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Handstreich der
        Halbnackten   Gefährliche Orte LXVII:
        Nach dem mehr oder weniger öffentlichen Gelöbnis tanzt
        die Berliner Republik den Stauffenberg  Die 2 600 Gäste waren
        gebeten, die Nationalhymne mitzusingen. Dem
        handverlesenen Publikum, das am 20. Juli 1999 auf dem
        Parkplatz des Bendlerblocks zum Appell angetreten war,
        war das der Partizipation jedoch nicht genug. Kurz bevor
        die 432 Rekruten der Bundeswehr geloben konnten, "das
        Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu
        verteidigen", machte ihnen eine Handvoll
        Kriegsgegner mit Schirm, Charme und Tucholsky einen
        Strich durch die Rechnung.  Der Handstreich der zum
        Teil Halbnackten, die für zwei Minuten mit Parolen wie
        "Bundeswehr abschaffen" über den Gelöbnisplatz
        rannten, ging der Menschenmenge auf den Rängen zu weit,
        und keine Szene hat wohl in den letzten Wochen das
        Selbstverständnis der Berliner Republik besser
        verdeutlicht als jene, die sich auf den Rängen der
        Ehrentribüne abspielte: Mit Fußtritten rächte man sich
        an den Demonstranten, die es gewagt hatten, den in voller
        Montur und zum Teil mit Wehrmachtskarabinern angetretenen
        Nachwuchs mit einem Verweis auf das Zitat "Soldaten
        sind Mörder" zu konfrontieren. Einige der Gäste
        versuchten gar, einem Bundeswehrkritiker einen Schirm in
        den Mund zu stecken, um ihn am Schreien zu hindern.
        Frenetischer Applaus brandete auf, als Feldjäger ihren
        Kontrahenten das Gesicht auf den Beton des Parkplatzes drückten.
         In der Tradition der
        Stauffenberg-Attentäter solle sie stehen, die Bundeswehr,
        und, wie man also annehmen darf, auch die Bundesrepublik,
        hatte der Kanzler wenige Minuten zuvor verkündet. Die
        Bezugnahme auf Wehrmachtsoffiziere, die die Juden zwar
        nicht in die Gaskammer wünschten, wohl aber erwogen, sie
        nach Madagaskar umzusiedeln, auf Offiziere also, die für
        die Zeit nach einem gelungenen Attentat von einem
        Warschauer Ghetto mit menschlichem Antlitz träumten,
        fand in dem unverhohlenen Haß auf die Störer ihre
        handfeste Entsprechung.  Was der Regierende Bürgermeister
        von Berlin als "jenseits der Grenze des guten
        Geschmacks" bezeichnete, nannte dessen Parteifreund
        Roland Gewalt sogar "erhebliche Straftaten",
        die das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und des
        Landes Berlin geschädigt hätten. Kritik an der
        Regierungspolitik hat als Straftat zu gelten und schädigt
        das Ansehen eines demokratischen Staates - ein derart
        ausdifferenziertes Demokratieverständnis dürften auch
        Claus von Stauffenberg und seine Kameraden gepflegt haben.
         Der Dreck, den die
        Feldjäger einen Kritiker während seiner Festnahme zu
        fressen zwangen, reichte der politischen Elite und ihren
        Strafverfolgungsorganen nicht aus. Weil die Bundeswehr
        bis auf die Knochen blamiert worden ist, sollen die
        Verantwortlichen das teuer bezahlen. Den Jungdemokraten /
        Junge Linke will die CDU die Fördergelder streichen, die
        sie von der Senatsjugendverwaltung für
        Bildungsveranstaltungen erhält - eine Forderung, die die
        zuständige Behörde bisher noch ablehnt.  Um ein für allemal
        klarzustellen, daß ein vollmündig gewordener Staat sich
        seine Grenadiere nicht ungestraft von einer Handvoll
        "Flitzer" (Bild) schlechtreden läßt,
        durchsuchte am vergangenen Freitag außerdem der
        Staatsschutz die Landesgeschäftsstelle der
        Jungdemokraten sowie über zehn weitere Privatwohnungen.
        Wie sehr die Maßnahme politisch motiviert gewesen sein könnte,
        bewies nicht zuletzt der offenkundig in höchster Eile am
        Freitag abend ausgestellte Durchsuchungsbeschluß, in dem
        aus Stauffenberg ein "Staufenberg" und aus Rosa-Luxemburg
        eine "Luxemburgt" geworden war. Eine Begründung
        fand sich ebenso schnell: Nachdem zuvor bereits in der
        Presse über gefälschte Einladungskarten spekuliert
        worden war, lautete der Vorwurf auf Urkundenfälschung
        und gemeinschaftlich begangenen Hausfriedensbruch.  Schon während des
        Eides vor dem Bendlerblock hatte die Berliner Polizei,
        von der Klaus Landowsky (CDU) behauptet, sie hätte das
        Gelöbnis wohl besser schützen können als die Feldjägereinheiten
        der Armee, mit mehreren rechtswidrigen Einsätzen
        klargestellt, daß sie noch allemal die kompetentere
        Institution ist, wenn es darum geht, den Linken die
        Zwecklosigkeit jedes Widerstands ins Bewußtsein zu rufen.
        Mehrere Beamte stürmten eine Wohnung im Sperrgebiet, aus
        der ein Transparent mit der Aufschrift "Soldaten
        sind Mörder" hing und beschädigten die Einrichtung.
        Die 500 Meter entfernte Gegenkundgebung wurde aufgelöst,
        weil sie, so die Einsatzleitung, die Durchführung der
        Feierlichkeit beeinträchtige.  Rechtsanwalt Dieter
        Hummel, der den Veranstalter vertritt, hält dies für
        rechtswidrig: Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits
        im Januar 1990 entschieden, daß die Bundeswehr kein
        Anrecht auf ein wohlgesonnenes oder meinungsindifferentes
        Publikum habe, wenn sie sich in die Öffentlichkeit
        begibt.  Von einer Verhinderung
        der Gelöbnisprozedur durch die weit entfernten
        Demonstranten konnte aber keine Rede sein, auch wenn die
        "Mörder"-Rufe deutlich zu hören waren: nicht
        unbedingt das Ambiente, vor dem Bundeskanzler Gerhard
        Schröder seine interventionsfähig gewordene Armee der
        Weltöffentlichkeit präsentieren möchte. Weil aber in
        der Hauptstadt der Republik, weiterhin ein "ausgeklügeltes
        Chaotensystem" (Landowsky) anzutreffen ist, will die
        politische Elite dem Beispiel der Bundeswehr folgen und
        sich qua Bannmeile die Öffentlichkeit sichern, die ihr
        paßt.  Die erneute Debatte um
        eine Einrichtung von strengen Bannmeilen aber wirkt
        angesichts der, wie es ein Offizier der Bundeswehr nannte,
        "professionell und militärisch straff vorbereiteten"
        Aktion weniger hilflos als peinlich: Wer eine Halbnackte
        aus einem Meter Entfernung nicht zu erkennen in der Lage
        ist, der muß auch in Zukunft damit rechnen, mit der
        kritischen Öffentlichkeit konfrontiert zu sein, die er
        verdient.Geloebnix Aufruf
Geloebnix gestoert
Repression 
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