From: Klaus von Raussendorff
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Dokumentation zum Tschetschenien-KonfliktDokumentation zu Fakten und Hintergründen des Tschetschenien-KonfliktsJef BOSSUYT, Partei der Arbeit Belgiens,: Anti-Imperialistische Korrespondenz (AIK)AUF DEM WEGE ZU EINEM BALKANISIERTEN RUSSLAND TSCHETSCHENIEN: RUSSLANDS KOSOVO (13. Oktober 1999) (Der Artikel schließt mit einer Erklärung des ZK der Russischen Kommunistischen Arbeiterpartei von VICTOR TYULKIN). Deutsche Erstveröffentlichung und Verbreitung des Beitrags ist ausdrücklich erwünscht! (Anlage 1) Redaktion: Klaus von Raussendorff Postfach 210172, 53156 Bonn Tel.&Fax: 0228 – 34.68.50 http://home.t-online.de/home/aik-web/ AUF DEM WEGE ZU EINEM BALKANISIERTEN RUSSLAND - TSCHETSCHENIEN: RUSSLANDS KOSOVOvon Jef Bossuyt (13. Oktober 1999)
Am 7. Oktober sandte der tschetschenische Präsident Maschadow
ein Schreiben an den neuen NATO-Generalsekretär George Robertson.
Der Präsident der aufständischen russischen Republik forderte
ihn auf "in Übereinstimmung mit der von der NATO geschaffenen neuen
Weltordnung zu intervenieren." (1)
Heute sind 118.000 Tschetschenen auf der Flucht vor dem Krieg der schon
vor 277 Jahren begann. Im Jahre 1722 gliederte Zar Peter der Große
Dagestan dem russischen Reiche ein. Seit dieser Zeit wurde die Region von
Tschetschenien immer wieder als Brecheisen benutzt, um einen Weg von Süden
her nach Rußland hinein zu erzwingen und in das Land einzufallen.
Im Jahre 1918 besetzte der "weiße" General Denikin Tschetschenien.
Er gehörte zu einer internationalen Koalition, die versuchte, die
bolschewistische Revolution von 1917 rückgängig zu machen. Im
Zuge dieser Intervention begaben sich englische und französische Kriegsschiffe
ins Schwarze Meer, und Truppen gingen in den kaukasischen Häfen Suchumi
und Noworossijsk an Land. Sie wurden zurückgeschlagen und die Rote
Arme wurde 1920 als Sieger in Tschetschenien gefeiert (2)
Im Jahr 1942 besetzte die Nazi-Wehrmacht Teile von Tschetschenien. Viele
Tschetschenen kollaborierten und schlossen sich im Kampf gegen die Rote
Armee deutschen Freiwilligeneinheiten an. (3) Die Tschetschen wurden in
andere Teile der Sowjetunion umgesiedelt, um eine zweite Front im Rücken
zu verhindern. In den 50er Jahre kehrten diese Menschen nach Tschetschenien
zurück.
Im Jahre 1989 forderte die US-Presse die Auflösung der Sowjetunion
und die Öffnung für die Marktwirtschaft und die westlichen Großkonzerne.
Die ersten Republiken, die sezessionierten waren Estland, Lettland und
Litauen. Hilfe erhielt die "Volksfront", welche die Sezession organisierte,
von einem General tschetschenischer Herkunftn namens Diokhar Dudajew. Im
August 1991 unterstützte Dudajew Jelzins Staatsstreich und das Ende
der Sowjetunion. Im Dezember 1991 erklärte er die Unabhängigkeit
Tschetscheniens und ernannte sich selbst zum Präsidenten. Seit der
Auflösung der Sowjetunion haben es die Westmächte darauf abgesehen,
den russischen Staat aufzubrechen, um ihre Kontrolle über Eurasien
zu sichern. Der US-Stratege Zbigniew Brzezinski formulierte es so: "Eine
offenere russische Föderation, bestehend aus einem europäischen
Rußland, einer Sibirischen Republik und einer Republik im Fernen
Osten würde seine Entwicklung beschleunigen. Jeder dieser drei Bestandteile
wäre auch besser in der Lage, sein eigenes kreatives Potential zu
entwickeln, das seit Jahrhunderten durch Moskaus bleierne Bürokratie
unterdrückt wurde." (4).
Tschetschenien erkannte die Autorität Moskaus nicht länger an
und beschlagnahmte den Erdöltransport durch sein Territorium. Im Dezember
1994 drangen russische Truppen in die Region ein. Ein blutiger Krieg forderte
70.000 Opfer, insbesondere während der russischen Bombardierungen,
bevor der letzte russische Soldat Tschetschenien im Jahre 1996 verließ.
Im April 1996 traf eine russische Rakete Diokhar Dudajew, als er ein Satellitenferngespräch
führen wollte. 1997 zum neuen Präsidenten gewählt, unterzeichnete
Aslan Maskadov einen Waffenstillstandsvertrag mit dem russischen General
Lebed. Im Jahre 1998 forderte eine Gruppe von tschetschnischen War Lords
unter der Führung von Shamil Basaajew Präsident Maschadow wegen
seiner versöhnlichen Haltung gegenüber Moskau zum Rücktritt
auf.
Im August 1999 drangen die Kriegsherren Shamil Bassajew und Khatab in die
benachbarte russische Republik Dagestan ein. Sie ermordete Polizeioffiziere,
hißten die grüne Fahne der "Islamischen Republik" und rückten
auf die Hauptstadt Makhachkala vor. In den russischen Städten Moskau,
Buynaksk and Volgodonsk wurden im September 292 Zivilpersonen durch Bombenanschläge
getötet. Rußland legte die Bombenangriffe den Tschetschenen
zur Last und antwortete mit Vergeltungsschlägen auf tschetschenische
Dörfer sowie auf die Hauptstadt Grosny. Anfang Oktober drang die russische
Armee im Norden ein und besetze ein Drittel des tschetschenischen Territoriums.
Am 7. Oktober sandte Maschadow ein Schreiben an NATO-Generalsekretär
George Robertson. Er bat ihn, "sich in die Gestaltung der Beziehungen zwischen
der Tschetschenischen Republik und Rußland einzuschalten, in Übereinstimmung
mit den Normen des internationalen Rechts und der neuen von der NATO errichteten
Weltordnung." (1).
