Der Krieg und die deutsche Linke 

oder:

"Wir hassen den Krieg, deshalb bomben wir"

Nach den ersten Bombennächten und den öffentlichen Reaktionen, vor allem in den Medien, rauchte vielen Linksradikalen erst einmal der Kopf. Es ist schließlich nicht leicht, mit einer Kriegspropaganda konfrontiert zu sein, die schärfer ist als zu Zeiten, in denen sich die BRD lediglich unterstützend an Kriegen beteiligt hat (finanzielle Mittel und Minenkommandos beim Golf-Krieg, erster 'Friedenseinsatz' in Somalia, Bosnien-Herzegowina). Diesmal geht es ganz anders zu. "Deutsche Tornados fliegen in der ersten Reihe" (B.Z. 24.3.99) und an der Heimatfront scheint der Großteil eher zuzustimmen. nach dem Motto "Leicht fällt es mir nicht, aber es ist nötig". Ehemalige Pazifistlnnen profilieren sich immer noch als 'gute Menschen'. die in ihrer 'Sowohl-als-auch'- Position mit viel Bauchschmerz den Angriffskrieg auf die Republik Jugoslawien mittragen. (Wir bedauern ihre schlaflosen Nächte nicht, wenn sie sie denn haben sollten).

Die politischen Bezugssysteme scheinen auf dem Kopf zu stehen, wenn auf dem Höhepunkt der Kriegstreiberei durch ehemals linke Kräfte (B 90-Grünen), der Christdemokrat Schäuble mit Verweis auf eine gefährliche Relativierung des Nationalsozialismus bestimmten Argumentationslinien Einhalt zu gebieten versucht.
 
Kriegsminister Scharping Plötzlich scheint Ekelpaket und Militarist Volker Rühe mit seiner Forderung, die in Mazedonien stationierten Bundeswehr-Soldaten abzuziehen, weil es kein UN-Mandat umd keinen Auftrag gäbe, sympatischer als eine Riege von neoerwachsenen Alt-68ern. Einer der zentralen propagandistisch aufbereiteten Begriffe dieses Krieges heißt 'Humanität':

'Bomben auf das Haupt eines Diktators', sagen sie. 'um die Kosovaren vor den Massakern zu retten und den Serben zu Demokratie und Glück zu verhelfen'.

Die systemimmanente Kritik einiger Summen innerhalb der Regierungsparteien und ihrer MedienvertreterInnen (taz, Süddeutsche etc.) nach den ersten Kriegstagen, daß die Nato ihre Ziele nicht erreicht habe und die UNO übergangen wurde, ist zwar nett gemeint, aber darauf kommt es nun auch nicht mehr an. Die liberale Linke hat, um es auf den Punkt zu bringen, verschissen. Sie hat sich endgültig als staatstragend und als Teil der Eliten erwiesen, die schon immer ihren Machtanspruch auch durch Terror Folter und Tod durchgesetzt haben.

Angefangen bei der taz, die trotz einiger weniger kriegskritischer Töne diesen Krieg propagandistisch vorbereitet hat, bis zu ehemaligen pazifistischen linken Grünen und Intellektuellen wie Günter Grass, hat sich die Vorstellung vom 'gerechten Krieg' etabliert.

Der sogenannte linke Flügel der Grünen zeugt mit seinem von 700 Mitgliedern unterzeichneten Aufruf, den Bombenangriff zu stoppen und die UNO und OSZE mit deutscher Beteiligung ins Kosovo zu schicken, von der gleichen moralischen und staatstragenden Haltung und vom Suchen nach einer 'besseren und humaneren' Anwendung staatlicher Unterdrückungs- und Herrschaftsinstrumente.
 
 

Und die radikale Linke?

Mit den Parolen 'Gegen den Krieg' und 'Nato raus aus Jugoslawien', läßt sich der moralischen Kriegsführung nichts entgegensetzen. Auch der Standpunkt, daß es sich bei der Humanitäts-Duselei vieler kriegsbefürwortender Ex-Pazifisten lediglich um Lügengewäsch zur Legitimierung und Durchsetzung von Machtinteressen handelt, wäre zu hinterfragen.

