Imperialismus im Cyberkontinent - der "sanfte Faschismus".
Gesellschaft am Rande der totalen Überwachung ?
Die im folgenden dargestellte Metatendenz beschränkt sich keineswegs
nur auf Internet und Cyberspace. Sie ist in allen Lebensbereichen, global
wie lokal, wahrnehmbar. Diese Metatendenz zeigt sich im Netz genauso wie
im herkömmlichen Leben . Die Brisanz des Themas ist einerseits unmittelbar
evident, andererseits beharren große Teile der westlichen Bevölkerungen
auf einem Wegschauen und einem So-tun-als-wüßten-sie-es-nicht
, gepaart mit einer Haltung des Es-ist-ohnehin-alles-in-bester-Ordnung
. Der vorgegebene blinde Fleck ( Wir sehen nicht, daß
wir nicht sehen , Heinz von Förster) ist zur lieben Gewohnheit
und die kollektive Amnesie zum täglichen Morgengebet geworden.
Im
Versuch, sich auf die unbekannte Medienlandschaft des kommenden Jahrhunderts
vorzubereiten, findet sich bei allen mir bekannten relevanten Bearbeitungen
und Studien (1) ein sehr wahrscheinliches
Zukunfts-Szenario, das ich mit Gesellschaft am Rande des Faschismus bezeichne.
Techno-Utopia (McCann-Erickson) ist der Realität
gewordene Traum der großen Konzerne. Jedermann hat in seiner kleinen
Lebensbox seine persönliche Arbeitsmaschine, seine Futter- und Fäkalienmaschine
und seine Medienmaschine. Diese befiehlt dem Verbraucher zu kaufen, kaufen,
kaufen, kaufen. Die Werber und Marketing-Experten bewohnen einen Himmel
auf Erden, denn sie können ihre Botschaften zielgenau an die richtigen
Verbraucher bringen - und
immer die gewünschte Reaktion erhalten.
Die Werbung und die Medien, die von ihr gesponsert werden, sind eins geworden.
Alle hängen am Dauertropf der mediengestalteten Realität und
merken´s nicht mehr oder geben sich damit zufrieden. Die zu menschlichen
Zombies gewordenen Konsumenten haben ein leeres Gehirn, eine Fleischmaschine
(Marvin Minsky), das jederzeit aufgabenorientiert
programmierbar ist ("knowledge on demand") und nach
der Benutzung am besten alles wieder alles vergißt, damit es nachher
wieder neu programmiert werden kann. Durch Lean- Management und nachfolgend
permanenten Reengineering zu Bonsai-Menschen geworden, ist deren Gehirn
lobotomisiert, ebenso wie das Web. Der Cyberspace bringt das Plug-in-Hirn
und der Plug-in-Mensch ; der zukünftige Netzcomputer-Mensch betet
am Altar seines Multimedia-PCs täglich für seine Shareholder
den Geldgott an und opfert Lebenslust, Sexualität und Körper
schlechthin. Besonders wertvolle Bonsai-Zombies erhalten von Zeit zu Zeit
ein Reprogramming-Optimierungstraining für Plug-In-Kreativität
und Emotionale Intelligenz , damit sie sich zwischendurch für echte
Menschen halten.
Das
Parallel-Szenario Pay-to-Play ist die Hölle für die Marketing-Manager,
jedoch ein wahrer Segen für den wohlhabenden Verbraucher. Die allerbesten
Medieninhalte - TV-Specials, Live-Berichte vom Sport, wertvolle Datenbanken,
Qualitätsmagazine und Nachrichten - sind nur noch gegen kostspielige
Abogebühren oder als Pay-per-view erhältlich. Ebenso alle wirklich
guten Web-Sites: Wer es sich leisten kann, der bezahlt für seine Bequemlichkeit,
für Kontrolle und für die vollständige Ausblendung von Werbung.
Intelligent-agent -Software findet für den Verbraucher genau das,
was er sich wünscht, und tilgt die Werbung. Eine wachsende Unterschicht,
die sich diese Dinge nicht leisten kann, bleibt dem übriggebliebenen,
verdummenden Gewitter des freien , durch Werbung finanzierten Fernsehens
ausgesetzt. Die Info-Elite bleibt unter sich und verbringt ihr glückliches
Leben sicher in Buckminster-Fuller-Kuppeln oder Biosphere VI.