EIN HEILIGER KRIEG UM ÖLDie zweitausend Soldaten von Shamil Bassajew waren bei ihrem Einfall in Dagestan bemerkenswert professionell ausgebildet, versorgt und bewaffnet. Sie verfügten über Stinger-2-Raketen, die seitens der NATO ihren loyalsten Mitgliedstaaten vorbehalten sind. Mit diesen Raketen zerstörten sie drei Hubschrauber vor laufenden Fernsehkameras. Während der Invasion in Tschetschenien setzten sie diese Raketen ein, um ein Sukhoi-25-Militärflugzeug sowie einen Sukhoi-25-Bomber, einen der besten in der Welt abzuschießen. Dies erinnert an die Zeit, als die CIA ganz offen Stinger an den afghanischen Widerstand gegen die sowjetischen Truppen lieferte. Das Geld scheint von pro-westlichen Regimen der arabischen Ölländer zu kommen. General Khatab stammt aus Jordanien, wo er König Husseins tschetschenische Leibgarde organisierte. Die Invasion soll angeblich von Jordanien mit 20 Millionen Dollar gesponsort sein. (4bis) Nach der italienischen Zeitung La Repubblica ist einer der Financiers von Shamil Bassajews Truppen der saudi-arabische Öl-Milliardär Ben Laden. "Sein bevorzugter Aufenthaltsort ist Afghanistan. Aber seine Kontakte mit den tschetschenischen Kriegsheren datieren seit 1997. Er soll Khatab Geld im Ausgleich für Ausbildungsmöglichkeiten seiner Anhänger in den tschetschenischen Guerillalagern angeboten haben. Ganz im Geiste seines Projekts der Errichtung eines einheitlichen Moslemstaates im Kaukasus soll er 25 Millionen in die Operation von Bassajew and Khatab investiert haben. Im Februar wurde in Pakistan die Weltfront des Djihad mit der Hilfe von Ben Laden aufgebaut. Sie strebt die Vereinigung der Hauptströmungen des Integrismus an. Sie unterstützt die bewaffeneten Aufstände in Tadschikistan, Usbekistan, Dagestan und Tschetschenien." (5)In Afghanistan erfüllte Ben Laden die Rolle eines Allierten der Vereinigten Staaten gegen die Russen. Inzwischen wurde er jedoch zu einer Belastung und wurde nach Tschetschenien vertrieben. "Seine Stellung," schreibt La Repubblica, "ist in Afghanistan zunehmend schwieriger geworden. Die USA haben entschieden, mit allen Mitteln, einschließlich diplomatischer, Druck auf Pakistan auszuüben und die Taliban zu zwingen, ihn auszuliefern. Afghanischer Boden wurde ihm zu heiß, und er soll Tschetschenien als einen sichereren Zufluchtsort gewählt haben. Die Russen haben dabei nichts zu sagen, und die USA würden ihn nicht bombardieren, da es russisches Territorium ist." (5)
Die tschetschenischen Kriegsherren haben als ihr Ziel verkündet, "einen
Moslemstaat zu errichten und die Russen aus dem Kaukasus zu vertreiben."
Dieses Ziel paßt perfekt zu den Vorstellungen der amerikanischen
und europäischen Ölkonzernen. Sie wollen die Ölfördergebiete
und Transportwege des Kaukasus kontrollieren und deshalb die Ölleitungen
auf russischem Territorium ausschalten. Das Öl würde dann gänzlich
durch Georgien und die Türkei, zwei von den USA kontrollierte Staaten
abtransportiert werden. Für die arabischen Ölländer ist
der Krieg ein ideales Mittel, ihren aserbaidjanischischen Konkurrenten
zu schwächen, dessen Exportrouten bedroht sind. DIE USA UND DIE STRATEGIE DES TERRORSIn dem Magazin Military Review (6) beschreibt der US-Major Raymond C. Finch den Einsatz von Terrorsisten in der Militärstrategie der Vereinigten Staaten."Der künftige Krieg", schreibt Finch, "ist wahrscheinlich nicht ein Ableger von "Wüstensturm" [dem Krieg gegen Irak], sondern wird das Stiefkind von Somalia und Tschetschenien. In Somalia trieb eine Gruppe leicht bewaffneter 'Rebellen' das US-Militär trotz erdrückender Überlegenheit an Feuerkraft aus dem Lande. Einstweilen zumindest haben haben die Tschetschenen unter der mutigen Führung von Shamil Bassajew ihre Unabhängigkeit und Freiheit errungen. Im August 1991 war Basajew in Moskau und, mit ein paar Handgranaten bewaffnet, ging er hin, um Jelzin im russischen Parlament zu verteidigen. 1992 entführte er ein Passagierflugzeug in der nahegelegenen Stadt Mineralnye Vody und forderte die Russen auf, den Belagerungszustand aufzuheben, oder das Flugzeug würde in die Luft gesprengt. 1995 begaben sich Basajew und etwa 150 handverlesene Kämpfer, in zwei Lastwagen versteckt, auf russisches Territorium. Seine Absicht war, nach Moskau zu gelangen und dort etwas von dem Terror zu entfalten, dem die Bewohner von Tschetschenien in den letzten sechs Monaten ausgesetzt waren. Er hoffte, die russischen Führer an den Verhandlungstisch zu zwingen. In Budennovsk 120 km nördlich der tschetschenischen Grenze stoppte ihn die örtliche Polizei. Als sie das Krankenhaus erreichten, versperrten sie die Ausgänge. Da waren 1500 Patienten im Krankenhaus. Er stellte Geiseln an den Fenstern auf, um die Russen von Schüssen abzuhalten. Über einhundert der Geiseln wurden getötet, als die Sondereinheiten versuchten, das Krankenhaus zu stürmen. Um sicheres Geleit zu erreichen, verlangte Bassajew, daß einige Geiseln die Tschetschenen nach Tschetschenien zurück begleiteten. Es dauerte einige Zeit, bis die Russen sechs Busse aufgetrieben hatten. Der Konvoy gelangte nach Tschetschenien, die Geiseln wurden freigelassen und die Tschetschenen begannen zu feiern. Herkömmliche militärische Tüchtigkeit ist Rebellenkräften, die von einem geschickten und engagierten Führer befehligt werden, nicht gewachsen. Die Vorstellung, daß das Schlachtfeld