From: Projekt Interkonti
inter@zedat.fu-berlin.de Subject: Chossudovsky: Seattle und darueber hinaus... (fwd) Date: Tue, 11 Jan 2000 14:37:51 +0100
[Uebersetzung v. Ralf Haberski und Hartmut Gehrke-Tschudi,
SEATTLE UND DARÜBER HINAUS.
DIE ENTWAFFNUNG DER NEUEN WELTORDNUNG
von Michel Chossudovsky (sprich: Tschosudowski)
Vorbemerkung zur Übertragung aus dem Englischen.
Es empfiehlt sich also nicht, sie einfach zu ignorieren, wenn wir uns in
unserem Kampf gegen die WTO nicht international auseinander dividieren
lassen wollen.
Soll man zum Beispiel "NROs" schreiben/sagen für "Nicht Regierungs
Organisationen" oder NGOs (sprich: en-dschi-Ohs) für
Non-Governmental-Organizations?) wie der Freitag jetzt in seiner neuen
Serie? Bleiben wir dann nicht gleich unter uns?
Da es jedenfalls Anliegen der Übersetzer ist, dass möglichst jeder diesen
Artikel zur Politik der WTO verstehen kann, auch ohne dass er neben sich
ein Lexikon liegen hat, ist, wo es nötig erschien, die Erklärung in
Klammern hinzugefügt.
Manchmal wurde auch umgekehrt die deutsche Übersetzung genommen und das
Neudeutsche Wort in Klammern dazugeschrieben, wie bei "Jahrtausend"
(=Milleniumum).
Jedem Kenner wird auffallen, dass wir damit der Falle zu entkommen suchen,
in die der Streit um die weltweite Ausdehnung des westlichen
Wirtschaftsmodells, genannt "Globalisierung" leicht gerät, indem sie
verschleiert und an den Betroffenen vorbei geführt wird.]
Bei der Vorbereitung des Jahrtausend-Treffens in Seattle (Seattle
Millenium meetings) hat Washington, in Beratungen mit Brüssel und der WTO
in Genf, beschlossen die sozialen Bewegungen und die BürgerInnengruppen -
die sich aus aller Welt in Seattle zusammengefunden haben - zu schwächen
und zu teilen.
Währenddessen sind die örtlichen OrganisatorInnen damit beschäftigt - in
Zusammenarbeit mit dem FBI (= Bundeskriminalamt der USA) und dem Polizei
Departement von Seattle - sorgfältig die Sicherheitsvorkehrungen für den
öffentlichen Veranstaltungsort zu planen. Ein großer Polizeiapparat wurde
in Bewegung gesetzt. Spezialeinheiten des FBI, der CIA (=Abwehrdienst der
USA) und anderer Bundesbehörden werden vor Ort sein. "UnruhestifterInnen"
sollen im Zaume gehalten werden und gut ausgerüstete Polizeikräfte -
einschließlich Anti - Terror - Gruppen und taktischen
Polizei-Spezialeinheiten, die die "mehr militärische Komponente" des
Polizei-Apparates ausmachen - sind dafür vorgesehen. 1
Alles wurde organisiert um den BürgerInnen-Gipfel räumlich von der
Konferenz fernzuhalten. Wie bei vorherigen Gegen-Gipfeln (Rio de Janeiro,
Madrid, Kopenhagen, Peking, etc.) ist vorgesehen, daß die zahllosen
Protestveranstaltungen, teach-ins und Demonstrationen nicht die
Rechtmäßigkeit der offiziellen Veranstaltung in Frage stellen oder
bedrohen. In Seattle bedarf es, zum Abhalten von Parallel-Veranstaltungen
durch die NROs (=N-icht-R-egierungs-O-rganisationen), einer förmlichen
"Akkreditierung" (=Beglaubigung) durch das Seattle - Gastgeber - Komitee,
das unter dem Vorsitz von Microsofts Bill Gates und Philip Condit von The
Boeing Company steht.
Bereits vor einigen Monaten haben die WTO und die westlichen Regierungen
zu einem "Dialog" mit ausgewählten bürgerlichen Organisationen
aufgerufen, um die Tagesordnung für die Millennium-Runde zu beraten.
"Partner-NROs", insbesondere solche "denen wir trauen können" , wurden
versorgt mit Geldern für Reisekosten und zur Organisation ihrer jeweiligen
"teach-ins" in Seattle. Schon letztes Jahr verlautbarte die WTO einen
Plan bezüglich der "laufenden Zusammenarbeit mit Partner-NROs" und
betonte hierbei, "daß die WTO anerkennt, welche Rolle die NROs spielen
können, um ein wachsendes Bewußtsein der Öffentlichkeit in Bezug auf die
Aktivitäten der WTO zu fördern" . 2
Dem entsprechend hat die Europäische Kommission ihr "Engagement für
Transparenz und Offenheit beim Entwickeln der Handelspolitik"
unterstrichen. 3
Sorgfältig ausgewählte "Partner-NROs" wurden eingeladen, um an
vorbereitenden "themenspezifischen" Veranstaltungen teilzunehmen. Die
Europäische Kommission veranstaltete mehrere Beratungen mit ausgewählten
Verbraucher-, Arbeits-, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen mit der
Zielrichtung "die Transparenz der WTO-Treffen" zu verbessern . Diese
beinhaltet den öffentlichen Zugang zu WTO-Dokumenten und die Einrichtung
eines WTO "Ombudsmannes für Information". 4
In den Worten des (früheren) Kommissars für Europäischen Handel Sir Leon
Brittan: "Ein Jahrtausend Treffen bezüglich Handelsabsprachen sollte nicht
nur den Geschäften dienen. Wir können und sollten auch Vorteile für die
Verbraucher und die Umwelt erreichen. Die Kommission hat heute einen
Dialog großer Bandbreite mit NROs eröffnet, da sie glaubt, daß
Transparenz und Öffentlichkeit sehr wichtig sind, wenn die Möglichkeiten
des neuen Treffens zur Gänze genutzt werden sollen. NROs sind hier
bedeutsame Partner um die Verhandlungen vorzubereiten, die vor uns
liegen". 5
Die versteckte Agenda (=Tagesordnung) ist, einen "politisch-korrekten"
BürgerInnen-Gipfel einzurichten, kontrolliert und finanziert durch
offzielle SpenderInnen und Forschungsstiftungen, hauptsächlich um sicher
zu stellen, daß die verschiedenen Protestaktionen und die Demonstrationen
in den Straßen von Seattle mit dem vorherrschenden "Gegen-Diskurs"
gleichgeschaltet werden. Dieser besteht in den Forderungen nach einer
Einbindung von Umwelt-, Arbeits- und Menschrechtsklauseln,
"Armutsvermeidungs"- Programmen, als auch "institutionellen Reformen"
ohne sich der zentralen Rolle der Handelsliberalisierung zu widersetzen.
