in Salzhemmendorf entwendeten Sprengstoffes bisher nicht aufgefunden worden ist und nach Angaben Mouslis davon auszugehen ist, daß das Depot im MehringHof noch immer besteht, ist zu vermuten, daß die Durchsuchung zum Auffinden von Sprengstoff und Waffen führen wird.

    Nach Tarek Mouslis Angaben befinden sich im MehringHof auch die Räumlichkeiten des "Koordinierungsausschusses", der für die Verteilung der Gelder zuständig war, die den im Untergrund lebenden "RZ"-Mitgliedern zum Bestreiten ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung gestellt wurden. Aus der Beschlagnahme derartiger Unterlagen können sich Hinweise auf die gegenwärtigen Aufenthaltsorte gesuchter Mitglieder der terroristischen Vereinigung "Revolutionäre Zellen/Rote Zora (RZ)" ergeben.

    Angesichts des von vorneherein nicht eingegrenzten Bereichs, in dem sich das Depot der "RZ" befinden soll und der räumlichen Struktur des MehringHofes sowie der Angaben des "RZ"-Mitgliedes Tarek Mousli, daß sich das Depot möglicherweise auch in Aufzugsschächten, alten Kaminschächten oder in alten Ölkellern befinden könnte, ist die Durchsuchung in den im Beschlußtenor genannten weit verzweigten Räumlichkeiten des MehringHofes durchzuführen. Dies ist auch deshalb geboten, weil nach Angaben Mouslis der Hausmeister des MehringHofes in die Strukturen der terroristischen Vereinigung "Revolutionäre Zellen/Rote Zora (RZ)" eingebunden war. Als Hausmeister des Gesamtkomplexes MehringHof hat er Zugang zu sämtlichen im MehringHof befindlichen Räumlichkeiten, zumindest soweit sie für den Betrieb des Gesamtkomplexes genutzt werden.

    Angesichts der Gefahren, die von dem im Depot gelagerten Sprengstoff und Waffen ausgehen, ist die Durchsuchung in dem oben bezeichneten Umfang auch verhältnismäßig. Die Durchsuchung verspricht nur Erfolg, wenn sie in sämtlichen Räumlichkeiten des MehringHofes vorgenommen wird.

3.

    Die in der Beschlußformel enthaltene Beschränkung auf Räume mit Zugang zu Treppenhäusern usw. war unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aus folgendem Umstand vorzunehmen: nach Tarek Mouslis Angaben befindet sich das Depot entweder im Treppenhaus, Aufzugsschacht, Kaminschacht, Fahrstuhl, Fahrstuhlschacht oder in einem Raum, deran derartige Räumlichkeiten, Gelasse (Treppenhäuser, Aufzugschächte usw.) angrenzt, bzw. in einem Kellerraum oder Dachstuhl.

4.

    Von der vorherigen Anhörung der Betroffenen ist abzusehen, um den Zweck der Anordnung nicht zu gefährden (§ 33 Abs. 4 Satz 1 StPO).

      Dr. Wolst

      Richter am Bundesgerichtshof

      [Stempel Bundesgerichtshof]

      Ausgefertigt

      Knummel

      Justizangestellte
      als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
      des Bundesgerichtshofs

Bullenterror in X-Berg: Durchsuchung im MehringHof

Freiheit für Sabine, Axel und Harald

2. Presseerklärung des MehringHofs Montag, 20.12.99

1. Presseerklärung des MehringHofs Sonntag, 19.12.99


PM des Gneralbundesanwalts des Bundesgerichtshofs

Gegen-Informations-Büro
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