isoliert ist, und daß die Kämpfe auf Uniformträger beschränkt sind, ist absurd. Mit Eintritt in das 21te Jahrhundert scheint sich die Struktur des Spiels zu verändern. Bei einem Fußballspiel treten die uniformierten Spieler nur gegen eine gegnerische Mannschaft an. Soldaten kämpfen gegen andere Soldaten. Jetzt sind einige Spieler auf die Tribüne gegangen und richten alle möglichen schweren Zerstörungen an. Das Militär scheint auf dem begrifflichen Unterschied zwischen militärischen und kriminellen Operationen bestehen zu wollen. Aber es muß die erforderlichen theoretischen Konzepte entwickeln, um mit einer größeren Vielfalt von Schurken und Herausforderungen umzugehen." Die Schlußfolgerung des US-Majors Finch besagt, daß "die von Bassajew angewendeten Methoden grausam und bösartig sind und oft in Verletzung der anerkannten Gesetze der Kriegführung angewandt wurden. Doch gleichzeitig sind seine Aktionen im Lichte der tschetschenischen Unabhängigkeit mutig und und lobenswert." (6). Damit ist deutliche gesagt, daß Unterstützung von Terroristen wie Bassajew kein Problem ist, insofern deren Aktionen gegen Gegner der USA gerichtet sind. In einer zweiten Phase, sobald die Schmutzarbeit erledigt ist, haben sie einer Intervention von "friedenserhaltenen Streitkräften" der NATO Platz zu machen. Die Terroristen werden dann zur Seite geschoben, auch wenn das nicht immer einfach ist. Major Finch: "Schließlich müssen die USA behutsam abwägen, mit wen sie ihre militärischen Fähigkeiten und Geheimnisse teilen. Basajew verdeutlicht das Problem, das entstehen kann, wenn legitime Regierungen sich dafür entscheiden, militärische Ausbildung und Ausrüstung zweifelhaften Verbündeten zur Verfügung zu stellen. Freiheitskämpfer von heute können zu Terroristen von morgen transformiert werden." Dieselbe Haltung zum Terror wird von den USA im Kosovo eingenommen. Bis Ende 1998 erklärten sie - zu Recht - , daß die Kosovo Befreiungsarmee UCK eine terroristische Vereinigung, eine Drogenbande ist. Gleichwohl entschieden sich die USA dafür, die UCK zu unterstützen, da ihr Terror im Interesse des Westens lag. Die zunehmende Gewalt zwischen Serben und Kosovo-Albanern lieferte der NATO den Vorwand, Jugoslawien zu bombardieren und in Kosovo einzufallen und es zu besetzen.
TSCHETSCHENIEN-KRIEG: BRUDER VIELER KRIEGEDagestanDie Einfuhr von Öl nach Rußland muß nicht notwendiger Weise durch Tschetschenien erfolgen. Seit langem schon plant Rußland eine alternative Pipeline im Osten davon durch Dagestan. Seit dem Einfall von Bassajew in Dagestan im letzten August beabsichtigt keine einzige Ölfirma mehr, auch nur einen Pfennig dort zu investieren. Karachay-Tscherkessien
Tschetschenien könnte auch im Westen durch eine Pipeline
durch Karachay-Tscherkessien umgangen werden. Ist es ein Zufall, daß
auch dort eine Unabhängigkeitsbewegung ausbricht? Am 27. August feuerte
die Polizeit in die Menge, als tausende von ethnischen Tscherkessen den
zentralen Platz der Hauptstadt stürmten und Regierungsgebäude
umstellten. "Diese Anhänger von Dierew weigerten sich den neu gewählten
Präsidenten Semionov anzuerkennen und sind nur an der Errichtung ihrer
eigenen Republik und der Sezession Karachay-Tscherkessiens interessiert." (7)
"Dem Historiker Rachid Khatujew zufolge ist das erste Ziel der Sezession
die Kontrolle über die Pipeline Baku-Novorossiysk. Wenn man es schafft,
Tschetschenien und Dagestan zu umgehen, z.B. mit Tankern bis nach Astrachan,
dann ist dies für den Hafen von Noworossijsk nicht länger möglich.
Wer hat den Nutzen davon? Die Tscherkessen haben im Ausland eine große
Diaspora, besonderes in der Türkei, wo sie ziemlich einflußreich
sind. Während der Wahlen in Tscherkession kam sogar der Prinz von
Jordanien, Ali Ben Hussain, der Bruder von König Hassan. Er rief zur
Wahl von Dierew auf. Mag die Mutter des jordanischen auch Tscherkessin
sein, was hat er mit unseren Wahlen zu tun?" (8) Aserbaidschan Dieser Öl-Staat versucht, Nagorno-Karabach zurück zu erobern, das offiziell zu Aserbaidschan gehört aber durch Milizen der armenischen Bevölkerung besetzt ist. Rußland liefert Waffen an Armenien. Am 17. Juni verlangte der aserbaidschanische Verteidigungsminister Safar Abijev asked, daß "die NATO in die Lösung des Konflikts eingeschaltet wird." Zuvor schon hatten aserbaidschanische Sprecher vorgeschlagen, daß die NATO eine Militärbasis errichtet. In Baku glaubt man, daß eine offenkundige Parallele zwischen Kosovo und Nagorno-Karabach existiert. Aserbaidschan hat angeregt, eine "Friedenstruppe" nach Kosovo zu entsenden, und seine Soldaten beteiligen sich an Manövern in Kanada im Rahmen der NATO-"Partnerschaft für Frieden. (8a). Afghanistan Von 1979 bis 1989 wurde gegen die sowjetischen Besatzungstruppen in Afghanistan ein Guerillakrieg geführt. Die Aufständischen wurden von den Vereinigten Staaten mit Stinger-Raketen ausgerüstet und aus dem saudischen Vermögen von Ben Laden finanziert (9). Doch nachdem die sowjetische Armee vertrieben war, wandte sich die afghanisch-schiitische nationale Bourgeoisie unter Präsident Najibullah dem Iran zu, der ein Dorn im Fleische der USA war. Die USA und Saudi-Arabien unterstützten daher die Taliban, eine sunnitisch-moslemische Organisation, die von Pakistan aus operierte. (10). Im Okbober eroberten die Taliban die Hauptstadt Kabul, und Ben Laden wurde