Die bewegung 2.juni
gespraeche ueber
haschrebellen
lorenz-entfuehrung
knast
Chronologische Eckdaten
Die 60er Jahre
Die Befreiungs- und Unabhängigkeitskämpfe in verschiedenen
Ländern und der Kampf gegen den Kolonialismus beeinflussen die Entstehung
der Neuen Linken in der BRD und bilden auch den Background vieler
Diskussionen der Linken in Westeuropa. In den USA, Frankreich und der BRD
entstehen Anti-Vietnamkriegsbewegung und der StudentInnenbewegungen unter
starker Bezugnahme auf die Frankfurter Schule (Markuse, Horkheimer), die
Beatniks und den französichen Existenzialismus (Satre u.a.). In den USA
entsteht zudem die Hippie-Bewegung (Blumenkinder). Zunächst ohne
politischen Anspruch haben die AussteigerInnen aus den gesellschaftlichen
Zwängen eine große kulturelle Bedeutung. Unter dem Eindruck starker
Repression politisiert sich die Bewegung in den USA.
In der BRD entsteht dem vergleichbar die Gammler-Bewegung.
Eine Menge Leute steigen aus Schule, Lehre, Lohnarbeit, den Zwängen des
Elternhauses und dem gesellschaftlichen Mief aus. Sie leben auf der Straße
oder sind auf Trebe, Trampen durch ferne Länder und entwickeln neue Ziele
und Träume des Zusammenlebens. Später löst sich die Bewegung wieder auf und
zerfällt in die Landkommune-Bewegung, den Hippietrail nach Indien,
Reangepaßtheit nach einer Jugendsünde und Wiederaufnahme des abgebrochenen
Studiums. Einige jedoch fangen an, sich stärker politisch zu
organisieren.
Anfang bis Mitte der 60er Jahre entsteht in den USA auch eine starke
Schwarzen-Bewegung gegen die rassistische Diskriminierung. Es kommt zu
schweren Auseinandersetzungen, insbesondere zu Revolten der schwarzen
Jugendlichen in den Ghettos: 1961 Alabama, 1964 Harlem, 1965 Watts (Los
Angeles), 1966 Chicago, 1967 Newark und Detroit. 1968 gibt es in vielen
amerikanischen Städten Aufstände.
1966 gründen Huey Newton und Bobby Seale die Black Panther Party for
Self-Defense. Als Antwort auf die erfolglose Bürgerrechtsbewegung, kommt
es zum ersten offenen Bruch mit dem Prinzip der Gewaltfreiheit. In Oakland
beginnen die Black Panther mit bewaffneten Patrouillen zum Schutz der
schwarzen Bevölkerung vor Polizeiterror; darüberhinaus organisieren sie
soziale Maßnahmen wie Kinderspeisung, Schulen, medizinische
Versorgung.
In Uruguay gründen sich in den 60er Jahren die MLN-Tupamaros, deren
Stadtguerilla-Politik die Auseinandersetzung in der sich entwickelnden
militanten Linken in der BRD beeinflußt.
Anfang der 60er Jahre entsenden die USA unter Präsident John F. Kennedy
Militärberater nach Südvietnam. Im April 1962 pferchen US-Soldaten zum
ersten Mal die südvietnamesische Zivilbevölkerung in sogenannten
Strategischen Dörfern zusammen, um dem Vietcong die Basis zu
entziehen.
20. Dezember 1960: Gründung der Nationalen Befreiungsfront (FNL,
Vietkong) in Südvietnam.
15. April 1961: Invasion der USA auf Kuba. B-26 Bomber fliegenaldemokraten, Gewerkschaftlern bis zur Oppositionellen der Neuen
Linken, die mit Sternmärschen, Demonstrationen und anderen Protestformen
die Notstandsgesetze zu verhindern versuchen, werden sie 1968
verabschiedet. Die BRD schafft sich ein Instrumentarium, um sich für eine
noch zu erwartende innenpolitische Auseinandersetzung zu wappnen. Die
Notstandsgesetze ermöglichen den Einsatz von Polizei, BGS und Bundeswehr
unter Umgehung des Parlaments durch die Bundesregierung, sowie die
Einschränkung der Grundrechte im sog. Notstandfall, weiterhin die
Ausstattung der Geheimdienste mit exekutiven Befugnissen, evtl. sogar
Ausrufung des Notstandes durch Lageberichte der Geheimdienste. In den
später hinzukommenden Durchführungsbestimmungen vom 21.11.1968 wird zudem
die Zusammenarbeit der Geheimdienste mit den Strafvollstreckungsbehörden,
der Einsatz der Sicherungsgruppe Bonn als bundesweite Ermittlungsorgane für
Staatsschutzdelikte, sowie die monatliche Beratung des
Staatssekretär-Ausschusses für Sicherheitsfragen präzisiert.
Herbst 1966: Wirtschaftskrise und Große Koalition von CDU/CSU und SPD.
Willy Brandt wird Außenminister. Unternehmen, Gewerkschaften und Staat
finden sich in einer Konzertierten Aktion zusammen; hier werden die
Eckdaten der wirtschaftlichen Entwicklung gemeinsam ausgehandelt, darunter
auch Lohnleitlinien. Die große Koalition ist jedoch nur auf kurze Zeit
angelegt. Das Bündnis der Sozialdemokraten mit den Konservativen vergrößert
den Zustrom zur außerparlamentarischen Opposition. Um diese Kräfte wieder
integrieren zu können, was in der Brandt-Ära ab 1969 gelingt, muß sich die
SPD wieder von der CDU/CSU lösen.
Dezember 1966: Rudi Dutschke ruft auf einer Versammlung des SDS zur
Gründung einer außerparlamentarischen Opposition (APO) auf.
1967: Entstehung der Kommune-Bewegung.
5. April 1967: Das Puddingattentat der Kommune I auf US-Vizepräsident
Hubert Humphrey wird von der Berliner Polizei vereitelt.
2. Juni 1967: Während einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs
von Persien wird Benno Ohnesorg von Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras
am Boden kniend erschossen.
25. Juni 1967: Cassius Clay, alias Muhammed Ali, wird wegen
Wehrdienstverweigerung zu 5 Jahren Knast verurteilt und erhält
Boxverbot.
9. Oktober 1967: Ernesto Che Guevara wird in Bolivien ermordet.
30. Januar 1968: Beginn der Tet-Offensive der FNL (Tet = Vietnamesiches
Neujahrsfest). Der Vietcong beginnt eine Offensive gegen das
südvietnamesiche Militärregime, die zu einem großen Erfolg wird. Große
Teile des Landes werden unter Kontrolle der FNL gebracht.
17./18. Februar 1968: Vietnam-Kongress. An der TU in Berlin findet der
Internationale Vietnam-Kongress statt, der Höhepunkt der Vietnam-Kampagne,
an der sich zahlreiche ausländische Delegationen beteiligen. Nach Aufhebung
eines vom Senat erlassenen Demonstrationsverbotes nehmen über 12 000
Menschen an der Abschlußdemonstration teil.