Die Partner in den Nicht-Regierungs-Organisationen haben sich
diesbezüglich schon bereit erklärt, die "Rechtlichkeit" oder Berechtigung
der WTO als Einrichtung nicht in Frage zu stellen. Ausgewählte
NRO-VertreterInnen sind eingeladen worden sich in einem angenehmen Umfeld
unter die BotschafterInnen, HandelsministerInnen und die Großindustriellen
der Wall Street auf den vielen offiziellen Veranstaltungen (inklusive
zahlloser Cocktail-Parties und Empfänge) zu mischen. Als Gegenleistung
wird einen Tag bevor die MinisterInnen-Konferenz beginnt, für ausgewählte
NRO-VertreterInnen, ein (offizielles) "von der WTO ausgerichtetes
NRO-Symposium" abgehalten. Dort wird es sorgfältig ausgearbeitete
Eröffnungsreden durch den WTO Generaldirektor Mike Moore und die
US-Handelsministerin Charlene Barshevsky geben.
Anders ausgedrückt besteht die Masche in Seattle (unterstützt durch eine
großzügige Offentlichkeits-Werbekampagne) darin, sorgfältig eine
internationale Massenbewegung zu zerstreuen, die sich gegen die WTO und
einflußreiche Unternehmensverbände - welche sich diskret im Hintergrund
halten - richtet. "Kritik ja, das ist demokratisch", aber das "System des
Freien Marktes" muß bestehen bleiben. Die Rechtmäßigkeit der
Einrichtungen - einschließlich der in Genf und Washington ansässigen
Bürokratien - darf nicht hinterfragt werden... Im Gegenzug akzeptiert die
offizielle Konferenz eine teilweise Vereinnahmung der Vorstellungen der
"beglaubigten" Arbeits-, Umwelts- und Bürgerrechtsorganisationen in den
Hauptbeschlüssen, mit dem Ausblick der WTO ein stark benötigtes
"menschliches Gesicht" zu verleihen.
Das Jahrtausend Treffen gibt außerdem vor, den mittlerweile zur Gewohnheit
gewordenen parallelen "BürgerInnen-Gipfel" einzubinden, der nun einen
nicht wegzudenkenden Bestandteil der erfolgreichen Weltveranstaltungen
ausmacht. Mit fast jährlicher Wiederholung hat der BürgerInnen-Gipfel,
seit der Umweltkonferenz 1992 in Rio, ein Forum zur kritischen Debatte
geboten und wurde über die Jahre zum "Ritual der Meinungsverschiedenheit",
das den offizellen Teil des Gipfels größtenteils unberührt gelassen hat.
So wurde z.B. im Juni 1999, durch Beratungen mit den organisierenden
Gastgebern des offizellen Gipfels, die Parallel-Veranstaltung P7 zum
G7-Treffen in Köln zusammengestellt und großzügig finanziert durch die
Heinrich Böll Stiftung, einem Arm der Partei der Grünen , die wiederum
kontrolliert wird durch den Außenminister Joschka Fischer. Die Struktur
der Kölner P7-Veranstaltung befaßte sich vorrangig mit der
vernachlässigten Erörterung strittiger Themen, einschließlich der
"Bombadierung Jugoslawiens aus humanitären Gründen" . Währenddessen
hatten sich mehr als 20.000 Menschen aus allen Teilen Europas, in den
Straßen Kölns unter dem Dach der Jubiläumskampagne, versammelt. Ihre
Petition zur bedingungslosen Aufgabe sämtlicher Schuldforderungen
gegenüber der Dritten Welt war von mehr als 17 Millionen Menschen
unterschrieben worden. Die Regierungschefs der Welt zahlten der
Jubiläumsinitiative respektvoll Tribut und antworteten mit leeren
rethorischen Zustimmungen zur Schuldverringerung der ärmsten Länder der
Welt. Der grundlegende Vorschlag der Kampagne wurde beiläufig abgewiesen.
Viele der "beglaubigten" NROs vertreten in Seattle bestimmte Interessen
(z.B. Umwelt, Arbeit, Menschenrechte, Frauen-Organisationen, etc.) und
werden unterschiedliche Forderungen vortragen. Es gibt Beweise, daß
mehrere der Schlüssel-NROs von westlichen Geheimdienstorganisationen
infiltriert wurden. Der Gegengipfel soll aufgesplittert werden in ein
"Mosaik" von getrennten Veranstaltungen, die sich auf unterschiedliche
und besondere politische Themen konzentrieren.
Die geheime Agenda (Handlungsanweisung) besteht darin, jeder dieser
getrennten Veranstaltungen zu ermöglichen "ihre eigene Sache zu machen"
und dabei den Schein einer "Beteiligung von unten" zu wahren: Das Ziel
der Organisatoren von Seattle ist, die Wahrheit zu verschleiern, die
Entwicklung einer Massenbewegung zu verhindern, echte Demokratie zu
unterdrücken und die Autorität der Einrichtungen der Neuen Weltordnung
aufrecht zu erhalten.
Die AFL-CIO (American Federation of Labor-Congress of Industrial
Organizations/ US-amerikanische Gewerkschaftsorganisation) hat -
unterstützt durch die Vorsitzenden der Handelsgewerkschaften aus aller
Welt - die WTO aufgefordert " Mindeststandards für Arbeit ... im
Globalen Markt durchzusetzen" . Washingtons Forderungen nachkommend ist
der Reizauslöser (Buzz-Word) der ArbeiterInnenbewegungen "die globale
Ökonomie für die arbeitenden Familien arbeiten zu lassen " .6
Eine sorgfältig ausgearbeitete Eingabe drängt die Ministerial-Konferenz
dazu, "die Handels- und Investitionsregeln, (die) die ArbeiterInnenrechte
und die Umwelt schützen" zu übernehmen. 7 Die Rechtmäßigkeit der WTO und
der US-Handelspolitik steht nicht zur Debatte. Die AFL-CIO wurde im
Gegenzug beauftragt eine Demonstration zu organisieren, die dem Vorhaben
dient von der internationalen Protestbewegung auf den Straßen Seattles
abzulenken...