ein nationaler Held. Seither rücken die Taliban nach Norden vor und bedrohen jetzt das benachbarte Usbekistan. Tadjikistan Im Jahre 1992 ergriff die Islamische Partei der Wiederauferstehung die Macht. Sie wurde von Iran unterstütz, wo dieselbe Sprache gesprochen wird. Ferner gab es Kontakte mit den sezessionischtischen Bewegungen in den Baltischen Staaten, und Hilfe kam von "Demokraten" wie Jelzin. Doch die Genossenschaftsbauern erhoben sich in einem bewaffneten Aufstand und brachten Präsident Rachmonow an die Macht. Die islamische Opposition floh nach Afghanistan. Später kehrten sie zurück, "nunmehr mit der Unterstützung von Pakistan, in nagelneuen amerikanischen Uniformen und mit Stinger-Raketen und Nachtsichtgeräten, Motorola Radiosendern und Jeeps." (11). Ein blutiger Bürgerkrieg war die Folge, forderte 200.000 Opfer und verursachte die Flucht von 500.000 Menschen. Im Juni 1997 überlies Rachmanow ein Drittel der Ministerposten der islamistischen Opposition. Das Land ist seitdem ein Unruheherd für seine Nachbarländer. Die russischen Grenztruppen scheinen nicht in der Lage, Einfälle zu stoppen. Kirgisien Im August fiel der usbekische Oppositionelle Juma Namangan mit 2000 Mann von Tadjikistan aus in dieses Land ein. Zeitpunkt und Szenario stimmten mit der Invasion Basajews in Dagestan überein. Der Kriegsherr Namangan hatte zuvor islamistische Rebellen in Tadjikistan bekämpft und war später in Kämpfe mit den Taliban in Afghanistan verwickelt. Seine Truppen bestehen aus Tadjiken, Afghanen, Arabern und Usbeken (12). Sie nahmen vier japanische Geologen als Geisel, die Goldvorkommen prospektierten, ebenso wie den Kommandanten der kirgisischen Sicherheitsdienste. Präsident Akajew hat Rußland und Usbekistan um militärischen Beistand ersucht. (12). DIE SCHANGHAI-GRUPPE Als Reaktion auf die Offensive zur Einkreisung und Zerstückelung Rußlands von Süden her sind neue Allianzen im Entstehen. Die "Drei" (China, Rußland und Indien) gehen auf eine Linie gegen die "Sieben" (die sieben reichsten Länder). China erkennt, daß, wenn der Westen es schafft, Rußland aufzuteilen, China das nächste Ziel sein wird. Unter der uigurischen Bevölkerung von China gibt es eine wachsende Agitation für einen "eigenen, unabhängigen, islamischen" Staat von Turkestan in Zentralasien. Diese Sezessionsbewegung folgt dem Beispiel von Taiwan und Tibet. Indien, traditionell ein Verbündeter Rußlands kämpft mit Pakistan in einem Konflikt über Kaschmir. Die "Drei" und ihre Verbündeten Am 25. August fand das fünfte Gipfeltreffen der "Gruppe von Schanghai in Kirgisien statt. Es vereinigte die Präsidenten von China, Rußland, Kasachstan, Kirgisien und Tadjikistan (8). Sie erörterten die Frage des Terrorismus in ihren jeweiligen Ländern. Sie wandten sich gegen den "Menschenrechtsvorwand bei der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder" und plädierten für eine "mulitpolare Welt". Das bedeutet offenkundig gegen eine von der NATO dominierte Welt. Die Allianz wurde durch den Verkauf von russischen C-30-Jagdflugzeugen an China besiegelt. Die "Sieben" Gegen die "Drei" und ihre Verbündeten halten die "Sieben", bzw. die NATO-Länder, nach Stützpunkten für ihre Offensive in der Region Ausschau. Die Türkei zählt Georgien und Aserbaidschan zu ihrer Einflußsphäre. Afghanistan und Pakistan sind Basen für islamistischen Kriegsherren, die darauf aus sind, "die Russen aus dem Kaukasus zu verjagen". Und offenbar eben auch aus Tschetschenien. ZU DEN LOGISCHEN FOLGEN DES STAATSTERRORS gab das ZK der Russischen Kommunistischen Arbeiterpartei (Victor Tyulkin) folgende Erklärung ab: DER TSCHETSCHENISCHE TERRORISMUS IST DURCH DEN JELZINISMUS VERURSACHT
Eine Serie von terroristischen Anschlägen begann mit
der Explosion in dem Einkaufzentrum am Maneschnaja Platz in Moskau. Sie
wurde fortgesetzt durch Explosionen in den russischen Städten Buynaksk,
Moscow und Volgodonsk. Sie kennzeichnet lediglich eine Eskalation dessen,
was sich seit langem in Rußland und den ehemaligen Sowjetrepubliken
entwickelt. Der neue Aspekt liegt in der Tatsache, daß Bürgerkriege
und blutige Gewalt bisher nur an den Grenzen Rußlands stattfand,
nun aber auf die Hauptstadt übergreift.
Der eigentliche Grund für die Ereignisse ist die Zerstörung der
sozialistischen Gesellschaft. Zuvor waren Macht und Recht auf die Gleichheit
der Menschen auf sozialer und nationaler Ebene gerichtet. Doch gegenwärtig
wird eine Gesellschaft auf der Basis offener Ungleichheit und Privateigentum
errichtet. Dies führte zu niederträchtigsten Tendenzen im zwischenmenschlichen
Bereich, zu Machtkampf, zum Separatismus nationaler Eliten und vor allem
zu dem Prinzip des "Teile und herrsche".
Schuld an allen Konflikten zwischen Bürgern und Nationalitäten
in der ehemaligen Sowjetunion sind die gegenwärtig herrschenden Systeme
des GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten). Hauptschuldiger ist die
Clique um Jelzin und seine westlichen Sponsoren. Seit langem ist bekannt,
daß die besten Freunde der russischen "Demokraten", die Vereinigten
Staaten von Amerika, Pläne schmieden, um nach der Sowjetunion nun
auch Rußland zu zerlegen. Dabei messen sie der Region des Kaukasus
wie dem islamischen Faktor große Bedeutung bei. Die USA versuchen,
den islamistischen Terrorismus vom amerikanischen Imperialismus abzulenken
und gegen Rußland zu richten.
