telegraph 3/99
Der Krieg im Kaukasusvon TschelovetschnostEs ist noch nicht allzu lange her, da entstand aus der Großmacht" Sowjetunion ein Föderativer Staat. Die neuen nationalen Republiken spielten dabei hauptsächlich die Rolle der Rohstofflieferanten. Das kulturelle Niveau und die Allgemeinbildung der RSFSR (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik) befand sich auf einer völlig anderen Entwicklungsstufe im Unterschied zu den anderen Republiken, wie z.B. den Republiken Zentralasiens. Das allgemeine Niveau der Produktivkräfte beispielsweise der Völker Tadschikestans, Tschetscheniens, Ingutschetiens und Kirgiesiens entwickelte sich analog dem Wachstum der Industrie, die sich allerdings auf einem niedrigen Level befand und befindet. In verschiedenen Teilen dieser Länder ist die Handarbeit noch sehr verbreitet. Die Landwirtschaft stellt eine der wichtigsten Zweige dar. Die Völker Zentralasiens und des Kaukasus blicken auf eine lange Geschichte zurück, eine Geschichte von gegenseitiger Unterdrückung, Vernichtung durch furchtbare Kriege und Deportationen. Zweifellos wirkte sich das auch auf das Leben und die Mentalität der Menschen dort aus. Auch die Rolle des religiösen Faktors hat die südlichen Völker nicht selten veranlasst, in die Kanonaden des Glaubens einzustimmen, welchen sie befolgen.
Mit dem Zerfall des sowjetischen
Imperiums wirkten sich praktisch alle oben
genannten Punkte auf das Streben nach Selbstbestimmung der kleinen Völker aus. So auch bei
den Ereignissen in Abchasien, Sumgant. Das berührte auch das tschetschenische Volk.
Aber leider, wie es so oft passiert, werden mit
den Wellen der Unzufriedenheit und des Volkszornes nicht immer progressive
Führer an die Macht gespült. Die Politiker des
Kremls, bereits im Abzug, versuchten die Stabilität
der Lage in der tschetschenischen Republik mit großen Protestkundgebungen nochmals
herzustellen. Das tschetschenische Volk indes erinnerte sich seines
antiimperialistischen Helden des 19. Jahrhunderts: Schamil.
Während der Protestwelle wusste einer die
Situation für sich zu nutzen. General D.
Dudajev fiel die Rolle des neuen Helden zu. Für
das tschetschenische Volk erschien er in diesen Tagen als Vater". Mit dem Ende des
Zerfalls der UdSSR beruhigten sich zahlreiche Konflikte wieder ein wenig. Jede ehemalige
Sowjetrepublik wurde ein selbständiger Staat, mit einer eigenen Armee, einer eigenen
Regierung und Grenzen. Aber, wie gewöhnlich hat jede Regierung so ihre Eigenheiten.
So entstanden per Statut eine Reihe verkannter Staaten: Transnistrinien, Abchasien,
Tschetschenien und andere. Die Republik Itschkerien (anders für Tschetschenien) wurde
zu einem zentralen und einem der wichtigsten Punkte für die neuen Kapitalisten, denn
auf ihrem Territorium befanden und befinden sich extrem viele Ölvorräte und genau darum begann ein heißer Streit zwischen
Russland und Tschetschenien. Erstere behaupteten, dass Tschetschenien ein Teil Russlands sei,
ein gleichberechtigtes Subjekt der
Förderation. Folglich müssten die ölverarbeitenden
Betriebe den russischen Gesellschaften zufallen.
Mit dieser Auslegung der Frage konnte sich die andere Seite natürlich nicht
einverstanden erklären. So führte der Streit um diese
Filetstücke der Ölindustrie zum
imperialistischen Krieg zwischen Russland und
Tschetschenien. Der Krieg begann mit dem Einmarsch
der Truppen der russischen Armee auf das Territorium der tschetschenischen Republik
im Dezember 1994. Die russische Expansion wurde von allen progressiven politischen
Kräften als absolut schändlich, als
abscheuliches Gemetzel eingeschätzt, welches
ausschließlich dem Magnat des militärisch
industriellen Komplexes nutzte. Blutiges Geld für das
russische Kapital bewies, das diesen Herren jegliche menschliche Eigenschaften fehlten.