21. Februar 1968: Das offizielle Berlin antwortet mit einer von Senat,
DGB und Springer-Konzern organisierten Gegenkundgebung. Beamte und
Angestellte im Öffentlichen Dienst werden zur Teilnahme freigestellt. 80
000 BerlinerInnen demonstrieren gegen die Studentenbewegung unter dem Motto
Berlin darf nicht Saigon werden. In der von den Springer-Zeitungen
angeheizten Pogrom-Stimmung kommt es mehrfach zu Ausschreitungen gegen
StudentInnen, Langhaarige, Jugendliche und Intellektuelle. Einige der
freigestellten LehrerInnen protestieren auf der Demonstration gegen den
Zwang zur Teilnahme und werden ebenfalls angegriffen.
16. März 1968: Massaker von My-Lai (Südvietnam), alle 500 BewohnerInnen
des Dorfes werden von Einheiten der US-Armee ermordet.
3. April 1968: Nach dem Massaker von My-Lai legen Andreas Baader, Gudrun
Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein zwei Brandsätze in ein Kaufhaus
auf der Frankfurter Zeil, um gegen die Gleichgültigkeit der Gesellschaft
gegenüber den Morden in Vietnam zu protestieren. Schon einige Tage später
werden die vier verhaftet. Für diese erste guerillaähnliche Aktion werden
sie zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
4. April 1968: Ermordung von Martin Luther King
11. April 1968: Rudi Dutschke wird in West-Berlin von Josef Bachmann,
der rechtsradikalen Kreisen nahestand, durch eine Kopfschuß
lebensgefährlich verletzt. Unmittelbar nach dem Attentat kommt es in der
BRD und West-Berlin zu den bisher größten und militantesten Demonstrationen
(Osterunruhen). Unter dem Motto BILD hat mitgeschossen wird die
Auslieferung der Springer-Presse verhindert (Springer Blockade). Es kommt
zu tagelangen Straßenschlachten mit der Polizei. Beginn der Enteignet
Springer-Kampagne. Am 24. Dezember 1979 stirbt Rudi Dutschke in Dänemark
an den Spätfolgen des Attentates.
1. Mai 1968: Roter 1. Mai in Berlin. Unabhängig von den 1.
Mai-Veranstaltungen des DGB organisiert die APO die neue studentische und
nichtstudentische Linke eine eigene Rote 1. Mai-Demonstration.
11. Mai 1968: 70 000 Menschen demonstrieren in Bonn gegen die
Notstandsgesetze, die dann am 30. Mai 1968 von der Großen Koalition
verabschiedet werden.
Pariser Mai 1968: Ausgangspunkt der Unruhen ist die Besetzung der
Pariser Universitäten. Am 3. Mai 1968 wird in Paris die Sorbonne von der
Polizei geräumt, was zu einer Straßenschlacht im Quartier Latin führt. Nach
militanten Kämpfen an den Universitäten solidarisieren sich Millionen von
ArbeiterInnen mit einem Generalstreik und gemeinsamen Demonstrationen. Im
Juni 1968 werden die Renaultwerke bei Flins besetzt und am 11. Juni 1968
kommt es zum Aufstand bei Peugeot-Montbéliard. Im Morgengraunen fällt die
CRS (Republikanische Kompanie für Sicherheit) in die Fabrik von
Peugeot-Monbéliard ein. Ein Arbeiter wird von einem Polizisten erschossen
und vier Kollegen werden schwer verletzt. Daraufhin kommt es zu schweren
Auseinandersetzungen, in deren Verlauf 11 Polizisten der CRS getötet
werden.
Im besetzten Pariser Odeon-Theater wird permanent über die
Möglichkeit einer Kulturrevolution diskutiert.
Frankreichs Staatspräsident De Gaulle löst am 30. Mai 1968 als Reaktion auf
den Pariser Mai das Parlament auf und ordnet zum 10. Juni vorgezogene
Neuwahlen an. Einige Tage davor flüchtet er jedoch zu seinen Panzertruppen
ins Saarland und setzt diese in Marsch auf Paris. Daraufhin distanziert
sich die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF) von dem Aufstand und sorgt
dafür, daß die ArbeiterInnen wieder in die Betriebe gehen.
Der Pariser Mai ist starker Bezugspunkt für die Linke in der BRD. Die
studentische Linke diskutiert den Gang in die Betriebe und den Aufbau von
Betriebsgruppen, für viele ist jedoch, wie sich später zeigt, der
selbstgewählte proletarische Standpunkt aufgesetzt. Im Gegensatz zu ihnen
steht bei der proletarischen Jugendbewegung und den Hippies die
Arbeitsverweigerung an erster Stelle. Es entsteht aber auch parallel dazu
eine Lehrlings- und JungarbeiterInnenbewegung, für die der Kampf um bessere
Arbeits- und Ausbildungsbedingungen Ansatzpunkt ist.
Im September 1968 gründet sich in Frankreich die Gauche Prolétarienne als
selbstständige Organisation aus der Mai-Bewegung.
September 1968
Auf der 23. Delegierten Konferenz des SDS in
Frankfurt interveniert der Berliner Aktionsrat für die Befreiung der
Frau. Seine Sprecherin Helke Sanders wirft den antiautoritären
SDS-Autoritäten vor, in der Organisation würden Frauen genauso unterdrückt
wie sonst in der Gesellschaft. Als Hans Jürgen Krahl, der nächste Redner,
auf diesen Beitrag nicht eingeht, wird er von den Frauen mit Tomaten
beworfen. Das Private ist Politisch! Diese Initiative ist einer der
Auslöser für die Neue Frauenbewegung. Überall in der BRD werden
Weiberräte gegründet.
4. November 1968: Die Schlacht am Tegeler Weg. Nach dem Attentat auf
Rudi Dutschke beteiligt sich Rechtsanwalt Horst Mahler* an der Demonstration
gegen den Springer-Konzern. Am darauffolgenden Tag wird er in der
BILD-Zeitung beschuldigt, sie angeführt zu haben. Die
Generalstaatsanwaltschaft beantragt ein Berufsverbot für Horst Mahler*. Der
Antrag wird vom Berliner Landgericht am Tegeler Weg abgelehnt. Ca. 1 000
DemonstratenInnen treffen sich während der Verhandlung hinter dem
Landgericht in einer Seitenstraße und versuchen zum Tegeler Weg
durchzubrechen. Es ist eine Mischung aus StudentInnen, JungarbeiterInnen,
Jugendlichen und Rockern, was die BILD-Zeitung in ihrer darauffolgenden
Ausgabe wie folgt kommentiert: Über 300 Festnahmen überraschend: nur
jeder 3. war Student! In einer bis dato nicht gekannten organisierten
Militanz gehen die DemonstrantInnen gegen die Einsatzkräfte vor. Es ist die
letzte Demonstration, bei der Einsatzkräfte noch die alten Tschakos tragen.