Wieviel von diesem moralinsaurem Gewäsch ist Schauspielerei? Sind die aufgesetzten Gesten ernstzunehmen, oder ist das alles nur ein mächtiger rhethorischer Coup einer Clique 'humanitär' geschulter Alt-Linker, die ihr Kriegsgeschäft besonders überzeugend propagieren?

Klar ist es kein Zufall, daß am rot-grünen Machthebel so einige Inhalte, auf die sich auch die radikale Linke bezieht, plötzlich für einen Krieg herhalten müssen. Aber werden diese Inhalte wirklich instrumentalisiert,  oder waren sie nicht von vorn herein system-opportunistisch?

Kriegsminister Fischer Hier sei die These aufgestellt, daß es einem Großteil der Alt-68er tatsächlich um die Verhinderung eines 'zweiten Ausschwitz im Kosovo geht', um den Wunsch endlich auf der richtigen Seite zu stehen. Eine radikale Kritik daran sollte nicht nur den impliziten Geschichtsrevisionismus angreifen, der die einmaligen Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert, sondern auch jene moralischen Denkgebäude der Linken, welche nunmal Josepf Fischer und Angelika Beer, etc. zu dem gemacht haben, was sie heute sind. Und war es nicht ein Pfeiler dieses Gebäudes, alles besser machen zu könmen, wenn die 'ungerechte' Herrschaft durch ihre 'gerechte' ersetzt werden würde? Endlich hat mensch die Mittel in der Hand, um das Gute durchsetzen zu können. ("Wenn wir das System nicht abschaffen können' müssen wir es eben selber anführen")

Der Traum vieler Linker, 'ein guter Antifaschist' zu sein, scheint für einen Teil der 68er mit der Bombardierung Belgrads wahr geworden zu sein. Dabei spielt die Tatsache, daß Belgrad vor 56 Jahren von Nazis bombardiert wurde, keine Rolle. Auch die Linksradikale spart oft nicht mit ungenauen Faschismus-Analysen. So werden inflationär jegliche Form von Unterdrückung und Herrschaft als faschistisch dämonisiert.
 

 
Das alles mag nach einer nüchternen Beschreibung grüner Realpolitik klingen. Ist also nur der Weg durch die Institutionen schuld daran, daß dieser Krieg nun ausgerechnet von ausgewiesene Alt-Linken geführt wird?

Abgesehen von der Kritik an den unerträglichen NS-Gleichsetzungen, die über linksliberale und konservative Medien sowie deutsche ins Feld geführt werden, fehlen die Antworten über die Gründe des Kriegsgeschreis vieler (ehemaliger) Linker. Es bleibt die Frage, welche Positionen sich die radikale Linke angesichts dessen auf die Fahne schreiben sollte.

Wünschenswert wäre jedenfalls, wenn zu einem klaren Nein zu jeglicher Intervention auf dem Balkan ein Nein zu Deutschland und seinen Machtinstitutionen hinzukommen würde. Wünschenswert wäre außerdem, die deutschen Interessen an diesem Krieg verstärkt zu thematisieren und sich nicht auf plumpen Antiamerikanismus zu beschränken.

Bei all dem kann es nicht schaden, die derzeitige Friedensbewegung ein wenig aufzuwischen und jeglichem nationalen Antiamerikanismus einen konsequenten internationalistischen Antiimperialismus entgegenzusetzen. Wir sollten allem Reden vom Selbstbestimmumgsrecht der Völker Analysen entgegensetzen, die dem völkischen Ethnisierungsgedanken dieses Rechtes auf den Grund gehen und somit die Ursachen des Balkankonfliktes aufzeigen.

NATO spalten! Grüne auflösen!

Joschka zu Fischers Stäbchen!

radikal


seite 24/25 radikal 156, 6/99

radikal: Gedanken zum Krieg gegen Jugoslawien
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