Ihrem Charakter entsprechend mähten sie in den Bergen, mit rohen unmenschlichen
Instinkten, Tausende von Menschen nieder, darunter zahlreiche Kinder und Frauen.
Das blutige Kaleidoskop dieser
Vakchanami" verband sich mit der Vernichtung ganzer
Städte und Dörfer (Grosny, Samaschki,
Perromajskoe) und friedlicher, unbewaffneter Siedlungen der unterschiedlichsten
Nationalitäten. Sowohl tschetschenische als auch
russische. Diese Grenzenlosigkeit des Todes, des Verfalls, des Hungers, wie in den
Bergen, brachte ein Welle des Nationalismus und
des Chauvinismus, wie sie größer hätte nicht
sein können. Der zweijährige Alptraum
endete mit dem Hass der beiden Völker
aufeinander. In Russland trägt die Kasachophobie
Massencharakter und nimmt täglich zu. Da geht
ein Mann mit dunklen Haaren und dunkler Haut, geht vielleicht nach schwerer Arbeit auf
der Baustelle nach Hause und füttert seine
Kinder. Er hat weder jemanden vergewaltigt noch jemanden getötet. Aber wie dem auch sei,
die Moskauer Menschenmenge (und nicht nur die), an der Haltestelle, auf dem Markt,
im Bahnhof denkt oder sagt übereinstimmend: dort kommt ein Schurke, ein Nazi!" Und von dieser nationalistischen Tendenz profitieren vor allem die russischen Faschisten. Sie
haben enormen Zulauf, treten immer hemmungsloser auf und bleiben absolut ungestraft in
ihren dreckigen Machenschaften. In etwa genau so ging die tschetschenische Bourgeoisie vor.
Sie profitiert vom Ölexport und schwimmt im Luxus. Sie rüttelte am nationalen Pendel,
führte die Menschen weg von dringenden, lebensnotwendigen Entscheidungen hin in
eine verlogene, religiöse und nationale
Richtung. ihre politische Macht bestand in der
Abgrenzung zu Russland. Alle Kraft wurde darauf verwendet und jedes Mittel war recht, um
die gegensätzlichen Faktoren für sich nutzbar
zu machen. Das heißt, so wie das Volk der
russischen Föderation mit der Narkose des
Chauvinismus ernährt wird - dem wahren
Opium für das Volk" - so verhält sich das mit
der Russophobie beim tschetschenischen. Gerade auch bezüglich der Religionen. So sei
es bewiesen, das der Islam eine wahre, ordentliche Religion sei, dagegen die christliche
eine fremde, vom tschetschenischen Volk nicht anzuerkennende. Zur Einführung der
Gesetze der Scharia auf das Territorium der tschetschenischen Republik brach eine
absolut reaktionäre Staatspolitik auf. Aber auch
der folgende Punkt sollte noch eine wichtige Rolle spielen. Die Woge des Krieges
brachte auf ihrem Rücken eine Reihe Feldkommandeure hervor, sogenannte Helden"
des antirussischen Widerstandes wie Sch. Basaev, den Jordanier Chattab und andere. Sie
standen später als bewaffnete, kriminelle Gruppen
in Opposition zum Präsidenten Magkadov. So bildeten sie weiterhin Sabotagegruppen
und schufen Einheiten für die Ausbildung von Kampfgruppen. Sie verschafften sich Aufmerksamkeit durch Drohungen, die im
regionalen Fernsehen übertragen wurden. Aufmerksam wurden aber vor allem der
russische Geheimdienst (aber nicht nur der).
Unterstützung bekamen die Terroristen von
Drogenbaronen und anderen islamischen, radikalen Organisationen, welche eine kolossale
Erfahrung in dieser Sphäre besitzen. Sie waren
die Vorboten zum Einstieg in eine neue Etappe.
Denn nun war nicht mehr Moskau der
Initiator, Provokateur und Schaffner" auf
dem Zug zur Grenze des rechten Terrorismus, es waren die Boewniki ("Kämpfer") Basaevs
und Chattabs. Mit anderen Worten, so oder so war die Politik von rechten Kreisen geprägt,
welche die Interessen des Volkes
verschmähten. Aber wie sagen die Franzosen, kehren
wir zurück zu unseren Schafen. Die gesamte
letzte Zeit, von 1996 bis Mitte diesen Sommers war in erster Linie ein Informationskrieg.