Danach wird in Berlin eine neue Polizei-Einsatzgruppe mit Helmen
eingesetzt. Nach der Schlacht am Tegeler Weg gibt es vor allem innerhalb
des SDS heftige Diskussionen über Gewalt und Gesellschaftsveränderung. Der
SDS spaltet sich in den darauffolgenden Auseinandersetzungen.
8. November 1968: Beate Klarsfeld ohrfeigt den damaligen Bundeskanzler
Kiesinger und ruft: Faschist!. Lübke (damaliger Bundespräsident) und
Kiesinger hatten bereits unter den Nazis Karriere gemacht. Kiesingers
Tätigkeit als Verbindungsmann des Außenministeriums zum
NS-Propagandaministerium ist für Beate Klarsfeld Anlaß, die Tätigkeit
ehemaliger Nazis in hohen öffentlichen Ämtern in der BRD zu thematisieren.
Beate Klarsfeld wird noch am selben Tag in einem Schnellgerichtsverfahren
zu einem Jahr Haft verurteilt.
1969: Einhergehend mit der Auflösung des SDS bilden sich in der BRD
diverse kommunistische Parteien, die sogenannten K-Gruppen. Bei Smoke-Ins
im Tiergarten gründet sich unter anderem als Antwort auf die vielen
studentischen Parteigrüppchengründungen der Zentralrat der
Umherschweifenden Haschrebellen.
24. Januar 1969: Nach StudentInnenunruhen in Spanien verhängt Franco den
Ausnahmezustand.
18. April 1969: Straßenschlachten in Derry in Nordirland. Die IRA nimmt
den bewaffneten Kampf wieder auf.
1. Juni 1969: Die Verkehrsbetriebe in Hannover erhöhen die Fahrpreise.
Daraufhin werden sie wochenlang bestreikt und lahmgelegt. Es findet die
erste Rote-Punkt-Aktion statt. Durch das Ankleben eines roten Punktes an
der Frontscheibe ihres Pkws signalisieren FahrerInnen, daß sie bereit sind,
Leute mitzunehmen. Es wird Rücknahme der Fahrpreiserhöhung erreicht.
7. Juni 1969: Demonstration der JungarbeiterInnen- und Lehrlingsbewegung
in Köln unter dem Motto: Selbstbestimmung und Klassenkampf statt
Mitbestimmung und Gewerkschaftskrampf!
27. Juni 1969: In einer Bar in der Christopher Street in New York wehren
sich Schwule militant gegen eine der üblichen Razzien.
Juli/August 1969:Nachdem elf Bundeswehrdeserteure in West-Berlin
verhaftet und in die jeweiligen Bundesländer der Bundesrepublik
ausgeliefert werden, kommt es zu zahlreichen Protestaktionen und heftigen
Auseinandersetzungen mit der Polizei.
2. September 1969: Beginn des legendäre Woodstock-Konzerts.
2. September 1969: Septemberstreiks im Ruhrgebiet. Spontane
Arbeitsniederlegungen durchbrechen die Lohnleitlinien. Damit beginnt in
der BRD eine Periode erhöhter Streikaktivitäten, die bis 1974 andauert.
28. September 1969:Nach den Bundestagswahlen wird Willy Brandt zum
Bundeskanzler nominiert. Die Sozial-Liberale Koalition ist damit
geschaffen.
Herbst 1969: Gründung des Sozialistischen Zentrums in
West-Berlin.
Die 70er Jahre
In der linksradikalen Szene wird verstärkt über
revolutionäre Gewalt und Organisationsformen diskutiert. Der Blues
entsteht. Die AktivistInnen des Blues finden sich in Westberlin in
alternativen Wohnprojekten, in Stadtteil-, Betriebs-, und
Kinderladengruppen, in Knastgruppen sowie in militanten Straßenkämpfen
zusammen. Die selbstorganisierte Lehrlings- und SchülerInnenbewegung hat
ihren Höhepunkt erreicht und fängt an, sich politische Lebensräume (z.B.
Jugendzentren und Wohnkollektive) zu erkämpfen.
Vom 31.12.67 6.2.71 kommt es allein in West-Berlin zu ca. 70
Brand-, Sprengstoff- und Knallkörperanschlägen von kleinen militanten
Gruppen (Tupamaros West-Berlin, Haschrebellen, Schwarze Ratten, Schwarze
Front) auf US-amerikanische Einrichtungen, die sich gegen den
Vernichtungskrieg der USA in Vietnam richten. Justizeinrichtungen, Banken,
Rathäuser, Bezirksämter und Konsulate sowie die reaktionäre Presse sind
ebenfalls Ziele der Anschläge. Ein Teil dieser AktivistInnen schließt sich
dann 1972 unter dem Namen Bewegung 2. Juni zusammen.
1970: In Heidelberg wird von dem Assistenzarzt Dr. Wolfgang Huber das
Sozialistisches Patientenkollektiv (SPK) gegründet. Das SPK ist eine
Selbsthilfeorganisation und thematisiert die krankmachende Gesellschaft,
hat ca. 500 Mitglieder und proklamiert Aus der Krankheit eine Waffe
machen.
14. Mai 1970: Andreas Baader wird in Berlin bei einer Ausführung in
das UNI-Institut befreit. Andreas Baader und Gudrun Ensslin arbeiteten in
Frankfurt in einem Jugendprojekt; um darüber eine Arbeit zu schreiben,
bekommt Andreas Baader die Ausführung in das Publizistische Institut.
Anläßlich seiner Befreiung veröffentlicht die RAF ihre erste Erklärung Die
Rote Armee aufbauen.
24. Juni 1970: Anfang der 70er Jahre löst sich der SDS auf. Die letzte
noch existierende Gruppe wird am 24.6.1970 nach schweren
Auseinandersetzungen mit der Polizei in Heidelberg verboten.
7. August 1970: In den USA scheitert die Befreiung von George Jackson.
Sein Bruder Jonathan, zwei weitere Gefangene sowie ein Richter sterben im
Kugelhagel des FBI. Die kommunistische Journalistin Angela Davis wird
daraufhin beschuldigt, die Waffen für diese Aktion geschmuggelt zu haben.
Eine jahrelange internationale Kampagne für ihre Freilassung beginnt.
George Jackson war mit 15 Jahren zum ersten Mal im Jugendgefängnis und mit
18 wegen angeblichen Raubes von 760 Dollar zu einem Jahr bis lebenslänglich
verurteilt, wobei sein Entlassungstermin abhängig war von der Entscheidung
einer Kommission über seine gute Führung. In der Haft beginnt er sich vor
allem für den schwarzen Befreiungskampf zu engagieren, gründet mit anderen
schwarzen Gefangenen die Soledad Brothers und wird später Mitglied der
Black Panther Party. Jackson ist wichtiges Bindeglied zwischen der
afroamerikanischen, der hispanischen und der weißen
Gefangenenbewegung.