Die tschetschenische Karte wird nicht zum ersten Mal gespielt. Heute erleben
wir die Expansion auf russisches Territorium, die von Experten seit langem
voraus gesagt wurde. Die Motive des Kreml und der tschetschenischen Herrscher
sind identisch. Sie wollen über ihre Völker sowie über andere
Völker herrschen. Sie lechtzen nach Macht und Profiten und scheuen
sich, die Verantwortung für ihre Aktionen zu übernehmen. Somit
praktizieren sie dieselben Methoden der Herrschaftssicherung und des Machterhalts.
Die Bombardierung des Parlamentsgebäudes im Oktober 1993 war ein keineswegs
weniger schändliches und schmerzliches Verbrechen als das In-die-Luft-Sprengen
von Wohngebieten. Auch im "schwarzen Oktober" sind Hunderte unschuldiger
Menschen umgekommen. Die Existenz von Tschetschenien in seiner gegenwärtigen
Form ist ein Ergebnis von Jelzins Erklärung: "Nehmt Euch soviel Unabhängigkeit
wie ihr schlucken könnt!" ebenso wie des Krieges den er von 1994 bis
1996 vom Zaun gebrochen hat. Tatsächlich ist Jelzin nicht nur der
Pate von Maschadow sondern auch von Bassajew und Khatab. Es ist kein Zufall,
daß bei den GUS-Parlamentswahlen 1995 die tschetschenischen Führer
die meisten Stimmen, d.h. 48%, für die Regierungspartei "Unser Land
Rußland" abgaben. Auch bei den Präsidentschaftswahlen 1996 erhielt
Jelzin kaum irgendwo sonst mehr stimmen als dort, d.h. 73 %. Die Wahlhochburg
Tschetschenien (und ihr höchst eigener Kandidat und Garant: Das russische
Regime) erweitern ihre tödliche Einflußsphäre.
Um die Frage, wer davon profitiert, zu beantworten, muß man von der
folgenden Serie von bemerkenswerten Resultaten ausgehen:
Erstens: Man lenkt die Aufmerksamkeit von den sozialen Problemen und dem
Niedergang ab, unter denen das russische Volk leidet. Diese haben bereits
Millionen von Opfern gefordert und wird noch viele mehr fordern. Firstly.
Man lenkt die Aufmerksamkeit von Skandalen und Finanzaffären ab, in
die hochrangige Vertreter des Staates verwickelt sind.
Zweitens: Man schafft durch Angst und Spannungen in der Gesellschaft. Diese
Spannungen dienen dazu, die Gesellschaft um das gegenwärtige Regime
zu konsolidieren, das behauptet, den Terrorismus zu bekämpfen.
Drittens: Das abstoßende Image der "Terroristen-Extremisten" wird
dem gesellschaftlichen Bewußtsein eingeprägt. Der Horror dieser
Figuren kann von den Medien leicht auf Gegner übertragen werden, die
eine radikale Position einnehmen, insbesondere die Kommunisten.
Viertens: Im übrigen schafft man die Bedingungen für die Verhängung
des Kriegsrechts, um die Opposition zu unterdrücken.
Schlußfolgerung
Der Ursprung der blutigen Tragödie ist das herrschende Regime
und seine Politik der Restoration des Kapitalismus in Rußland. Um
diese Tragödie zu stoppen, muß die Macht der gegen das Volk
gerichteten Kräfte auf allen Ebenen, von Jelzin bis Maschadow gestoppt
werden. Die Arbeiter müssen die reale Macht des Volkes in der Gestalt
der Sowjets wieder einsetzen. (13)
Anmerkungen
Anlage 2:
WIEDER EINMAL STEHT RUSSLAND WEGEN TSCHETSCHENIEN AM PRANGER. WIE KONNTE DIE SITUATION IN DER KAUKASUSREPUBLIK SO WEIT ESKALIEREN?Die derzeitigen Vorgänge in Tschetschenien sind nur zu verstehen, wenn man drei Jahre zurückschaut. Damals wurde von der russischen Führung ein großer Fehler begangen. Der Tschetschenien-Krieg wurde 1996 durch eine Vereinbarung zwischen General Lebed und Aslan Maschadow beendet. Damals wurde das gesamte Territorium an verschiedene Feldkommandeure aufgeteilt. In diesen Zonen bildete sich - unter Hinzuziehung ausländischer Kräfte wie des Terroristen Chattab aus Jordanien - immer mehr ein Bandenwesen heraus, das sich vor allem mit der Geiselnahme und dem Drogenhandel verdingte.
Diese Aktivitäten beschränkten sich allerdings
nicht nur auf das Territorium Tschetscheniens, sie wurden vielmehr auch
auf andere Gebiete Rußlands ausgeweitet. Es wurden mehrere Wohnhäuser
in die Luft gesprengt. Im Ergebnis dieser terroristischen Akte sind mehrere
Hundert Menschen ums Leben gekommen. Waffen und Gelder kamen vor allem
von dem bekannten Terroristen Osama bin Laden. Alleine im September sind
zudem 1000 Söldner aus Jordanien, Saudi Arabien und anderen Ländern
eingedrungen. Im abgehörten Funkverkehr zwischen den Banditen sind
verschiedene Sprachen zu hören: Arabisch, Türkisch und leider
auch Ukrainisch und Litauisch.
Nachdem die Banditen aus Dagestan vertrieben worden waren, ist dem Präsidenten
Tschetscheniens, Aslan Maschadow, vorgeschlagen worden, diese auszuliefern
und sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Die Bevölkerung in den
benachbarten Regionen - Dagestan, Inguschetien, Stawropoler Gebiet - war
nicht mehr bereit, die Situation weiter hinzunehmen und hat Unterstützung
in dem Kampf gegen die Banditen gefordert.
Doch Maschadow ließ das Gefängnis von Grosny öffnen und
die Inhaftierten unter der Bedingung frei, daß sie an den Bandenaktivitäten
teilnehmen. Daher hat die Regierung in Moskau den Beschluß gefaßt,
das Territorium Tschetscheniens von den Banditen zu befreien. Die Duma
hat diese Regierungsentscheidung unterstützt. Bevor damit begonnen
wurde, ist den Aufständischen eine Warnung zugegangen, verbunden mit
der Aufforderung, die Waffen niederzulegen. Die Antwort waren weitere Diversionsakte
auf dem Territorium Rußlands. Die "Operation Wirbelsturm" der föderalen
Sicherheitskräfte förderte allein in Moskau sieben Tonnen Sprengstoff
zu Tage, die zum Teil in den Kellern von Gebäuden gelagert wurden,
um weitere Anschläge durchzuführen.