Der große Unterschied in Seattle wird zwischen denen bestehen, die der
Neuen Weltordnung generell zurückhaltend gegenüber stehen, und den
"Partner" -Bürgerrechtsorganisationen, die zwar "fortschrittlich"
erscheinen, aber letztendlich Kreaturen des Systems sind. Häufig werden
sie finanziell von ihren jeweiligen Regierungen unterstützt. Sie sind ein
Teil der politisch korrekten "Opposition" die als "Sprachrohr für die
Bürgerrechte" agieren. Aber wen vertreten sie? Viele der "Partner-NROs"
sind Lobby-Gruppen, die oft mit BürokratInnen und PolitikerInnen zu tun
haben. Sie haben wenig Kontakt zu den Wurzeln der sozialen Bewegungen und
den BürgerInnenorganisationen. Stattdessen dienen sie dazu von den Vor-
und Darstellungen der "wirklichen" sozialen Bewegungen gegen die
Neue-Weltordnung abzulenken.
Dies bedeutet nicht, daß ein "Dialog" mit der WTO und den Regierungen von
vornherein als Mittel der Verhandlungen ausgeschlossen werden sollte. Im
Gegenteil, "Lobbyarbeit" muß, in einer engen Verbindung mit den dafür
gegründeten sozialen Bewegungen, energisch angewandt werden. Die
zugrundeliegenden Ergebnisse und Informationen dieser Verhandlungen müssen
gebündelt werden unter der Berücksichtigung, die Graswurzel-Aktionen zu
stärken. Anders ausgedrückt, wir sollten nicht zulassen, dass, vereinzelt
und geheim, Lobbyarbeit durch von den Regierungen und der WTO
"handverlese" Organisationen betrieben wird.
Über 1200 Gruppen und Organisationen aus mehr als 85 Ländern haben ein
"Moratorium" (=einen vertraglich vereinbarten Aufschub) zur weiteren
Liberalisierung unter der Schirmherrschaft der WTO-gefordert. Außerdem
soll ein "Audit" (Überprüfung in einer Anhörung) über die Einflüße der
Globalisierung abgehalten werden. Ihre übereinstimmende Stellungnahme
("Stellungnahme von Mitgliedern der Internationalen BürgerInnen
Gesellschaft gegen die Millennium-Runde" ): "wendet sich gegen weitere
Liberalisierungsverhandlungen, besonders gegen solche, die neue Bereiche
unter das WTO-Regime stellen, wie zum Beispiel Investitionen,
Wettbewerbspolitik und Anschaffungen durch Regierungen. Wir verpflichten
uns gegen Vorschläge dieser Art unseren Widerstand zu setzen. Wir lehnen
ebenso die Vereinbarung zu handelsbezogenen Aspekten der geistigen
Besitzrechte (TRIPS - Trade-Related Aspects of Intellectuall Property
Rights) ab. Wir fordern ein Moratorium bezüglich jeglicher neuer Themen
und weiterer Verhandlungen die den Einfluß und die Macht der WTO ausbauen.
Während dieses Moratoriums sollte ein umfassender und tiefgreifender
Rückblick und eine Abschätzung der bestehenden Abkommen vorgenommen
werden. Wirksame Schritte zur Veränderung dieser Abkommen sollten
unternommen werden. Ein solcher Rückblick muß sich befassen mit dem
Einfluß der WTO auf an den Rand gedrängte Gemeinschaften, Entwicklung,
Demokratie, Umwelt, Gesundheit, Menschenrechte, Arbeitsrechte und die
Rechte von Frauen und Kindern. Er muß vorgenommen werden unter voller
Teilnahme der BürgerInnen." Die Stellungnahme begründet einen wichtigen
Schritt dahingehend die offizielle Tagesordnung herauszufordern. Sie
beruht auf einer sorgfältig ausgearbeiteten Übereinstimmung einer großen
Zahl von individuellen Organisationen.
Jedoch vernachläßigt diese wichtige Stellungnahme nach der Forderung eines
"Moratoriums" bezüglich weiterer Liberalisierungsverhandlungen, die
Rechtmäßigkeit der WTO als Einrichtung in Frage zu stellen. Und genau
dieses Thema hätte ausdrücklich in die Stellungnahme eingebunden werden
müssen.
Die Marrakesch Vereinbarung von 1994 legt eine offenkundige Verletzung von
fundamentalen sozialen, ökonomischen und kulturellen Rechten fest. Die
Ansprüche in Seattle sind grundlegend und können mit einer
Kompromißstellungnahme, die schweigend die Rechtmäßigkeit der WTO als
Einrichtung akzeptiert, nicht ausgedrückt werden. Die WTO wurde
eingerichtet nachdem BürokratInnen hinter verschlossenen Türen eine
"technische Vereinbarung" getroffen hatten. 1994 wurden in Marrakesch
sogar die LeiterInnen der Länderdelegationen nicht informiert bezüglich
der Satzung der Welthandelsorganisation, die von TechnokratInnen in
getrennten und nichtöffentlichen Sitzungen ausgearbeitet wurden.
Die "Schlussakte" (=der letztendliche Beschluß), über die Ergebnisse der
Uruguay Runde der mulitlateralen Handelsvereinbarungen", wurde von den
MinisterInnen in Marrakesch am 15. April 1994 unterschrieben. Die
Schlussakte ist eine "technische Vereinbarung", die die WTO als
Welteinrichtung begründet. "Das WTO-Netzwerk sichert ein "einheitliches
Vorgehen" gemäss den Ergebnissen der Uruguay Runde - und somit bringt die
Mitgliedschaft in der WTO mit sich, daß die Ergebnisse der Runde ohne
Ausnahme akzeptiert werden."
Nach dem Treffen in Marrakesch wurde die 550 Seiten starke Vereinbarung
(inklusive ihrer zahllosen Anhänge) entweder schnell und automatisch
genehmigt, oder gar nie durch die nationalen Parlamente formell
abgesegnet. Die Artikel dieser "technischen Vereinbarung" der WTO gingen
nach und nach in internationales Gesetz über. Oder, um es anders
auszudrücken, die vierundneunziger Marrakesch Vereinbarung, die die WTO
als multilaterale Einrichtung eingesetzt hat, vermeidet den demokratischen
Prozess in jedem ihrer Mitgliedsstaaten. Nationale Gesetzgebung und
Verfassungen werden offensichtlich mißachtet, während weitreichende Macht
an globale Banken und multinationale Gesellschaften abgetreten wird.
Dieser Fakt ist eingebettet in die Artikel der WTO-Vereinbarung.