26. August 1970: Im Zusammenhang mit den bevorstehenden
Massenentlassungen bei Linnhof (Maschinenbau) in der
Silbersteinstraße/Berlin, verübt die Schwarze-Front Tupamaros einen
Sprengstoffanschlag auf das Haus des Direktors und auf dessen PKW.
September 1970: Zeitgleich werden in Berlin drei Banken in einer
gemeinsamen Aktion der RAF und des Blues überfallen. Das erbeutete Geld
wird umverteilt und für Waffen, Logistik und die in der Illegalität
lebenden GenossenInnen verwendet.
18. Oktober 1970: In einer Wohnung in der Berliner Knesebeckstraße
werden Brigitte Asdonk, Monika Berberich, Irene Georgens, Horst Mahler* und
Ingrid Schubert verhaftet.
1971: Die Knastrevolte von Attica (USA), hauptsächlich getragen von
afroamerikanischen und puertoricanischen Gefangenen, wird nach vier Tagen
blutig niedergeschlagen; 32 Gefangene werden getötet, über 300 schwer
verletzt viele durch Schüsse in den Rücken.
1. Mai 1971:In der Hasenheide werden bei einem Smoke-In die Yippies
Westberlin gegründet. Ein Teil geht später zur Bewegung 2. Juni. Yippies
kommt von Youth International Party, dem politischer Ableger der
Hippie-Bewegung in den USA. Es finden zahlreiche Aktionen und Kampagnen vor
allem gegen den Vietnam-Krieg statt.
15. Juli 1971: Bei der bislang größten Fahndung in der BRD, der Aktion
Kobra, bei der über 3 000 Polizisten im Einsatz sind, wird in Hamburg die
20-jährige Petra Schelm von einem Polizisten erschossen. Sie ist das erste
Todesopfer der Terroristenfahnder. Der Schütze reklamiert erfolgreich
Notwehr.
Juli 1971: Nach 14 Monaten Untersuchungshaft beginnt 1971 der Prozeß
gegen Georg von Rauch, Bommi Baumann und Thomas Weißbecker. Die drei werden
wegen Nötigung, Körperverletzung und versuchten schweren Raubes
angeklagt, weil sie einen Quick-Reporter verprügelt hatten. Nach
Bekanntgabe der Haftverschonung für Bommi Baumann und Thomas Weißbecker
kommt es im Gerichtssaal zu einem Verwechslungs-go-out. Anstelle des
haftverschonten Thomas Weißbecker verläßt Georg von Rauch den
Gerichtssaal. Als festgestellt wird, daß eine Verwechslung vorlag, wird
auch Thomas Weißbecker sofort freigelassen. Er wird am darauffolgenden Tag
wegen Gefangenenbefreiung zur Fahndung ausgeschrieben. Georg von Rauch lebt
fortan im Untergrund.
15. August 1971:Im Kino Arsenal treffen sich anläßlich des Filmes von
Rosa von Praunheim Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die
Situation, in der er lebt etwa 40 schwule Männer und Frauen. Es entsteht
die HAW (Homosexuelle Aktion West-Berlin). Kurze Zeit später entsteht
innerhalb der HAW eine Frauengruppe, die sich als schwule
Emanzipationsgruppe innerhalb der Frauenbewegung versteht. Als
selbständige Organisation solidarisieren sie sich mit anderen Frauengruppen
und arbeiten punktuell mit den HAW-Männern zusammen.
21. August 1971: George Jackson wird im Gefängnis San Quentin
ermordet.
4. Dezember 1971: Georg von Rauch wird in der Eisenacher Straße in
Berlin-Schöneberg von einem Kriminalbeamten durch einen Kopfschuß auf
offener Straße erschossen. Zwei Tage danach kommt es zur Besetzung des nach
ihm benannten Georg von Rauch-Hauses in Kreuzberg.
1972: Nach Aufständen und Massenfluchten aus Erziehungsheimen gibt der
Berliner Senat eine öffentliche Bankrotterklärung zur Jugendpolitik ab. Es
sollen viele Jugendeinrichtungen (Heime, Treffpunkte, Zentren) geschlossen
werden, die daraufhin aber von den Jugendlichen besetzt und selbstverwaltet
werden. Am 25. Februar 1972 wird in der Belzigerstraße in Berlin-Schöneberg
ein ehemaliges städtisches Jugendzentrum von ca. 200 Jugendlichen besetzt.
Das SJSZ (Sozialistische Jungarbeiter- und Schülerzentrum) ist das erste
selbstverwaltete Jugendzentrum und das einzige, dem es gelingt, die
Selbstverwaltung gegenüber dem Senat vertraglich abzusichern. Weitere
Besetzungen folgen. (Ende 1972 Besetzung eines Senats-Jugendheimes in
Schöneberg in der Potsdamer Straße. Dort entsteht das spätere drugstore.
1973 Besetzung eines leerstehenden Wohnhauses, in dem das
selbstorganisierte Jugendzentrum Putte entsteht. 1973 Gründung des
Wohnkollektivs Thomas Weißbecker Haus in der Wilhelmstraße).
Januar 1972: Zum Jahreswechsel findet ein erstes Treffen verschiedener
militanter Gruppen (Tupamaros Westberlin, Haschrebellen, Rote Ruhr Armee
u.a.) statt. Sie diskutieren und organisieren den darauffolgenden
Zusammenschluß unter dem Namen Bewegung 2. Juni.
28. Januar 1972: Die Innenministerkonferenz unter dem Vorsitz des
Bundeskanzlers Brandt beschließt den Radikalenerlaß. Im öffentlichen
Dienst werden Gesinnungsprüfungen durchgeführt. Die BewerberInnen und
Angestellten werden durch den Verfassungsschutz überprüft und
linksverdächtige KandidatInnen abgelehnt. Als Verdacht genügt z.B. Leben in
einer Wohngemeinschaft, Mitgliedschaft in der DKP oder Teilnahme an einer
linken Demonstration. Der Radikalenerlaß ist die Antwort auf den von der
Studentenbewegung propagierten Marsch durch die Institutionen.
30. Januar 1972: Bloody Sunday. Im nordirischen Derry feuern britische
Soldaten auf eine Bürgerrechtsdemonstration; dabei gibt es 13 Tote.
2. Februar 1972: Die Bewegung 2. Juni verübt einen Sprengstoffanschlag
auf den britischen Yachtclub und zwei PKWs der in Berlin stationierten
Alliierten Streitkräfte. Die Aktionen stehen im Zusammenhang mit dem
Bloody Sunday in Derry. Der als Hausmeister tätige Bootsbauer Erwin
Beelitz findet im Britischen Yachtclub in Berlin-Gatow eine der abgelegten
Bomben und nimmt sie an sich. Als er sie in einen Schraubstock spannt und
mit Hammer und Meißel bearbeitet, explodiert sie.