Allein in den vergangenen eineinhalb Monaten sind 250.000 Menschen aus
den Territorien, die von den Banditen eingenommen worden waren, geflohen.
Heute sind die Territorien, die von den Banditen befreit sind, Gebiete,
in die die Bevölkerung zurückkehrt. Sie bekommen Renten und Sozialhilfe
- Zahlungen, die in den vergangenen drei Jahren ausgeblieben sind, Schulen
und Krankenhäuser arbeiten wieder.
DIE MENSCHEN SCHEINEN NICHT NUR VOR DEN "BANDITEN" ZU FLIEHEN.
Die westlichen Massenmedien sollten die Informationen der Menschen in den
Dörfern ernst nehmen, die erzählen, wie Banditen eindrangen und
junge Mädchen verschleppten. Später wurden die Entführten
im Straßengraben tot aufgefunden. Ich habe mit vielen Menschen in
Tschetschenien gesprochen. Sie verfluchen die Banditen und fordern, daß
man sie von ihnen befreit. Die Bürger in Dagestan, in Inguschetien
und im Stawropoler Gebiet forderten von der Regierung Waffen zur Selbstverteidigung.
Auch wenn das Gegenteil behauptet wird: Beinahe täglich wird zu Verhandlungen
aufgefordert. Voraussetzung dafür ist, daß die Banditen ihre
Waffen niederlegen. Es gibt zahlreiche Beweise, wonach die ortsansässige
Bevölkerung gezwungen wird, Schützengräben auszuheben und
Stützpunkte des Widerstands zu schaffen. Diejenigen, die sich weigern,
werden einfach erschossen.
Ich habe einige Tage das deutsche Fernsehen gesehen und bin erstaunt darüber,
wie die Massenmedien berichten. Zu einer aktuellen Meldung von AFP wurden
Aufnahmen aus dem Jahr 1996 gezeigt. Was soll das? Irgendjemand in der
Welt ist daran interessiert, daß wir in unserem Haus keine Ordnung
schaffen können, da auf diesem Territorium sehr viel Geld fließt:
Es gibt Kanäle für Waffenlieferungen aus Aserbaidschan über
Georgien und es gibt großes Interesse an aserbaidschanischem Erdöl
sowie am Zugang zum Kaspischen Meer.
WER IST "IRGENDJEMAND"?
Das Verbrechen hat heutzutage internationalen Charakter, so daß es
auch in den USA Kräfte gibt, die Waffen- und Drogenschmuggel betreiben,
die wie die Bank of New York an Geldwäsche verdienen. Uns vorliegenden
Informationen zufolge taucht etwa die Hälfte dieser Mittel über
Tschetschenien in den USA auf. Diese Kanäle werden heute geschlossen,
was bestimmten Personen - beispielsweise Boris Beresowski - nicht gerade
recht ist.
DAS GEGENWÄRTIGE SZENARIO IN TSCHETSCHENIEN ÄHNELT DEM IM KOSOVO:
BEWAFFNETE SEZESSIONISTEN PROVOZIEREN DIE ZENTRALREGIERUNG, DEREN SICHERHEITSKRÄFTE
GREIFEN ZU ANTITERRORISTISCHEN MASSNAHMEN. IN JUGOSLAWIEN BLIES DER WESTEN
AM ENDE ZUM NATO-KRIEG. BEFÜRCHTEN SIE ANGESICHTS DER GEGENWÄRTIGEN
REAKTIONEN EINE ÄHNLICHE AGGRESSION GEGEN RUSSLAND?
Es geht hier um zwei verschiedene Dinge. Im Fall Jugoslawiens haben sich
äußere Kräfte in die innere Entwicklung eines souveränen
Staates eingemischt. Im Gegensatz dazu versucht Rußland Ordnung im
eigenen Haus zu schaffen. Es gibt keine Erklärung irgendeiner Regierung,
wonach sie bereit wäre, sich in die Angelegenheiten Rußlands
direkt einzumischen. Auch die deutsche Regierung vertritt die Position,
daß die Situation in Tschetschenien eine innere Angelegenheit Rußlands
ist. Allerdings fordert man uns auf, sich den Banditen gegenüber "kulturvoll"
aufzuführen. Ich habe aber noch keinen Banditen getroffen, mit dem
man höflich verhandeln kann.
IST DIE BOMBARDIERUNG DES STADTZENTRUMS VON GROSNY NOCH EINE ANTITERRORISTISCHE
MASSNAHME, WENN DABEI BEWUSST IN KAUF GENOMMEN WIRD, DIE ZIVILBEVÖLKERUNG
IN GROSSEM MASSE IN MITLEIDENSCHAFT ZU ZIEHEN?
Es werden nur Positionen der Banditen beschossen. In den vergangenen drei
Jahren haben diese stabile Stützpunkte ausgebaut. Es gibt zwei Möglichkeiten,
dagegen vorzugehen: Zum einen Menschen gegen diese Stellungen zum Einsatz
zu bringen, was unvermeidlich zu großen Opfern führt, zum anderen,
sie zu bombardieren und zu liquidieren. Die Situation in Tschetschenien
ist derart kompliziert, daß heutzutage der zweiten Variante der Vorzug
gegeben wird. Die Genfer Konvention erlaubt ein solches Vorgehen gegen
bewaffnete Banden.
Allerdings hat es die russische Regierung Freiwilligen aus Dagestan nicht
erlaubt, nach Tschetschenien zu gehen, in Kenntnis der Tatsache, daß
im Kaukasus die Blutrache nach wie vor eine Rolle spielt. Die Dagestaner
hatten dies sehr nachdrücklich gefordert und schon ganze Bataillone
aufgestellt. Sie wollten Rache nehmen für all das, was Chattabs und
Bassajews Banditen in Dagestan angerichtet haben.