In anderen Worten, der Prozess der eigentlichen Schaffung der WTO, der dem
letzten Beschluß der Uruguay Runde folgt, ist offensichtlich "illegal". In
Genf ist eine "totalitäre" regierungsübergreifende Einrichtung
eingerichtet worden, ermächtigt durch internationales Gesetz mit dem
Mandat die Ökonomie und die Sozialpolitiken von Ländern "anzupassen", und
souveräne Rechte der nationalen Regierungen zu mißachten. Ebenfalls wurden
die Autorität und die Aktivitäten der verschiedenen Behörden der Vereinten
Nationen (einschließlich der UNCTAD (UN-Konferenz für Handel und
Entwicklung / United Nations Conference on Trade and Development) und der
ILO (Internationale Arbeitsorganisation / International Labour
Organisation) "mit einem Federstrich" nahezu aufgehoben.
Mehr noch, die Artikel der WTO widersprechen nicht nur den bestehenden
nationalen und internationalen Gesetzen, sie stehen auch im Widerspruch
zur "Universellen Erklärung der Menschenrechte". Die WTO als rechtmäßige
Organsiation zu akzeptieren läuft somit auf ein "unbeschränktes
Moratorium" oder eine Aufhebung der Universellen Erklärung der
Menschenrechte hinaus.
Obendrein, abgesehen von der klaren Verletztung internationalen Rechts,
verleihen die WTO-Regeln Handelsweisen Rechtmäßigkeit, die an Kriminalität
grenzen, einschließlich "geistigem Raubrittertums" durch Multinationale
Konzerne, die Mißachtung der Rechte der PflanzenanbauerInnen, die
genetische Manipulation der Giganten der Biotechnologie, und nicht zuletzt
die Patentierung von Lebensformen (wie z.B. Pflanzen, Tiere,
Mikroorganismen, genetischen Materials und menschlichen Lebensformen)
unter der TRIPS (s.o.) Vereinbarung.
Im Bereich der finanziellen Dienstleistungen, bieten die GATS -
Bestimmungen (General Agreement on Trade in Services / Vereinbarung über
Handel und Dienstleistung) großangelegten finanziellen und spekultativen
Manipulationen, die sich gegen die Entwicklungsländer richten,
Rechtmäßigkeit. Sie sind gleichfalls förderlich um die monetäre Politik
dieser Länder zu be-, resp. verhindern.
Und das WTO-Verfahren um Streitfälle beizulegen, hält die Rechtmäßigkeit
dieser unterschiedlichsten manipulativen Vorgänge aufrecht...
Wie weitreichend dokumentiert, durchläuft die Menschheit in der Zeit nach
dem Kalten Krieg eine ökonomische und soziale Krise beispiellosen
Ausmaßes, die zu wachsender Armut bei einer großen Anzahl der
Weltbevölkerung führt. Nationalökonomien fallen in sich zusammen,
Arbeitslosigkeit grassiert; Banken der Wall Street "übernehmen Länder",
eines nach dem anderen; regionale Kriege brechen entlang strategisch
wichtiger Gas- oder Öl-Pipelines aus, und hinter den unterschiedlichsten
"Aufständen" finden sich oft mächtige Interessengruppen, die
zufälligerweise auch lobbyistisch für eine Handelsreform tätig sind ... In
den meisten Ländern ist der Lebensstandard zusammengebrochen...
Diese weltweite Krise des späten zwanzigsten Jahrhunderts ist verheerender
als die Große Depression in den dreißiger Jahren. Sie hat weitreichende
geo-politische Auswirkungen; ökonomische Verschiebungen sind auch
begleitet von Ausbrüchen regionaler Konflikte, die nationalen
Gesellschaften werden brüchig und in einigen Fällen kommt es zur
Zerstörung ganzer Länder. Diese Krise ist nicht im Geringsten begrenzt auf
die Entwicklungsländer. In Europa und Nordamerika wird der Sozialstaat
abgebaut, Schulen und Krankenhäuser werden geschlossen um die gänzliche
Privatisierung der Sozialdienste zur fördern. Diese Krise ist mit Abstand
die ernsthafteste ökonomische Krise in der modernen Geschichte.
In einer großen Anzahl der Entwicklungsländer befinden sich die
Dienstleistungsbetriebe und die Banken bereits in den Händen von fremdem
Kapital, die Landwirtschaft wurde vernichtet als Ergebnis der Billigpreise
die aus den Überschüßen des EU- und US-Getreides entstanden. Genetisch
veränderte Samen werden u.a. von Cargill und Montsante produziert,
gemeinsam mit sorgfältig entwickelten Landwirtschaftsproduktionsmitteln
die von den selben Agrokonzern-Konglomeraten hergestellt, und den
BäuerInnen in der ganzen Welt aufgezwungen werden. Dies führte häufig zu
Massenarmut und einer Zersplitterung der ländlichen Ökonomien, nicht zu
vergessen ist hierbei die Verseuchung der Nahrungskette und die Mißachtung
der Rechte der VerbraucherInnen weltweit.
Das Interesse der internationalen Agrokonzerne ist hierbei, die
traditionelle Familienfarm in den Bankrott zu treiben. Dieser Prozeß ist
nicht nur auf die Entwicklungsländer begrenzt: bis zu 30 Prozent der
GetreidefarmerInnen im westlichen Kanada sind an der Grenze zum Bankrott.
Dies ist insbesondere ein Ergebnis der Durchsetzung der Bestimmungen der
WTO zu den finanziellen Unterstützung der Farmen durch die kanadische
Regierung. Wenn dies in West-Kanada passiert, das als der Welt größte
"Kornkammer" gilt, wie wird dann erst das Schicksal der FarmerInnen in
anderen Regionen der Welt sein?
Die Bedingungen für Chinas Eintritt in die WTO, die in bilateralen
(doppelseitigen) Verhandlungen mit den USA wenige Wochen vor der Konferenz
in Seattle beschlossen wurden, verursachen Chaos in einem Land mit mehr
als einer Milliarde BürgerInnen. Chinas Agrikultur wird zerstört werden;
eine verheerende Welle von Konkursen der staatlichen Unternehmen wird zu
Massenarbeitslosigkeit führen. Die Bestimmungen westliche Banken wie
nationale zu behandeln, ["national treatment"*] kann potentiell zum
Niedergang der Struktur des Bankensystems im chinesischen Staat führen ...
*["National Treatment" bedeutet die Verpflichtung eines Landes,
Unternehmen, die auf seinem Boden operieren, die aber von den Nationalen
(nationals) eines anderen Landes kontrolliert werden, nicht schlechter zu
behandeln als eigene Unternehmen in der gleichen Situationen.(d. Übers.)])