2. März 1972: Thomas Weißbecker, der wegen Brandstiftung und
Körperverletzung gesucht wird, wird in Augsburg von einem Sonderkommando
des bayrischen Landeskriminalamtes erschossen. Der Todesschütze wird später
freigesprochen, weil er angeblich in Notwehr handelte.
3. März 1972: Nach der Erschießung von Thomas Weißbecker verübt die
Bewegung 2. Juni einen Sprengstoffanschlag auf das Landeskriminalamt
Berlin. Auf ihrem kurzen Flugblatt Jetzt reicht's! beziehen sie sich mit
dieser Aktion auch auf die Ermordeten Petra Schelm und Georg von
Rauch.
April 1972: Nach der Ausrufung des Inneren Notstandes durch das
Militärregime in Uruguay werden die dort inhaftierten Kader der
MLN-Tupamaros als Geiseln gehalten. Ende 1972 sind die Tupamaros weitgehend
zerschlagen.
Mai 1972: Im Zuge der Eskalation des Krieges gegen Nordvietnam verhängt
US-Präsident Nixon eine Seeblockade und ordnet die Verminung der
nordvietnamesischen Häfen an; gleichzeitig finden die Pariser Verhandlungen
statt. Es kommt zu weltweiten Protesten. In der BRD gehen rund 100 000
Menschen auf die Straße.
5. Mai 1972: Aus Protest gegen die Justiz verübt die Bewegung 2. Juni
einen Brandanschlag auf die juristische Fakultät. Diese Aktion bezog sich
vor allem auf die Tatsache, daß die Verfahren gegen Polizeibeamte, die
Todesschützen der Terroristenfahnder, eingestellt werden.
7. Mai 1972: Inge Viett von der Bewegung 2. Juni wird zusammen mit
Ulrich Schmücker in Bad Neuenahr verhaftet.
19. Mai 1972: Im Axel-Springer-Verlag Hamburg explodieren zwei Bomben.
Dabei werden 17 ArbeiterInnen verletzt. Das RAF-Kommando 2. Juni
übernimmt die Verantwortung für den Anschlag.
1. Juni 1972: Bei einer der größten Fahndungsaktionen gegen die
Stadtguerilla-Gruppen in der BRD und West-Berlin werden Andreas Baader,
Holger Meins und Jan-Carl Raspe in Frankfurt verhaftet, am 7. Juni 1972
wird Gudrun Ensslin in Hamburg und am 15. Juni 1972 Ulrike Meinhof und
Gerhard Müller in Hannover festgenommen, nachdem sie von einem
Quartiergeber verraten wurden.
5. September 1972: Bei den Olympischen Spielen in München nimmt die
palästinensische Organisation Schwarzer September mehrere israelische
Sportler als Geiseln und fordert die Freilassung von 200 arabischen
Häftlingen in Israel. Auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck kommt es durch den
Einsatz der Polizei zu einem Blutbad. Der Hubschrauber, in dem sich die
Entführer und die Geiseln befinden, wird von 1 000 Schuß regelrecht
durchsiebt. Alle neun israelischen Geiseln und fünf Palästinenser des
Kommandos sowie ein Polizist kommen ums Leben. Schwarzer September
bezieht sich auf das Massaker, das die jordanische Armee 1970 an den in
Jordanien lebenden PalästinenserInnen anrichtete.
17. Januar bis 12. Februar 1973: Im ersten Hungerstreik der RAF fordern
40 Gefangene Normalvollzug und Gleichbehandlung sowie die Verlegung von
Ulrike Meinhof aus dem Toten Trakt in Köln-Ossendorf.
25. Januar 1973: Unter dem Titel Die Verbrechen der lesbischen Frauen
erschien mehrere Wochen lang eine Artikelserie in der BILD-Zeitung. Die
Frauengruppe der HAW (Homosexuelle Aktion West-Berlin) und andere
organisieren Protestaktionen dagegen.
Februar bis Oktober 1973: Bundesweit finden wilde Streiks von mehreren
tausend ArbeiterInnen in der Auto- und Stahlindustrie statt. In einigen
Betrieben werden die Streiks in einer konzertierten Aktion von Polizei und
Werkschutz niedergeschlagen. Der Fordstreik in Köln im August 1973 wird zum
großen Teil von ausländischen Vertragsarbeitern getragen. Es kommt dort zum
Konflikt zwischen türkischen und westdeutschen Arbeitern. Schlägertrupps,
Provokateure und deutsche Arbeiter (obwohl diese nicht zur tatsächlichen
Belegschaft gehören) werden als Streikbrecher aktiv. Flankiert wird dies
von der BILD-Zeitungsschlagzeilen: Deutsche Arbeiter erkämpfen ihre
Fabriken zurück. Bei einem Streik in dem Betrieb Pierburg/Autogerätebau
in Neuss solidarisieren sich hingegen deutsche Arbeiter mit ihren
ausländischen Kollegen, die die Arbeit niedergelegt hatten.
März 1973: Eskalation im Frankfurter Häuserkampf. Nach der Räumung eines
besetzten Hauses kommt es zu militanten Demonstrationen mit bis zu 5 000
TeilnehmerInnen.
23. Mai 1973: In Hamburg wird das besetzte Haus in der Eckhoffstraße
durch ein Mobiles Einsatzkommando (MEK) geräumt.
August 1973: Inge Viett bricht aus der Frauenhaftanstalt Lehrter Straße
aus.
11. September 1973: Militärputsch in Chile unter General Pinochet gegen
die demokratisch gewählte Regierung Salvador Allendes. Maßgeblich beteiligt
sind neben dem CIA das Unternehmen ITT. Auslösende Gründe sind neben der
Nationalisierung der Schwerindustrie (Kupferbergbau) die Agrarreform sowie
der unter der Allende-Regierung erfolgte Aufbau neuer sozialer Strukturen
(poder popular). Der MIR (Movimiento de la Izquierda Revolucionaria
Bewegung der revolutionären Linken), eine unter Allende legale
linksradikale Organisation, die sich u.a. an Landbesetzungen beteiligte um
den Umstrukturierungsprozeß zu beschleunigen, wird nach dem Militärputsch
illegalisiert. Zehntausende Linke werden von den Militärs verhaftet und zum
Teil in Fußballstadien gefangen gehalten. Tausende werden gefoltert und
ermordet.
November 1973: In Frankfurt/Main wird der Gefangenenrat gegründet, um
die Forderungen der Gefangenen in die Öffentlichkeit zu bringen.
11. November 1973: Till Meyer (Bewegung 2. Juni) flüchtet aus dem
offenen Vollzug in Castrop Rauxel.