Die Boewniki entführten ununterbrochen Menschen. Abgesehen von den
russischen Militärdienstleistenden waren darunter
auch eine Anzahl ausländischer Journalisten,
Mitarbeiter des Iinternationalen Roten Kreuzes und auch einfache Bürger benachbarter
Territorien. Es begann eine Phase des
Sklavenhandels. Für die Sklaven" forderten sie mehrere
Millionen Lösegeld. Selbst Vorfälle von
Folter sind bekannt geworden. Viele terroristische Zentren waren sehr aktiv bei der
Unterstützung mit Waffen, Söldnern und Geld.
Eine Reihe von Gebieten der tschetschenischen Republik wurde bereits von den
Boewniki kontrolliert. Dort haben die offiziellen
Gesetze Grosnys keinen Einfluss mehr. Es gilt nur noch ihre Philosophie und ihre
Ordnung. Ohne Frage, eine solche Situation kann so nicht lange andauern. In den schon
erwähnten letzten drei Jahren entstanden in den
angrenzenden Gebieten Tschetscheniens und Dagestans, dem Territorium der
russischen Föderation eine riesige Anzahl von terroristischen Anlagen, unterirdischen Lagern. Für
die Agitation und Propaganda verbreiteten die Boewniki Flugblätter, Bücher mit
extremistischen Inhalten. In ihnen riefen sie dazu
auf, nur den heiligen Gesetzen des Islam zu folgen und alle anderen, offiziellen Gesetze zu
missachten. Immer mehr wurde dabei die Frage nach der notwendigen Loslösung
Dagestans von Russland ins Zentrum gerückt, um
sich nach der islamischen Welt umzuorientieren.
Diese gesamte Vorbereitung mündete
geradewegs in dem Angriff der Boewniki-Extremisten auf eine Reihe dagestanischer
Dörfer: Tschabanmach, Karamach. Die
Extremisten gingen in die Aue und Dörfer,
richteten Wehrgebiete ein, plünderten Häuser,
Menschen, schlachteten Vieh. Trotz ihrer guten Bewaffnung und Kriegsvorbereitung,
wurde schnell deutlich, dass sie ihre
ausgearbeiteten Pläne für die Kriegsoperation nicht
durchsetzen konnten. Ihnen fehlte der notwendige Rückhalt in der örtlichen,
dagestanischen Bevölkerung. Die Einwohner
dagestanischer Dörfer flohen vor den Boewniki,
verließen ihre Häuser, um ihr Leben zu retten.
Hinzukommt, und für die Boewniki völlig
unerwartet, das sich eine Volkslandwehr" aus
Teilen der männlichen Bevölkerung Dagestans
bildete, die sich gegen sie richtete. Dies war der Moment, an dem ein neuer, man kann
sagen ein zweiter kaukasischer Krieg begann. Die russischen Bundestruppen kamen
praktisch der "Volkslandwehr" zu Hilfe. Der
regionale Krieg dauerte nicht lange. Gegen
Handfeuerwaffen, Maschinengewehre und leichter Geschütze der Boewniki wurde
schweres Kriegsgerät aufgefahren: Panzer,
Geschütze, Hubschrauber, Flugzeuge. Aber
abgesehen von der unterschiedlichen Bewaffnung der rivalisierenden Seiten, Opfer musste
sowohl die eine, als auch die andere Seite
hinnehmen. Ohne Frage mussten dabei die Boewniki
mehr einstecken als die Bundestruppen. Allein nur die großen Verluste der Basaevisten waren
der Grund dafür, dass sie allmählich Dorf für
Dorf räumten und sich auf das Territorium Tschetscheniens zurückzogen. Die
Pläne Basaevs und Chattabs, mit dem Machtraub
in einer Reihe dagestanischer Dörfer, dort
dann auch den heiligen islamischen Staat auszurufen, waren nicht mit Erfolg gekrönt.
Indessen nur ein naiver Mensch könnte glauben,
dass die Boewniki sich in Anbetracht der vorliegenden Situation eines bewaffneten,
regionalen Konflikts beruhigen, die Waffen ablegen und einen Weg des langersehnten
Friedens beschreiten, würden.