IN TSCHETSCHENIEN IST DIE RUSSISCHE ARMEE ABER DOCH NICHT NUR MIT "EXTERNEN
BANDITEN" KONFRONTIERT. PRÄSIDENT MASCHADOW HAT DIE BEVÖLKERUNG
AUFGERUFEN, ZU DEN WAFFEN ZU GREIFEN. KOMMT ER NOCH ALS VERHANDLUNGSPARTNER
MIT MOSKAU IN FRAGE UND KANN ER WEITER POLITISCHER VERANTWORTUNGSTRÄGER
SEIN?
Mit Maschadow sind lange Zeit Verhandlungen geführt worden - ungeachtet
dessen, daß er Präsident Tschetscheniens unter Umgehung der
Gesetze der russischen Föderation ist. Maschadow wurde aufgefordert,
die aus Dagestan nach Tschetschenien eingedrungenen Banditen auszuliefern.
Dies hat er verweigert. Er hat sogar Schamil Bassajew zu einer offiziellen
Funktion verholfen. Damit wurde Maschadow zum Helfer und Mittäter
der Banditen. Er unterliegt damit der strafrechtlichen Verantwortung, wie
jeder andere beliebige Bürger auf dem Territorium der Russischen Föderung
auch. Niemandem ist es gestattet, mit Banditen zu kooperieren.
Interview: Rüdiger Göbel
Anlage 3: GENNADI SJUGANOW, VORSITZENDER DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI DER RUSSISCHEN FÖDERATION ZUM KRIEG IM KAUKASUS(im Gespräch mit den Chefredakteuren der Zeitungen "Sowjetskaja Rossija" und "Sawtra", leicht gekürzter Fassung):
Die zweite Phase des kaukasischen Krieges hat begonnen. Es
handelt sich dabei weder um lokale Kämpfe noch um das vereinzelte
Eindringen gewisser Freischärler. Wir wurden mit der Invasion einer
gut mobilisierten, ausgerüsteten und kampffähigen Armee in das
Gebiet Dagestans konfrontiert. Das sind keine Freischärler, sondern
reguläre Einheiten, die ihre Basis in Tschetschenien haben. Kam das
Eindringen in Dagestan unerwartet für das Volk, für die Politiker
und den Kreml? Nein. Die ganzen letzten eineinhalb Jahre zeugten davon,
daß dieser Krieg kommen wird. Alles deutete warnend auf die tragische
Situation an der dagestanisch-tschetschenischen Grenze hin. Was unternahm,
davon wissend, die Staatsmacht? Wurde etwa in der Zwischenzeit im Kaukasus
für den Fall des Krieges ein besonderes Korps formiert, in dem zur
Abwehr der Expansion Tschetscheniens bereite Spezialabteilungen trainiert
wurden? Ist etwa in dieser Zeit unser Sicherheitsdienst tief in die militärischen
Systeme Chattabs, Bassajews und Maschadows eingedrungen und hat deren geheime
Pläne ausgekundschaftet? Wurden auf dem Weg der in den Botlichsker
und Nowolaksker Bezirk vorgetragenen Schläge Sperrsysteme und Feuernester
aufgebaut?
Ich denke, mit Hilfe Tschernomyrdins, der unsere Truppen anhielt, als sie
bereit waren, den vernichtenden Schlag gegen die Separatisten zu führen;
mit Hilfe Stepaschins, der so stümperhaft alle Operationen zur Ausrüstung
der gegen Dudajew gerichteten Opposition mit Truppen und Panzern und danach
derart unfähig die antiterroristischen Operationen gegen Bassajew
und Radujew ausführte; mit Hilfe Putins, der die Möglichkeit
gehabt hätte, unter Nutzung des Geheimdiensts das Zentrum richtig
über die herannahende Katastrophe zu informieren; mit Hilfe Lebeds,
der, unserer Ansicht nach, sein verbrecherisches Chasawortower Abkommen
schloß, mit Bassajew Schach spielte, mit Terroristen Tee trank und
dem Wesen der Sache nach Tschetschenien aufgab; mit Hilfe Beresowskis,
der, demagogisch verdeckt, durch den ganzen Kaukasus rollte und im Interesse
seiner Erdölgeschäfte die Anstrengungen des Zentrums zur Durchsetzung
der konstitutionellen Ordnung in Tschetschenien paralysierte; mit Hilfe
des "Friedensstifters" Rybkin, der der russischen Gesellschaft die Idee
vom noch unbestimmten Status Tschetscheniens oktroierte -, mit Hilfe aller
dieser Politiker und Geschäftemacher wurde die aggressive, bestens
ausgerüstete Armee der tschetschenischen Expansionisten formiert.
Es kam zum Massaker im heutigen Dagestan, womit das Problem des russischen
Nordkaukasus überhaupt gestellt wurde. Und eine Welle verbrecherischer
Terrorakte rollt durch das Land, die Hunderte Leben unserer Mitbürger
verschlingt...
Das Problem des heutigen dagestanischen Krieges oder eines kommenden, der
in einer beliebigen nordkaukasischen Republik entfesselt werden kann, besteht
darin, daß der ganze Kaukasus aufs Spiel gesetzt wird, die ganze
komplizierte Geopolitik und Architektur des Lebens einer außerordentlich
wichtigen Region, insgesamt die Situation im Lande. Die Lösung dieses
Problems besteht darin, daß die Partei der Verräter und Diebe
des Staatseigentums im Kreml selbst zerschlagen, die Macht, die russische
Staatlichkeit gereinigt werden muß von den kriminellen Interessen
sowohl der Moskauer wie der kaukasischen Politiker. Eine solche von Verrätern
gereinigte Zentralmacht muß bei der Durchführung nationaler
Politik ein einziges Mittel nutzen, nämlich die Verfassung der Russischen
Föderation, die ein einiges und unteilbares Rußland verkündet.
Diese Verfassung gibt Spielraum für die kompliziertesten innerkaukasischen
Verhandlungen, für Initiativen der Völker selbst, ihrer Führer,
gestattet es, die Interessen der einzelnen Republiken mit den gesamtrussischen
Interessen zu verbinden. Diese Verfassung darf nur nicht durch den Kreml-Kriminellen
entstellt werden.
Zur Verwirklichung des Verfassungsrechts ist es notwendig, die ganze Stärke
der bewaffneten Organe, der russischen Armee zu nutzen, die von den Blockaden
der kenntnislosen Erlasse befreit werden muß, die von den Kremlkorridoren
kommen. Wie niemals zuvor muß die russische Armee im Zentrum gesamtnationaler
Fürsorge stehen. Der russische Soldat, General, Offizier, Kommandant
eines Bezirks muß zur zentralen Figur in der heutigen Politik werden.