17./18. November 1973: Erste Anschläge der Revolutionären Zellen. Ziel
sind die Niederlassungen der Firma ITT, die mitverantwortlich für den
Putsch in Chile ist.
20. Dezember 1973: Die ETA (Euskadi Ta Askatasuna Baskenland und seine
Feiheit), verübt einen Anschlag auf Carrero Blanco, rechte Hand des
spanischen Diktators Franco. Die Explosion ist so gewaltig, daß der
Personenwagen Carrero Blancos mehrer Stockwerke hoch geschleudert wird, was
Blanco nicht überlebt.
1974: Es entstehen die ersten Gesundheitsläden. Die KPD-ML versucht mit
einer Gesundheitskampagne und einem Volksbegehren die Wiedereinrichtung des
ehemaligen Bethanienkrankenhauses als Poliklinik durchzusetzen. Daraufhin
wird die Möglichkeit des Volksentscheides abgeschafft.
Sommer 1974: Dem Berliner Senat gerät das politische Engagement der
Lehrlings-, SchülerInnen-, und Jungendzentren außer Kontrolle. In einer
groß angelegten Aktion wird gegen die Jugendzentren und Wohnkollektive
vorgegangen, z.B. durch Vertragskündigung und Räumung der Putte oder
Vertragskündigung und versuchte Räumung des SJSZ.
24. April 1974: In Portugal findet ein Putsch linker Militärs gegen die
seit 1926 andauernde Diktatur statt (Revolution der Nelken). Damit enden
auch die Kolonialkriege Portugals gegen Angola, Mozambique und
Guinea-Bissau.
4. Juni 1974: Der Verfassungsschutzagent Ulrich Schmükker wird im
Berliner Grunewald von einem Kommando Schwarzer Juni erschossen.
Schmücker diente sich, nach seiner Festnahme am 7. Mai 1972, dem
Verfassungsschutz an und wurde nach einigen Monaten aus der Haft entlassen.
Er arbeitete fortan als Agent Provocateur für den Berliner
Verfassungsschutz.
23. Juli 1974: Ende der Militärjunta in Griechenland.
13. September 1974 bis 5. Februar 1975: Gefangene der RAF, der Bewegung
2. Juni und andere treten in einen Hungerstreik mit den Forderungen:
Normalvollzug, Gleichstellung aller Gefangenen, gegen
Sonderhaftbedingungen. Es entsteht eine Diskussion zur Magna Charta, die
die Grundlage für eine gemeinsame Plattform aller Gefangenen bilden soll,
d.h.: Für alle Internierten in Gefängnissen, Psychiatrischen Anstalten,
Fürsorge- und Erziehungsheimen.
9. November 1974: Holger Meins stirbt nach neun Wochen Hungerstreik. An
den Tagen danach kommt es neben einigen Brandanschlägen in vielen Städten
Westdeutschlands und in Berlin zu über 50 Demonstrationen und zum Teil
schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei.
10. November 1974: Berlins Kammergerichtspräsident Günter von Drenkmann
wird von einem Kommando der Bewegung 2. Juni bei einer versuchten
Entführungsaktion erschossen. Eine Woche später veranstaltet der
Westberliner Senat eine Trauer- und Protestkundgebung zur Beerdigung
Drenkmanns. Für diese Kundgebung werden die Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes sowie vieler privater Großunternehmen (z.B. Siemens) beurlaubt.
Dennoch erscheinen lediglich 10 000 TeilnehmerInnen.
11. November 1974: An einer Großdemonstration zur Unterstützung der
Hungerstreikenden und aus Protest gegen die Ermordung von Holger Meins
beteiligen sich in Berlin über 15 000 Menschen.
Anfang Dezember 1974: Bei der bundesweiten Fahndungsaktion Aktion
Winterreise werden zahlreiche Wohnungen und Büros durchsucht, zehn
Personen verhaftet und 56 vorläufig festgenommen.
23. Februar 1975: Räumung des von 20 000 Menschen besetzten Baugeländes
für das AKW in Whyl. Massiver Polizeieinsatz, viele Verhaftungen und
Strafverfahren.
27. Februar 1975 5. März 1975: Mitten im Berliner Wahlkampf wird der
Landesvorsitzende der CDU, Peter Lorenz, von der Bewegung 2. Juni entführt.
Die Behörden gehen auf den geforderten Austausch ein. Pfarrer Heinrich
Albertz begleitet die Gefangenen Verena Becker, Rolf Heißler, Gabriele
Kröcher-Tiedemann, Rolf Pohle und Ingrid Siepmann in den Südjemen. Peter
Lorenz wird auf das Losungswort So ein Tag, so wunderschön wie heute!
freigelassen.
2. März 1975: Wahlen in Westberlin. Die CDU gewinnt und
Peter Lorenz wird Regierender Oberbürgermeister von Westberlin.
4. März 1975: Zehn Tage nach Ablehnung der Fristenlösung bei
Schwangerschaftsabbruch durch das Bundesverfassungsgericht verübt die Rote
Zora einen Anschlag auf das Gericht in Karlsruhe. In Bonn findet eine der
größten Demonstrationen gegen den § 218 statt.
24. April 1975: Das RAF-Kommando Holger Meins besetzt die deutsche
Botschaft in Stockholm und nimmt zwölf Geiseln. Sie verlangen die
Freilassung von 26 politischen Gefangenen. Die Bundesregierung geht jedoch
nicht auf die Forderungen ein. Aus nie ganz geklärten Gründen explodiert
kurz nach Mitternacht im Botschaftsgebäude eine Bombe. Dabei sterben der
Militärattaché Andreas von Mirbach, der Botschaftsrat Heinz Hillegart und
Ulrich Wessel vom RAF-Kommando. Ein weiteres Kommando-Mitglied, Siegfried
Hausner, stirbt nach seiner Auslieferung an die BRD aufgrund seiner
schweren Verletzungen.
28. April 1975: Gerald Klöpper und Ronald Fritzsch von der Bewegung 2.
Juni werden in einer Garage in Berlin-Tegel festgenommen.
30. April 1975: Eroberung Saigons durch den Vietcong.
9. Mai 1975: Bei einem Schußwechsel auf einem Parkplatz in Köln werden
Werner Sauber von der Bewegung 2. Juni und ein Polizist erschossen. Karl
Heinz Roth wird schwer verletzt und zusammen mit Roland Otto
festgenommen.
21. Mai 1975: In Stuttgart-Stammheim beginnt der Prozeß gegen Andreas
Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe.
6. Juni 1975: Till Meyer wird bei seiner Festnahme im U-Bahnhof
Yorkstraße in Berlin angeschossen.
Juli 1975: Flugblätter der Revolutionären Zellen und 120000 gefälschte
Sammelfahrscheine der BVG im Wert von 360 000 DM werden durch eine
organisierte Verteilerstruktur unter die Leute gebracht. Fahrpreisautomaten
werden lahmgelegt und Schwarzfahrertips verteilt.