Die Agonie der Extremisten zeigte sich
im unerbittlichen, grausamen Terror gegen friedliche Menschen in Russland. Was sagen
die Initiatoren der terroristischen Aktionen:
Russen - das sind Götzendiener, die sich vor
einer Jungfrau Maria verbeugen. Sie sollen dort
sterben, wo sie der Tot von unseren Händen
erwischt."1. Diese offene nationalistische
Äußerung wurde zum Vorboten der
unmenschlichen Aktionen, welche man als
Terrorismus gegen friedliche Menschen qualifizieren
kann, von denen wohl niemand irgendein gutes Gefühl zum Krieg in sich trug. Und das sind
die Wurzeln der Katastrophe.
Bald nach der Tragödie in Bujnaksk
folgte eine weitere Explosion in Moskau. Am 31. August 1999 detonierte eine Bombe im
Saal der Spielautomaten des Handelskomplexes auf dem Manegenplatz. Die Ausmaße
der Explosion waren um vieles geringer als die in Bujnaksk. Die Mauern des
Handelskomplexes waren eben stabiler gebaut, außer natürlich
im Spielsaal und einigen benachbarten Boutiquen. Das Resultat: Dutzende
zersplitterter Vitrinen und eine Person musste zur
Behandlung ins Krankenhaus. Der FSB (ehemaliger KGB) stellte eine Reihe von Versionen
auf. Die erste betraf die tschetschenische Boewniki, die zweite eine gewisse
Geheimorganisation mit dem Namen Bund
Revolutionärer Schriftsteller und die dritte - ganz banal
- Rowdys.
In den ersten Septembertagen favorisierte
der Pressedienst des FSB immer mehr die erste Version. Weiter hieß es, dass sie die
Ermittlungen fürs erste abgeschlossen hätten, da es
vom Augenblick der Explosion keine weiteren Informationen gäbe. Nach der ersten
Explosion in Moskau wollte das Regime die
Verstärkung der Patrouillen auf den Straßen,
Bahnhöfen und den Metrostationen
einführen. Die schon seit vielen Jahren anhaltende
Praxis der Ausweiskontrollen durch die Miliz,
häufte sich nun vor allem bei Personen
kaukasischer Nationalitäten. Aber nicht nur die
Ausweise wurden kontrolliert, bei ihnen wurden auch Taschen, Beutel, Manteltaschen
usw. durchsucht. Und was sagte der Oberbürgermeister von Moskau Juri Luschkov:
Wir werden die härteste Maßnahme gegen
Überfremdung in unserer Stadt, gegen die hier untergebrachten Gastarbeiter
durchführen"2. In dieser Phase der terroristischen
Epoche tauchten keine Erklärungen seitens der
Schuldigen auf, alles verlief ohne ausdrucksvolle Phrasen und Erörterungen. Aber die
Banditen beabsichtigten keineswegs diese Aktionen einzustellen und verübten einen weiteren
Akt des Terrors. Am 9. September, nur eine Woche nach dem ersten Anschlag in
Moskau, explodierte ein Wohnhaus in Moskau, in der Gurjanova Straße. Sie detonierte um fünf
Uhr morgens, als sich praktisch alle Bewohner in ihren Wohnungen befanden. Die
operativen Einsatzkräfte konnten anhand des
Ausmaßes der Zerstörung ermitteln, dass 350 kg (!)