Die chinesischen Autoritäten, die sich dieser Auswirkungen voll bewußt
sind, haben versucht die öffentliche Meinung mit einer Propaganda-Aktion
zu beeinflußen, in der behauptet wird, daß die Vorzüge dieser
Vereinbarung, die Arbeitsplatzverluste und die Konkurse die sie
verursachen wird, rechtfertigen. 8
In den Worten von Chinas Verhandlungsleiter mit der WTO, Long Yongtu,
kann eine Nation sich nicht entwickeln und stark werden ohne einen Sinn
für Notwendigkeiten und einen Sinn für krisenhafte Entwicklungen. 9
Angesichts der globalen ökonomischen und sozialen Zerstörung ist eine
(offizielle) "Überprüfung" (Audit) , wie in der "Stellungnahme der
Mitglieder der Internationalen Bürgerrechtsbewegung", dringend notwendig
um zu ermitteln was passiert. Einige der NRO-KritikerInnen -
einschließlich der Gewerkschaften - die mit der WTO im Dialog stehen,
sehen sowohl "positive" als auch "negative" Einflüße der
Handelsliberalisierungen. Diese Position ist zweideutig: die zerstörenden
Einflüße der "Globalisierung" sind bekannt und dokumentiert, die
NRO-Gemeinschaft hat bereits eine große Menge an kritischer Analyse und
Forschung produziert.Darüber hinaus akzeptiert der Vorschlag einer Prüfung
die Rechtmäßigkeit der WTO. Es besteht die Vorannahme, daß es Fehler gibt
und das "darüber geredet werden soll, während das System für einige Jahre
angehalten wird", "um es neu zu bewerten" .
Benötigen wir eine Überprüfung um sicherzustellen "ob, oder ob nicht" sich
die Welt in einer Krise befindet? Und wer wird diese Überprüfung
durchführen und für wen? Die "Schlüssel-Partner-NROs" haben sich schon
bereit erklärt die notwendigen Hintergrundstudien zu beauftragen. Viele
der Organisationen, die die "Stellungnahme" unterzeichnet und gebilligt
haben, waren sich nicht klar, das diese Überprüfung bereits Teil des
"Dialoges" mit der WTO und den westlichen Regierungen ist. Und diese
Forschungsverträge, die "Sektor für Sektor" in eine "politisch korrekten"
Art und Weise durchgeführt werden, verlaufen entlang der schon
vorgegebenen Richtlinien die von den Gründungsagenturen festgelegt wurden,
und werden mehrere Jahre bis zu ihrer Fertigstellung benötigen.
Die Leitung einer Überprüfung wurde bereits von der Europäischen Union in
Beratungen mit den NROs akzeptiert. Der frühere Europäische Kommissar Sir
Leon Brittan, hat für die Europäische Union schon 1998 den "Auftrag einer
Studie über den Einfluß einer neuen Runde zur Aufrechterhaltung der
Entwicklung" (Europäische Kommission, Op. cit) vorgeschlagen. In anderen
Worten, die Überprüfung ist also Teil der offiziellen Tagesordnung der
Seattle Konferenz. In der Zwischenzeit, während der Durchführung der
Prüfung, wird sich die ökonomische, soziale und Umweltzerstörung
ungehindert weiter entwickeln.
Was mit dem Weltsystem geschieht, hängt nicht allein von den Ergebnissen
der Millennium-Runde ab. Wir müssen verstehen, daß in vielen der
Entwicklungsländer die meisten der Sondervereinbarungen der
Millennium-Runde bereits ein "vollendete Tatsache" sind. Sie sind Teil der
"Konditionen" (Bedingungen) die in den, aus dem Augenblick heraus
enstandenen, Kreditvereinbarungen mit dem IMF und der Weltbank enthalten
sind. Unter den strukturellen Anpassungsprogrammen, als auch im Kontext
mit den vom IMF finanzierten Vereinbarungen über Sicherheitsleistungen
[bailout agreements ] (z.B.: Indonesien, Thailand, Korea, Brasilien),
haben sich Entwicklungsländer auf viele der Vorschläge, die die
Millennium-Runde beinhaltet, schon verpflichtet.
Außerdem sind in Seattle den Delegierten aus der Dritten Welt die Hände
gebunden, da die Stimmenmehrheit der HandelsministerInnen aus den
Entwicklungsländern bei der MinisterInnenkonferenz in Seattle von den
westlichen Gläubigern kontrolliert wird. Daher ist es unwahrscheinlich,
daß es oppositionelle Äußerungen von den offiziellen Delegationen der
Entwicklungsländern geben wird.
Viele Entwicklungsländer haben - im Kontext mit Vereinbarungen die mit
den Bretton-Woods-Einrichtungen getroffen wurden - akzeptiert den Handel
zu liberalisieren, die Kapitalbewegungen zu deregulieren, öffentliche
staatliche Einrichtungen zu privatisieren, Sozialprogramme abzubauen und
ausländischen Investoren "die gleiche Behandlung wie nationalen
Unternehmen" ("national treatment") in einer großen Anzahl von
ökonomischen Bereichen wie Dienstleistung, Bankwesen, Versorgung, etc.
zukommen zu lassen. Diese Bedingungen sind oft verbunden mit
Konkursprogrammen unter der Überwachung der Weltbank, mit der Aussicht,
die Liquidation von konkurrierenden einheimischen Unternehmen auszulösen.
Eine Umgebung des Freien Marktes wird eingesetzt (ohne Rückbezug auf die
WTO-Klauseln, die einen effektiven Zugang zu den Märkten betreffen),
einheimische Produzenten werden brutal zurückgedrängt und zugrunde
gerichtet, Länder werden Stück für Stück rekolonialisiert...
Wall Street Bankiers und die Vorstände der größten Geschäftskonglomerate
der Welt stehen hinter diesem Prozeß. Sie schließen sich regelmäßig kurz
mit dem IMF, der Weltbank und den WTO-Offiziellen in nicht-öffentlichen
Sitzungen, sowie bei zahllosen internationalen Veranstaltungen. Darüber
hinaus nehmen an diesen Treffen und Beratungen auch RepräsentantInnen von
mächtigen globalen Geschäftslobbies (wie z.B. der ICC (International
Chamber of Commerce), des TABD (The Trans Atlanctic Business Dialogue) -
der in seinen jährlichen Veranstaltungen die Vorstände der größten
westlichen Geschäftskonglomerate mit PolitikerInnen und WTO-Offiziellen
zusammenbringt -, des USCIB (United States Council for International
Business), das Davos World Economic Forum, das Intsitute for International
Finance -das die größten Banken und finanziellen Institiutionen der Welt
vertritt -, etc. teil. Andere halb-geheime Organisationen - die eine
große Rolle in der Formung der Neuen Weltordnung spielen - sind u.a. die
Trilaterale Kommission, die Bildebergers und das Council on Foreign
Relations.