30. Juli und 31. Juli 1975: Bei zwei Banküberfälle werden 100 000 DM von
der Bewegung 2. Juni umverteilt und die Kunden und Angestellten mit
Schokoküssen getröstet.
9. September 1975: Ralf Reinders, Inge Viett und Juliane Plambeck werden
in einer Ladenwohnung in Berlin-Steglitz verhaftet, wenige Tage später auch
Fritz Teufel und Gabriele Rollnik.
12. November 1975: Waltraud Siepert und Christiane Doemeland werden
verhaftet.
16./24. Dezember 1975: Bundesweite Aktion gegen politische Buchläden,
Verlage, Druckereien und Wohngemeinschaften. Die ganze Aktion wird noch mit
dem § 131 (Verherrlichung von Gewalt) legitimiert, bietet jedoch eine
Vorschau auf das folgende Maulkorbgesetz § 130a (Anleitung zu Straftaten)
und den Staatsschutzparagraphen § 88a (Verfassungsfeindliche Befürwortung
von Straftaten).
21. Dezember 1975: Die OPEC-Konferenz in Wien wird von einem
palästinensischen Kommando besetzt. Rund 70 Konferenzteilnehmer werden als
Geiseln genommen. Dabei kommen ein österreichischer Kriminalbeamter, ein
irakischer Sicherheitsbeamter und ein OPEC-Angestellter ums Leben. Das
Kommando erzwingt die Ausreise mit den OPEC-Ministern.
24. Dezember 1975: Inge Viett versucht sich abermals aus dem Knast zu
sägen und wird zu früh entdeckt.
16. Januar 1976: Der Bundestag verabschiedet das 14.
Strafrechtsänderungsgesetz, das am 1.5.1976 in Kraft tritt. Es führt die §§
88a und 130a ein, die die Verbreitung oder auch nur den Besitz von
Schriften, die Gewalt befürworten unter eine Gefängnisstrafe von bis zu 3
Jahren stellen.
26. März 1976: In Berlin werden Eberhard Dreher und Andreas Vogel wegen
Unterstützung und Mitgliedschaft in der Bewegung 2. Juni verhaftet.
9. Mai 1976: Ulrike Meinhof wird in ihrer Zelle erhängt aufgefunden. In
den fünfziger und sechziger Jahren war sie Sprecherin der Bewegung gegen
den Atomtod, Mitglied der illegalen KPD und Kolumnistin der Zeitschrift
Konkret. Am 4.5.1970 war sie an der Befreiung von Andreas Baader
beteiligt. Sie wurde am 15.6.1972 festgenommen und am 29.11.1974 zu 8
Jahren Haft verurteilt.
16. Juni 1976: In Südafrika beginnt der mehrwöchige Aufstand schwarzer
SchülerInnen gegen die Einführung von Afrikaans als Unterrichtssprache. Die
Sicherheitskräfte eröffnen das Feuer gegen die DemonstrantInnen. Mindestens
350 SchülerInnen kommen ums Leben, über 200 werden verletzt. Der Widerstand
in Soweto wird zum Symbol des Kampfes gegen das rassistische
Apartheitsregime.
24. Juni 1976: Der Bundestag verabschiedet die ersten
Anti-Terror-Gesetze. Von nun an kann der Schriftverkehr zwischen den
Gefangenen und ihren Anwälten überwacht werden. Außerdem wird die
sogenannte Mehrfachverteidigung unterbunden. Mit dem § 129a wird der
Straftatbestand der Bildung und/oder Mitgliedschaft in einer
terroristischen Vereinigung geschaffen.
27. Juni 1976: Unter Beteiligung von Mitgliedern der Revolutionären
Zellen entführt ein palästinensisches Kommando ein Air France
Verkehrsflugzeug nach Entebbe in Uganda und fordert die Freilassung von 53
in verschiedenen Ländern einsitzenden politischen Gefangenen. Darunter auch
sechs in der BRD: Werner Hoppe, Jan-Carl Raspe, Ralf Reinders, Ingrid
Schubert, Fritz Teufel und Inge Viett. Unter den über 250 Passagieren
befinden sich rund 100 israelische Staatsbürger oder Juden anderer
Nationalität. Nachdem die nicht-jüdischen Passagiere freigelassen wurden,
stürmt eine israelische Militäreinheit den Flughafen von Entebbe, befreit
die Geiseln und erschießt die Kommando-Mitglieder, darunter auch Wilfried
Bony Böse und Brigitte Kuhlmann von den RZ.
7. Juli 1976: Vier Frauen (Monika Berberich, Inge Viett, Gabriele
Rollnik, Juliane Plambeck) der RAF und der Bewegung 2. Juni gelingt der
Ausbruch aus der Frauenhaftanstalt Lehrter Straße in West-Berlin.
30. Oktober 1976: Erste Bauplatzbesetzung in Brokdorf mit ca. 8 000
Menschen.
13./14. November 1976: 40 000 Menschen versuchen erneut die Besetzung
des Bauplatzes in Brokdorf. Es kommt zu einer brutalen Räumung und
Auseinandersetzungen mit der Polizei mit 1 000 zum Teil lebensgefährlich
verletzte DemonstrantenInnen.
4. April 1977: Norbert Kröcher und Manfred Adomeit werden an die BRD
ausgeliefert. Am 31.3./1.4.1977 waren sie gemeinsam mit anderen in
Stockholm verhaftet worden.
7. April 1977: In Karlsruhe werden auf den Dienstwagen von
Generalbundesanwalt Buback von einem Motorrad aus Schüsse abgegeben
(RAF-Kommando Ulrike Meinhof). Generalbundesanwalt Siegfried Buback, sein
Fahrer und ein Polizist werden dabei getötet.
2. April bis Mai 1977: Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF, bei dem
diese einen neuen politischen Kurs festlegen: Die Anerkennung des
Kriegsgefangenen-Status nach den Genfer Konventionen und die Zusammenlegung
der Gefangenen.
28. April 1977: Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin werden
zu lebenslanger Haft verurteilt.
3. Mai 1977: Bei einer Schießerei mit der Polizei wird Günter Sonnenberg
lebensgefährlich verletzt und zusammen mit Verena Becker verhaftet.