Sprengstoff verwendet wurden. Es stürzten
ganze zwei Aufgänge eines neun stöckigen
Wohnhauses ein. Die Zahl der Opfer betrug mehr als 100 (!). Diese Explosion ließ die gesamte
Russische Bevölkerung einfach nur verstummen, vom einfachen Bürger bis zum
Präsidenten Jelzin. Gleich nach diesem Terrorakt
erschien in der Presse eine Mitteilung Chattabs:
russische Frauen und Kinder werden zur
Verantwortung gezogen für die Taten der
Generäle." - erklärte er in einem Exklusivinterview
in der tschetschenischen Zeitung Lidovoe noviny". Chattab sagte weiter: In der
vergangenen Zeit kämpfte ich lediglich gegen
die Armee. Gegen die Bürger habe ich nie gekämpft. Aber nach den Erfahrungen
in Dagestan, nach diesen Geschehnissen, werden nicht nur russische Soldaten zur
Verantwortung gezogen, sondern alle russischen Völker. Ich habe ein Ziel, das alle Muslime
die sich früher unter der Kontrolle der Russen
in den Grenzen der UdSSR befanden, sich heute von der russischen Staatsknechtschaft
befreien. Weil Russland heute keine Ordnung und kein Geld hat, hat dieses Land für
niemanden einen Nutzen. Das ganze russische Volk stirbt vor Hunger. Dennoch gibt es einige,
die die sogenannte gewaltige russische Armee fürchten. Eins weiß ich genau, dass nichts gewaltig ist an der russischen Armee. Sie
haben Geschütze, Hubschrauber und Flugzeuge - aber keine
Kämpfer."3 Durch diese
Äußerung kann jeder x-beliebige normale Mensch
einschätzen, wie scheußlich die
Russophobie und die Drohungen gegenüber
unschuldigen Menschen ist. Sie gilt auch als Beweis
dafür, dass die Aktionen auf islamische
Extremisten zurückzuführen sind, hauptsächlich auf
Basaev und Chattab. Später, nach vier Tagen, am
13. September 1999, ereignete sich ein neuer Terrorakt in Moskau, in der Kaschirski
Chaussee. Es explodierte noch ein Hochhaus. Sie detonierte um Fünf Uhr morgens, als in
fast jeder Wohnung Menschen schliefen. Die Anzahl der Opfer betrug ebenfalls mehr als
100 Menschen, über die materiellen Verluste
reden wir nicht mehr. Die Sprengkraft entsprach einer Stärke von 300-350 kg
Sprengstoff. Dabei ging man nach ein und demselben Schema vor. Zunächst mietete ein
gewisser Lajpanov in dem Wohnhaus einen Raum in der ersten Etage an, um dort ein Lager
einzurichten - später stellt sich heraus, dass
dieser Mann schon seit einigen Jahren tot ist.
Danach wurden dort ganz offen, Zuckersäcke
gelagert, in denen der Sprengstoff beigemischt war, und einige Quellen behaupteten,
dass sich irgendein bekannter Feldkommandeur zu dieser Angelegenheit geäußert hätte.
Danach seien allein in Moskau 10 Sprengstoffanschläge geplant. Darüber hinaus in
St.Petersburg, Klina und anderen Städten
Russlands. Die Spezialdienste" überschlugen sich
geradezu auf der Suche nach Sprengstoff, den Terroristen und allen, die mit ihnen in
Verbindung stehen. Bereits zwei Tage nach dem 13. September wurden in der Hauptstadt
Durchsuchungen im breit angelegtem Maßstab
eingeleitet. Es sollten alle Dachkammern und Kellerräume, sowie unbewohnte Objekte
in den jeweils ersten Etagen durchsucht werden. Gefunden wurden: militärische
Schusswaffen - 45 einzelne; verschiedenes Kriegsgerät - 1345 Stück; Sprengstoff - 2100 kg.
4822 Personen wurden verhaftet, die allein deshalb verdächtig waren, weil sie in Moskau
nicht registriert waren, dies erst nach zwei Tagen,
als gerade mal 8000 Räume durchsucht wurden. Im Ganzen dürfte es um vieles mehr sein,
die Durchsuchungen werden
fortgesetzt."4 In dem Moskauer Bezirk Borosovski Prud sind
in einem Wohnhaus Hunderte Kilogramm Sprengstoff in Zuckersäcken gefunden
worden, in denen sich ein
Zeitzündermechanismus befand. Vielen schien es so, dass nach
diesen sorgfältigen Durchsuchungen der Häuser
und der Bevölkerung die blutige Kette der
Explosionen ihr Ende gefunden hat. Aber dem war nicht so. Der blutige Streifzug der
wahnsinnigen Extremisten (anders kann man diese
Leute einfach nicht nennen) machte einstweilen Station im Rostowskaja Gebiet - am 16.
September 1999 in der Stadt Wolgodonsk. In einem der Stadtbezirke von Wolgodonsk
explodierte ein mit Hexogen (ein sehr leistungsfähiger Sprengstoff, der nur industriell
hergestellt wird) vollgestopfter Lkw. Auf dem Lkw befanden sich zwischen 600 und 800kg
(!) Sprengstoff. An der Stelle, an welcher der Lkw stand, hinterließ die Explosion einen
riesigen Trichter und zerstörte eine Häuserzeile von
10 Wohnhäusern. Von den nahegelegenen
Häusern standen nur noch Pfähle. Das Ergebnis:
20 Tote, hunderte Verletzte und verstümmelte. Das Problem wurde auch dadurch
verstärkt, dass nun viele Menschen ohne
Wohnung, ohne Nahrung und ohne Kleidung auskommen mussten. Wie gesagt, nach der
Explosion bezeichneten die Experten die
Grundmauern der Häuser als riesige schneidende Messer.