Zu guter Letzt, "perfektes timing" : Die Deregulierung des
US-amerikanischen Bankensystems wurde durch den US-Senat knapp sechs
Wochen vor der Millennium-Runde in Seattle abgesegnet. Die neue
Gesetzgebung bevorzugt eine bisher noch nicht dagewesene Konzentration von
globaler finanzieller Macht. Nach langen Verhandlungen, die in den frühen
Morgenstunden des 22. Oktobers beendet wurden, sind alle regulierenden
Einschränkungen für die mächtigen Bankkonglomerate der Wall Street "mit
einem Federstrich" rückgängig gemacht. Nach den neuen Regeln, die vom
US-Senat bestätigt und von Präsident Clinton genehmigt wurden, können
Banken, Broker-Firmen, Sicherungs-Fonds, institutionelle Investoren,
Pensions-Fonds und Versicherungsgesellschaften in den jeweiligen
Geschäftsfeldern frei investieren und ihre finanziellen Unternehmungen
komplett einbinden. Die Gesetzgebung hat das Glass-Steagall-Gesetz von
1933 aufgehoben, eine Säule von Präsident Roosevelts New Deal , der
eingesetzt wurde um auf ein Klima der Korruption, der finanziellen
Manipulation und "Insider-Geschäften" zu antworten. In diesem Klima
gingen, in den Jahren nach dem Wall Street Crash von 1929, mehr als 5000
Banken in Konkurs.10
Anders ausgedrückt erhält eine Handvoll von Zusammenschlüssen der
Finanzwelt eine effektive Kontrolle über die gesamte finanzielle
Dienstleistungsindustrie der USA. Zufälligerweise sind es genau die
finanziellen Giganten der Wall Street, die auch die Hauptbegünstigten der
Deregulierung des finanziellen Dienstleistungssektors - der GATS (General
Agreement on Trade in Services / Vereinbarung über Handel und
Dienstleistung) sind -, die ihnen "nationale Gleichbehandlung" ("national
treatment") im Bereich Bankwesen, Versicherungswesen, Broker-Dienste, etc.
sichert. Die GATS ist fast "maßgeschneidert" um den Standards zu
entsprechen, die der neuen Gesetzgebung der USA, bezüglich des
finanziellen Dienstleistungssektors, entsprechen. Die finanziellen
Giganten überwachen die Ökonomie weltweit, sie sind Gläubiger und
Aktionäre der Hochtechnologie, der Verteidigungsindustrie, der großen Öl-
und Minenkonsortien, etc. Darüber hinaus haben sie, als Garanten für die
öffentlichen Schulden, auch die nationalen Regierungen und PolitikerInnen
im Würgegriff. Schließlich haben sie auch noch das Sagen bezüglich der
Handelsreformen in Seattle.
Mehr noch, die Klauseln des außer Kraft gesetzten MAI (M-ultilaterales
A-bkommen über I-nvestitionen), das ausländischen Banken und
Multinationalen Konzernen im "nationalen Interesse" günstige Bedingungen
bot (die zur Entmachtung der Gemeinden und der lokalen Regierungen führt)
sind ebenso im Begriff eine "vollendete Tatsache" zu werden. Die
finanziellen Konglomerate sind nun völlig verschmolzen mit den
Versicherungsgesellschaften. Diese überwachen und kontrollieren die
multinationalen Gesundheitsfürsorgeanbieter, die aktives lobbying - für
eine Deregulierung der öffentlichen Gesundheitsfürsoge nach GATS - in
Seattle betreiben. Die Einrichtungen der Wohlfahrtsstaaten werden fallen
gelassen. Die Kämpfe der gesamten Nachkriegsära werden ausgelöscht.
Die weltweite Balgerei um entsprechenden Reichtum durch
"Finanzmanipulationen" ist die treibende Kraft hinter dieser
Restrukturierung der globalen finanziellen Architektur, und die neue
US-amerikanische Banken-Gesetzgebung und die "Seattle-Runde" sind
wichtiger Bestandteil. Gemeinsam mit der WTO bevorzugt die US-Gesetzgebung
eine Abschaffung der verbliebenen Schranken für den freien Kapitalfluß.
Dies bedeutet letztendlich, daß die Schlüsselunternehmen der Wall Street
(u.a. Merrill Lynch, Citigroup, J.P, Morgan, Deutsche Bank-Bankers Trust)
eine vorherrschende Stellung entwickeln im globalen Bankenbereich und
somit schlußendlich eine Destabilisierung der finanziellen Systeme Asiens,
Latein Amerikas und Osteuropas erreichen... und dieser Prozeß geht weiter,
unabhängig vom Ergebnis der Millennium-Runde.
Die finanzielle Deregulierung in den USA erlaubt es dem spekulativen
Handel sich weltweit in einem zur Gänze freizügigen Umfeld auszubreiten
Die Millennium-Runde, für eine Deregulierung des Kapitalflußes plädierend,
wird eine größere Rechtmäßigkeit des spekulativen Handels ermöglichen und
somit die Wall Street mit mehr Macht ausstatten, um die globale
finanzielle Vorherrschaft weiter auszubreiten.
Institutionelle Kontrolle über die Kanäle des spekulativen Handels bietet
den finanziellen Giganten der USA und der EU das Handwerkszeug Währungen
und Börsen zu manipulieren und die Zentralbanken zu beeinflußen. Das
Endziel ist die Kontrolle über den Bereich der monetären Politik und der
finanziellen Märkte in der ganzen Welt zu übernehmen. Allein während der
Asienkrise 1997 wurden mehr als 100 Milliarden Dollar innerhalb weniger
Monate bei den Zentralbanken Asiens konfisziert; ähnliche spekulative
Handlungen wurden 1998 in Rußland und 1999 in Brasilien vorgenommen. Der
Handel mit Derivaten und Optionen, einschließlich des Ausverkaufs [short
selling] von nationalen Währungen standen hinter dieses Angriffen, die zu
einem massiven Verzug bei den Schulden und zum finanziellen Kollaps
führten. Es ist gut dokumentiert, wie der IMF eine Schlüsselrolle spielte
bei der Unterstützung dieses spekulativen Anschlags der westlichen und
japanischen Einrichtungen.