Wir erweisen den russischen bewaffneten Organen, die heute in Dagestan
einen schrecklichen Kampf führen, einen Kampf, für den sie nicht
durch die Präsidialmacht vorbereitet wurden, in dem sie in jedem Augenblick
einen Stoß in den Rücken erwarten können, wie das nicht
selten im Tschetschenienkrieg geschah, unsere volle moralische und politische
Unterstützung.
(Übersetzt von Willi Gerns nach dem Text in der "Prawda Rosii" vom
22.-28. Sept. 1999)
Anlage 4:
SCHMUTZIGER KRIEG GEGEN HEILIGEN KRIEGIm Konflikt zwischen Russen und Tschetschenen hätte sich nichts so ereignen können ohne den Terroristen Bassajew, der seinen Zugriff auf den Kaukasus erweitert. Zur Klarstellung.
Von Michel Tatu
Alle Kriege sind schmutzig. Die der Russen mehr noch als die anderer.
Es geht also nicht um eine Rechtfertigung der Bomben, die blindlings
auf Tschetschenien fallen, der 150.000 Flüchtlinge, die ins benachbarte
Inguschien getrieben werden, der Jagd auf die "Schwarzärsche" (die
Kaukasier) in Moskau noch der verbalen Kraftakte von Premierminister Putin,
der "die Banditen bis ins Scheißhaus verfolgen" will. Aber von da
aus den Konflikt als einen gerechten Kampf der guten Tschetschenen gegen
die bösen Russen darzustellen, das ist nun doch ein allzu großer
Schritt, zu dem ein Großteil der internationalen Presse leichtfertig
und sehr zu unrecht bereit ist.
Erste Simplifizierung: Über den Berichten über die russischen
Bombardierungen gerät in Vergessenheit, wer damit angefangen hat.
Dabei hätte sich nichts so ereignen können, wenn nicht der tschetschenische
Kriegsherr Schamil Bassajew mit Unterstützung des jordanischen heiligen
Kriegers Khattab im letzten August zwei Mal mehrere Tausend Mann zum Angriff
auf das benachbarte Dagestan losgeschickt hätte. Ein umso tollkühneres
Abenteur als im Unterschied zu dem ethnisch homogenen Tschetschenien die
Bevölkerung dieser Republik sehr gemischt und feindlich eingestellt
ist. Die Russen machten dem mit Unterstützung ihrer örtlichen
Verbündeten prompt ein Ende, wobei sie nebenbei die Gelegenheit nutzten,
um die Rebellion einiger Dörfer, die vor einem Jahr das islamische
Recht proklamiert hatten und bisher in Ruhe gelassen worden waren, zu beenden.
Einige Tage später wurden schreckliche Attentate in Rußland
begangen. Nun wird man einwenden, daß die Verantwortung für
diese Attentate nicht eindeutig festgestellt worden ist. Dennoch: Selbst
wenn die Delinquenz der russischen Macht zur Wachsamkeit veranlaßt,
selbst wenn die bekannten Bande zwischen dem Milliardär Beresowski
und Basajew manche Fragen aufwerfen, fällt es doch schwer den "Verschwörungstheoretikern"
zu folgen, die darin die Spuren finsterer moskauer Intrigen wittern.
Das diesem Manöver unterstellte Ziel (die Annulierung der Wahlen unter
dem Vorwand des Notstands) hat sich immer noch nicht als real herausgestellt.
Die Wahlen werden durchaus stattfinden, und sei es auch nur, weil die Kredite
des Internationalen Währungsfonds davon abhängen.
Damit kommen wir zu den Unruhestiftern vom Sommer. Bassajew ist in Sachen
Terrorismus kein Neuling. Er verbucht auf seinem Konto eine Flugzeugentführung
nach Tunis 1991 und eine Geiselnahme in einem russischen Krankenhaus vier
Jahre später: Hunderte von Geiseln und Dutzende von Toten. Khatab
ist ferner in die Ermordung von sechs Mitgliedern des Internationalen Roten
Kreuzes bei Grosny Ende 1996 verwickelt, mehrere Monate nach Ende des Krieges.
Was die Motivationen anbelangt, so haben sich diese seit dem ersten Tschetschenienkrieg
sehr verändert. Die Kämpfer von 1994 kämpften für die
Unabhängigkeit ihrer Republik und unterschieden sich in ihrer Kleidung
und Lebensweise kaum von den Russen. Die von heute tragen Bart, rufen Allah
an und vergessen Tschetschenien umso leichter, als viele von woanders her
kommen. Sie schlagen sich für den Islam. Bassajew, der die Russen
als "Schweine" behandelt, verkündete im August "einen Krieg von zwanzig
oder fünfundzwanzig Jahren, der im Kaukasus begonnen hat, um die Muselmanen
von der Wolga bis zum Don zu befreien" und der erst in Jerusalem enden
würde. Khatab erklärt, ohne dabei lachen zu müssen, zwischen
zwei Gebeten, daß er und seine Leute nur verlangen, "in Ruhe nach
den Gesetzen des Islam zu leben."
Selbst wenn also die russischen Mafias dabei auf ihre Rechnung kommen sollten,
muß doch eingeräumt werden, daß Bassajew und Konsorten
ganz wunderbar die Rolle von Provokateuren spielen, die ihnen die "Verschwörungstheoretiker"
zuschreiben. Ihre Drahtzieher sind woanders zu suchen, und zwar in der
extremistischen Bewegung, die von Afghanistan und wohl auch bald von Pakistan
Besitz ergriffen hat, und einer ihrer intellektuellen Leiter ist der berüchtigte
saudi-arabische Millionär Usame Ben Laden. Da findet sich das Nervensystem
dieses Krieges (die Taliban verfügen über bedeutende Ressourcen
aus der Produktion und dem Handel mit Drogen), zweifellos auch Interessen,
die wenig mit der Religion zu tun haben. Eine der Konsequenzen des gegenwärtigen
Konflikts ist es, die Ausbeute des Kaspischen Erdöls noch problematischer
zu machen, also das regionale Monopol der Golfländer zu erhalten.
(Übersetzung aus dem Französischen: Klaus von Raussendorff)
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