Ergänzt wird diese Schöne Neue Welt durch die Revolution du Jour
. Wellen undifferenzierter Medienbegeisterung feiern die jeweils letzten
und größten Innovationen, ohne sich darum zu kümmern, was
davon wirklich taugt oder welche Konsequenzen sich daraus ergeben könnten.
Viele Verbraucher nehmen diese Neuigkeiten an, nur um nach kurzer Zeit
herauszufinden, daß die bejubelte Innovation innerhalb kürzester
Zeit überflüssig geworden ist. Die Märkte sind völlig
chaotisch. Es gibt heiß geführte, kontroversielle Debatten zwischen
den Luddites , den nur an Spiel und Unterhaltung interessierten, und den
technisch versierten Usern - die breite Masse versteht ohnehin nicht mehr,
worum es geht. Große Geschäftsallianzen werden geschlossen,
nur um wieder zusammenzubrechen, wenn der Markt sich verändert.
Dieses letzte Bild sollte uns bekannt vorkommen, erleben wir doch unser
Jahrzehnt genau auf diese Weise (2).
Um diese heute sichtbaren Tendenzen voll real werden zu lassen, fehlt nicht
mehr viel. Selbst wenn man nur die Tendenzen im Internet beobachtet, bestätigen
sie sich auf erschreckende Weise. Der Mensch im Cyberspace - so wie ihn
globale Konzerne gerne haben möchten - steht unter der totalen Kontrolle
von perfektioniertem Ersatzkonsum, Infotainment-Overflow sowie Enfopol
und Echelon (3). George Orwell wäre
vor Neid erblaßt, und Aldous Huxley würde in seiner Schönen
Neuen Welt die Alltags-Glücks-Droge Soma um auf Cybersoma oder Aurosoma
umändern.
Die
industrielle Nutzbarmachung der Spezies Mensch durch die alten patriarchalen
Methoden der Penetration, der Überwältigung, Unterwerfung und
Beherrschung führt zu einer Nach-Industrialisierung des Info-Age,
und die (ebenso alten patriarchalen) Allmachts-Phantasien
von Macht Euch die Erde untertan! gipfeln in der Zweiten Genesis der zynischen
Hochzeit von Gen- und Cybertechnologie. Der Techno-Infohardcore-Industrie-Militär-Bereich
und das internationale Finanzkapital regieren in "freundlich-faschistischer"
Weise den gesamten Planeten und alle außerirdischen Basen - alles
wächst zu einem megalomanen, globalen, monolithischen Gesamt-Konzern
zusammen; die globale Mega-Giga-Tera-Peta-Virtual Cyber-Reality ist da.
Es ist VR total, der Mensch und sein Körper ist obsolet geworden.
Never forget that the human race with technology is just like an alcoholic
with a barrel of wine. (4)
Wollen wir das wirklich so?
(1) Daten, Einschätzungen,
Szenarien entnommen (u.a.):
Visioning-Project , McCann-Erickson-Worldwide, zit. nach Webonomie , 1996;
Global Business Network, unter: www.gbn.org
Adbusters Organisation, unter: www.adbusters.org
- hier entstammt vor allem das Bildmaterial;
weitere Literatur zu finden im Buchhandel unter George Orwell, Aldous Huxley,
etc. sowie in zahlreichen Web-Sites im Netz.
(2) zit. auszugsweise nach Webonomie , von Evan I.Schwartz,
Hoffmann & Campe, 1997, Seite 288 ff.
(3) Arbeitspapier für das Europäische Parlament
unter der Nummer PE 166 499 der STOA
(Scientific and Technological Options Assessment, Brüssel 10.2.1998),
sowie Enfopol 15, 4354/2/95 REV2, Restricted, 13.11.95;
sowie Enfopol 112, 10037/95, Limite, Brüssel, 25.11.95, etc.
(4) The Unabomber Manifesto - Industrial Society and its
Future , Jolly Roger Press 1996; Seite 69.
http://www.noetic.at/referate/GFM_tagung_98/04.htm
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