Es ist schon grausame Ironie, daß die Nutzung dieser tödlichen
spekulativen Instrumente formal rechtmäßig wurde durch das fünfte
Protokoll der Vereinbarung GATS (General Agreement on Trade in Services /
Vereinbarung über Handel und Dienstleistung). Dies geschah in unmittelbare
Folge auf die Asienkrise. Die bevorstehenden Gefahren nicht beachtend,
fielen die Verhandlungen zum GATS Protokoll zeitlich (Oktober 1997) mit
dem Zusammenbruch der Börsen in der ganzen Welt zusammen.
Auch Krieg ist ein Teil der Millennium-Runde. Was passiert mit Ländern die
sich weigern den Handel zu deregulieren und sich ausländischer Investionen
und "nationaler Gleichbehandlung" ("national treatment") für westliche
Banken und Multinationale Konzerne verschließen? Der westlichen Apparat
der Militärgeheimdienste und seine Bürokratien verbinden sich
routinemässig mit dem finanziellen Establishment. Der IMF, die Weltbank
und die WTO --die ökonomische Reformen in den Ländern überwachen --
arbeiteten auch mit der NATO zusammen in ihren vielfältigen
"friedenserhaltenden" Bemühungen, die Finanzierung des Wiederaufbaus "in
der Zeit nach dem Konflikt" - unter der Schirmherrschaft der
Bretton-Woods-Einrichtungen - sind hierbei nicht zu vergessen...
Am Beginn des dritten Jahrtausends gehen Krieg und "Freier Markt" Hand in
Hand. Krieg benötigt keinen multilateralen Investitionsvertrag (z.B. ein
MAI) der im internationalen Recht verwurzelt ist: "Krieg ist das
Multilaterale Abkommen über Investitionen als letzte Zuflucht" ("War is
the MAI of last resort."). Krieg zerstört faktisch, was nicht bereits
durch Deregulierung, Privatisierung und Einsetzung der Reformen des
"Freien Marktes" demontiert wurde. Gänzliche Kolonisierung durch Krieg und
die Einrichtung von westlichen Schutzgebieten ist gleichbedeutend mit dem
Angebot von "nationaler Gleichbehandlung" ("national treatment") an
westliche Banken und Multinationale Konzerne in allen Bereichen
wirtschaftlicher Aktivität. "Raketendiplomatie" wiederholt - in
angepaßter Form an die neuen Bedingungen - die "Kanonenbootdiplomatie" ,
die benutzt wurde um den "Freien Handel" im 19. Jahrhundert
durchzusetzen. Die US-amerikanische Cushing-Mission in China 1844 (im
Kielwasser der Opium-Kriege) hatte die kaiserliche Regierung Chinas
gewarnt, "(daß) eine Verweigerung der amerikanischen Forderungen als eine
Einladung zum Krieg verstanden werden könnte." 11
Die Seattle Runde gibt vor, sie rekolonialisiere "auf friedlichem Wege"
Länder durch die Handhabung der Marktkräfte, soll heissen mit
"unsichtbarer Hand" . Nichtsdestotrotz entwickelt sie damit eine Form der
Kriegsführung.
Genereller ausgedrückt, die Gefahren eines Krieges müssen verstanden
werden. Krieg und Globalisierung sind nicht getrennte Vorgänge. Die
BürgerInnenbewegung gegen die WTO muß eingebunden werden in die
Anti-Kriegsbewegung, die sich gegen die Bombadierung von souveränen
Ländern durch die USA und ihre europäischen Alliierten richtet.
Die WTO, erschaffen durch eine "technische Vereinbarung" (der letzte
Beschluß der Uruguay Runde), bietet gut abgesicherte "legale" Rechte für
Banken und globale Unternehmenszusammenschlüße. Danach wurden in der
1994Žer Marrakesch Vereinbarung Vorgehensweisen eingerichtet -- wie auch
die manipulativen Streitfall-Regulierungen-- die heute bequem eingepaßt
sind in das internationale Recht, die aber auch offensichtlich die Rechte
von BürgerInnen in der ganzen Welt verletzen.
Nach den WTO-Regeln, können Banken und Multinationale Konzerne ganz
legitim Marktkräfte zu ihrem Vorteil manipulieren und somit zu einer
gänzlichen Rekolonialisierung von nationalen Ökonomien führen. Anders
ausgedrückt, die WTO-Artikel bieten Rechtmäßigkeit für globale Banken und
Multinationale Konzerne in ihrer Suche nach der Destabilisierung von
Einrichtungen, nationale ProduzentInnen in den Konkurs zu treiben und
schlußendlich die Kontrolle über ganze Länder auszuüben.
Darüberhinaus richtet die Vereinbarung formal eine "trianguläre Teilung
der Autorität" , zwischen der WTO und ihren Schwesterorganisationen, dem
IMF und der Weltbank in einem System der "globalen Überwachung" der
sozialen und ökonomischen Politiken von Entwicklungsländern, ein. Dies
bedeutet, daß die Durchsetzung der IMF-Weltbank Gesetzesvorgaben nicht
länger von spontanen Kreditvereinbarungen auf Länderebene (die keine
"legal bindenden" Dokumente sind) abhängen. Alle Hauptvereinbarungen der
"tödlichen Medizin" des IMF werden dauerhaft eingerichtet in der Seattler
Millennium-Runde. Länder werden nicht nur "gebunden" an externe
Schulden, sie werden dauerhaft "versklavt" durch eine internationale
Einrichtung, die von den weltgrößten Geschäftssyndikaten kontrolliert
wird. Diese WTO-Artikel werden die Grundlagen bilden für die Überwachung
von Ländern (und die Durchsetzung von Bedingungen ) nach internationalen
Recht.
In anderen Worten, wir müßen handeln in Bezug auf die "Ungerechtigkeit"
und die "Ungesetzmäßigkeit" des letzten Beschlußes der Uruguay Runde, der
die WTO zu einer totalitären
Organisation gemacht hat. Es kann keine andere Möglichkeit als die
Ablehnung der WTO als internationale Einrichtung geben. Sie muß als
ungesetzliche Organisation dargestellt werden. Anders ausgedrückt, der
gesamte Prozeß muß gänzlich abgelehnt werden.
Dies bedeutet, daß die BürgerInnenbewegungen in der ganzen Welt ihre
Regierungen drängen müssen ohne Verzug die Mitgliedschaft in der WTO zu
beenden. Auch müssen Verfahren bei den jeweiligen nationalen Gerichten
gegen die Regierungen der Mitgliedsstaaten eingeleitet werden, um die
offenkundige Verletzung der inländischen Gesetze und der nationalen
Verfassungen zu unterstreichen.