4. Mai 1977: In einer Göttinger Studentenzeitung wird unter der
Überschrift Buback ein Nachruf ein Artikel zu dem Anschlag auf den
damaligen Generalbundesanwalt veröffentlicht. Der Beitrag formulierte eine
deutliche Kritik an der Stadtguerilla-Politik, aufgrund der Aussage der
klammheimlichen Freude über das Ableben Bubacks setzt die Staatsmacht in
den folgenden Wochen jedoch ihren Repressionsapparat ein. Aus Solidarität
mit den verfolgten Redakteuren der Zeitschrift und dem ASTA wurde daraufhin
der Nachruf in vielen Alternativ-, Studenten- und Schülerzeitungen
nachgedruckt. Auch gegen diese Publikationen kommt es wieder zu einer Welle
von Ermittlungsverfahren. Gegen die Einschränkung der Pressefreiheit
unterschreiben daraufhin 177 Hochschullehrer im September 1977 eine
Solidaritätserklärung. Nach eingeleiteten Disziplinarverfahren ziehen die
meisten jedoch ihre Unterschrift zurück.
30. Juli 1977: Der Vorstandsvorsitzende der Dresdner Bank Jürgen Ponto
wird in seinem Haus in Oberursel erschossen
5. September 1977: Das RAF-Kommando Siegfried Hausner entführt in Köln
Hanns-Martin Schleyer und erschießt dabei Schleyers Fahrer und drei
Polizeibeamte. Das Kommando fordert die Freilassung von elf
RAF-Gefangenen.
7. September 1977: Über 72 Gefangene wird eine Kontaktsperre verhängt,
die erst am 29.9.77 durch ein Gesetz legalisiert wird. Das
Kontaktsperregesetz wird vom Bundestag innerhalb von drei Tagen
verabschiedet. Im Zusammenhang mit der Entführung von Schleyer wurde dies
vom damaligen Bundeskanzler Schmidt als unabweisbar notwendig bezeichnet.
Es beschränkt bzw. verbietet den Besuch von Verteidigern bei ihren
Mandanten, den Kontakt der Gefangenen untereinander sowie den Kontakt nach
draußen.
24. September 1977: Internationale Anti-AKW-Demonstration in Kalkar, an
der 50 000 Menschen teilnehmen.
13. Oktober 18. Oktober 1977: Ein palästinensisches Kommando entführt
die Lufthansamaschine Landshut mit Mallorca-Urlaubern in die somalische
Hauptstadt Mogadischu. Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe,
Verena Becker, Werner Hoppe, Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Bernd
Rössner, Ingrid Schubert, Irmgard Möller sollen freigelassen werden und mit
100 000 DM in ein Land ihrer Wahl ausreisen. Während der Zwischenlandung in
Aden wird der Kapitän der Landshut erschossen, um das Auftanken der
Maschine zu erzwingen. Die GSG 9 stürmt die Maschine in Mogadischu; dabei
werden drei der Flugzeugentführer erschossen.
18. Oktober 1977: Tod von Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl
Raspe in Stammheim.
19. Oktober 1977: Hanns-Martin Schleyer wird tot im Kofferraum eines
PKWs in Mühlhausen entdeckt.
Oktober 1977: In einer Kampagne gegen die Herstellung von Raubdrucken
und gegen mehrere Spontiblätter, vor allem gegen das Berliner Infobug
gibt es erstmalig Prozesse und Festnahmen gegen Hersteller, Drucker und
Verteiler linker Schriften. Später folgt die Festnahme und der Prozeß gegen
die agit-drucker.
12. November 1977: Ingrid Schubert wird erhängt in ihrer Zelle in
Stadelheim aufgefunden.
13. November 1977: Massendemonstration gegen das AKW in Brokdorf.
Januar 1978: In Berlin findet der TUNIX-Kongreß der Sponti-Linken
statt.
6. Februar 1978: Celler-Loch. Um Agenten eine glaubwürdige Legende zu
verschaffen, sprengt der Verfassungsschutz mit Hilfe der GSG 9 ein Loch in
die Mauer der Strafanstalt Celle. Vorgetäuscht wird damit ein
Befreiungsversuch von Sigurd Debus, der daraufhin isoliert wird.
10. April 1978: In Berlin beginnt vor dem Kammergericht der
Lorenz-Drenkmann-Prozeß gegen Ronald Fritzsch, Gerald Klöpper, Till
Meyer, Ralf Reinders, Fritz Teufel und Andreas Vogel. Der Beginn des
Prozesses wird von Auseinandersetzungen über die Zwangsverteidiger
bestimmt. Daraufhin übernehmen die Revolutionären Zellen die Verantwortung
für zwei Aktionen gegen die Zwangsverteidiger: Einem wird ins Bein
geschossen und ein zweiter findet eine Bombe unterm Auto.
27. Mai 1978: Till Meyer wird von zwei Genossinnen vom Kommando Nabil
Harb aus dem Knast (Moabit) befreit. Die ebenfalls beabsichtigte Befreiung
von Andreas Vogel scheitert.
1. Juni 1978: Die Trennscheibe für Rechtsanwälte und Besucher im Knast
wird per Gesetz eingeführt.
5. Juni 1978: Klaus Viehmann wird in Berlin verhaftet.
21. Juni 1978: Till Meyer wird zusammen mit Gabriele Rollnick, Gudrun
Stürmer und Angelika Goder in Bulgarien festgenommen und an die BRD
ausgeliefert.
31. April 1979: 100 000 demonstrieren gegen die
Wiederaufbereitungsanlage in Gorleben.
2. Juni 1980: Ein Teil der Bewegung 2. Juni erklärt seine Auflösung und
den Übertritt zur RAF.
13. Oktober 1980: Urteilsverkündung im Lorenz-Drenkmann-Prozeß: Je 15
Jahre für Ralf Reinders und Till Meyer, 13 Jahre für Ronald Fritzsch, 11
Jahre für Gerald Klöpper, 10 Jahre für Andreas Vogel und 5 Jahre für Fritz
Teufel.
Fritz Teufel wird nach der Urteilsverkündung aus der Haft
entlassen. Er ist heute Fahrrad-Kurier und Pedalologe.
Gerald Klöpper wird 1982 vorzeitig entlassen. Nach einem kurzen Intermezzo
bei der Alternativen Liste läßt er es sich heute als Unternehmer
gutgehen.
Andreas Vogel saß nach seinem Schwenk zur RAF die Reststrafe bis 1986 im
Celler Trakt ab.
Till Meyer wurde brav und distanzierte sich von allem und wird 1986
ebenfalls vorzeitig entlassen. Bis zu dessen Auflösung findet er bei der
Stasi der DDR eine neue Heimat.
Ronald Fritzsch wird am 20. September 1989 und Ralf Reinders am 14.
September 1990 aus der Haftanstalt Berlin-Moabit entlassen.
aus:
die bewegung 2.juni
gespraeche ueber haschrebellen, lorentz-entfuehrung und knast
edition id-archiv
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Inhalt
von den haschrebellen zur bewegung 2.juni
die lorenzentfuehrung teil 1
die lorenzentfuehrung teil 2
ralf reinders, ronald fritzsch
die unbeugsamen von der spree
fritz teufel, gerald kloepper, ralf reinders, ronald fritzsch
die jahre im knast
ralf reinders
chronologische eckdaten
von vietnam bis berlin-moabit