In anderen Worten, mit dem BürgerInnenpodium in Seattle und überall in der
Welt muß eine Übereinkunft getroffen werden, um eine Entwaffnung dieses
ökonomischen Systems und ein Abbau seiner Einrichtungen zu erreichen. Wir
können unseren Kampf nicht verschieben und im Kontext der "Überprüfung"
ein paar Jahre warten, während die Welt verbraucht und zerstört wird. Wir
müssen jetzt handeln. Wir müssen die Rechtmäßigkeit eines Systems
hinterfragen, das schlußendlich menschliche Leben zerstört.
Wir müssen PolitikerInnen und internationale Offizielle herausfordern, wir
müssen ihre heimtückischen Verbindungen mit den mächtigen finanziellen
Interessen demaskieren und wir müssen die staatlichen Einrichtungen
überprüfen und umwandeln und sie aus der Klaue der finanziellen
Oberschicht befreien. Weiterhin müssen wir das ökonomische System und
seine Managementstruktur demokratisieren, die offenkundige Konzentration
von Besitztum und persönlichem Reichtum muß herausgefordert werden, die
finanziellen Märkte müssen entwaffnet, der spekulative Handel muß
eingefroren, die Geldwäsche verhindert, das System des Geldhandels
ausserhalb der eigenen nationalen Grenzen [offshore banking] muß abgebaut
werden, ebenso wie die Umverteilung von Einkommen und Reichtum, die
Wiedereinführung der Rechte von ProduzentInnen und der Wiederaufbau des
Wohlfahrtstaates gefordert werden müssen.
Damit übereinstimmend müssen wir an den Bedingungen für einen dauernden
Weltfrieden arbeiten. Der militärisch-industrielle und der
Sicherheitsapparat, der die finanziellen Interessen unterstützt, muß
abgebaut werden. Das heißt auch, daß wir die NATO auflösen und die
Waffenindustrie schrittweise abschaffen müssen.
Wir müssen gegen die "Medienlügen" ankämpfen und die "globalen
Unwahrheiten" , die die WTO und die mächtigen Geschäftsinteressen, die sie
unterstützt, schützen. Wir müssen gegen die "falsche Übereinstimmung" von
Washington und der Wall Street, der "das System des Freien Marktes" als
einzig mögliche Wahl auf der schicksalhaften Straße zum "weltweiten
Wohlstand" verkündet, ankämpfen. Diese Übereinstimmung wird nun von allen
politischen Parteien, einschließlich der Sozialdemokratie, geteilt.
Um dieses Ziele zu erreichen müssen wir die Freiheit der Presse neu
einrichten. Die globalen Mediengiganten fabrizieren Nachrichten und
verdrehen öffentlich den Gang des Weltgeschehens. Außerdem müssen wir das
"falsche Bewußtsein" aufbrechen, das unsere Gesellschaften durchdringt,
eine kritische Diskussion verhindert und die Wahrheit verschleiert. Es
verhindert ein gemeinschaftliches Verständnis der Art und Weise wie dieses
ökonomische System funktioniert, das die Leben von Menschen zerstört. Das
einzige Versprechen des "Freien Marktes" ist eine Welt von landlosen
BäuerInnen, geschlossenen Fabriken, arbeitslosen ArbeiterInnen und - mit
der "bitteren ökonomischen Medizin", nach dem Rezepten der WTO und des IMF
- ausgeweideten Sozialprogrammen. Wir müssen die Wahrheit
wiederherstellen, wir müssen die Unabhängigkeit unserer Staaten und der
Menschen in unseren Staaten wiederherstellen.
Der Kampf muß weit gefächert sein, und demokratisch alle Bereiche der
Gesellschaft auf allen Ebenen umfassen, in allen Staaten. Er muß in einem
gemeinsamen großen Vorstoß ArbeiterInnen, BäuerInnen, unabhängige
ProduzentInnen, kleine Geschäfte, Berufstätige, KünstlerInnen, öffentliche
Bedienstete, Mitglieder des Klerus, Studierende und Intellektuelle
umfassen. Menschen müssen über die verschiedenen Bereiche hinweg vereint
werden, Gruppen die sich mit einem Thema befassen, müssen sich verbinden
in einem gemeinsamen und gemeinschaftlichen Verständnis darüber, wie
dieses ökonomische System zerstört und verarmt. Die "Globalisierung"
dieses Kampfes ist grundlegend, sie benötigt einen Grad an Solidarität und
Internationalismus, wie es ihn bisher in der Geschichte der Welt noch
nicht gab. Das globale ökonomische System nährt sich von der sozialen
Teilung zwischen und innerhalb von Staaten. Nach Seattle ist diese
Zweckgemeinschaft und eine weltweite Koordination zwischen diversen
Gruppen und sozialen Bewegungen entscheidend. Ein großangelegter Vorstoß
ist notwendig, der soziale Bewegungen der unterschiedlichen Regionen der
Welt in einem gemeinsamen Streben und einer Verpflichtung zur Auslöschung
von Armut und zur Schaffung eines andauernden Weltfriedens zusammenbringt.
2. WTO Presse Veröffentlichung, Ruggiero Announces Enhanced WTO Plan for
Cooperation With NROs, 17 July 1998.
3. European Commission Presse Veröffentlichung, "Commission and NROs hold
dialogue on the Millennium Round", Brussels, 17 November 1998.
4. ebd.
5. ebd.
6. siehe AFL-CIO, Make the Global economy Work for Working familiies,
http://www.wslc.org/wto/index.htm, Ocotber 1999.
7. ebd.
8. Financial Times, London, 17 November 1999).
9. zitiert in: Financial Times, op cit.
10. siehe Martin McLaughlin, "Clinton Republicans agree to Deregulation of
US Banking System", World Socialist website, 1 November 1999.
11. zitiert in Michel Chossudovsky, Towards Capitalist Restoration,
Chinese socialism after Mao, Macmillan, London, 1986, p. 134).
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Department of Economics,
Overview on the War:
On the role of the KLA:
Breakup of Yugoslavia:
Impact of the bombings:
On The Globalisation of Poverty and the Financial Crisis:
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None who have always been free can understand the terrible power of the
hope of freedom to those who are not free.
Niemand der immer frei war kann die gewaltige Macht nach der Hoffnung auf
Freiheit verstehen für diejenigen die nicht frei sind.
Pearl S. Buck (1892-1973), U.S. novelist.
Übersetzung Ralf Haberski MAILTO: Ralf.Haberski@gmx.de
siehe auch:
globalisierung/neoliberalismusBeim WTO-Treffen geht es um ökonomische Interessen WTO-Generaldirektor ärgert sich über eine Website
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