Mit einem Wort, die vorgefallenen Ereignisse kann man als Herausforderung an das russische
Volk qualifizieren. Eine Herausforderung seitens von Marodeuren, Mördern und
Unmenschen. Hier natürlich, erhebt sich die
Frage nach den Versionen aller dieser, man kann sagen, Katastrophen. Es ist grundsätzlich notwendig, realistische Varianten zu analysieren.
Die zweite Version spricht eine
Mittäterschaft bekannter Linksradikalen" das Wort.
Denn von ihnen ging schon eine ganze Serie von Sprengstoffanschlägen gegen Denkmäler
des letzten Imperators Russlands Nikolai II. aus. Für diese Version gibt es allerdings keine
ernstzunehmenden Fakten oder Beweise. Es ist schon lange bekannt, das diese linken"
Bombenwerfer entweder eine Macke haben, oder zum Personenstand derjenigen
Provokateure gezählt werden, die sich an L. Berija, Pol
Pot oder Mao orientieren. Und noch ein Argument, dass ihre Mitwirkung ausschließt:
diese Linken" haben nicht die technischen Möglichkeiten für die Ausführung eines
Terroraktes in diesem großen Umfang.
Die dritte Version geht von Rowdys aus.
Aber es dürfte ja klar sein, dass Rowdys auf
diese Weise vorgehen, ist einfach unmöglich.
Darum sieht es so aus, dass die letzte
Version um vieles glaubwürdiger und logischer als
alle anderen erscheint. Aber dennoch, es sind
alles nur Vermutungen, von denen nicht eine Version sehr stichhaltig ist. Es ist vor
allem wichtig, die Folgen zu sehen, welche
natürlich ein Verhältnis bilden, zwischen
faktischen und propagandistischen Nutzen der Anschläge und dem wachsenden
Aufklärungsdruck. Verschiedene Parteien,
Bewegungen und annähernd alle sichtbar politisch
Handelnden äußerten sich zu dieser
Tragödie, gaben ihre Einschätzung ab,
beschuldigten, prangerten an, versuchten die
öffentliche Meinung in ihre Richtung zu lenken,
schufen und verbreiteten Wahlkampagnenelaborate. Vor dem Hintergrund der
Parlamentswahlen im Dezember ist das Wesen der Politik
vor allem Inszenierung - gehaltvolle Reden, die nichts bewirken. Unter dem Druck der
Situation werden sogar die absolute und
endgültige Vernichtung Tschetscheniens, bis zum
Abwurf der Atombombe gefordert - solche Aussagen und Tendenzen haben dort
ihren Platz! Diese Reden werden mit Nationalismus und insbesondere mit einer
Kasachophobie geradezu durchgepeitscht. Denn
ausgerechnet mit der nationalistischen Karte will
die Gesellschaft das Problem aus der Welt schaffen. Ich nehme eine Bombe, gehe zum
Basar und sprenge sie alle weg!" - schrie eine Frau
vor laufender Kamera im Fernsehen, den Blick auf Menschen aus dem Süden
(Tschetschenen, Aserbidschaner, Grusinier, Tadschiken
und anderer) gerichtet. Und genau solche
Veröffentlichungen provozieren, heizen an und führen die Menschen zu
nationalistischen Pogromen. Ohne Frage, das ist
abscheulich und sehr gefährlich, gerade für einen
Vielvölkerstaat wie Russland. Letztendlich wird
mit dieser Kavkasophobie und dem Antisemitismus eine Basis für die russischen
Faschisten geschaffen. Sie präsentieren sich immer
mehr als reale politische Kraft. Das ist genauso
absurd wie gefährlich. Ein anderer Teil der
Gesellschaft versteht nur all zu gut, dass
vernichten, hetzen, beleidigen irgendeines Volkes -
nicht nur falsch, sondern auch kriminell ist.
Jelzin hingegen präsentierte sich in dieser
Angelegenheit allzu gerne liberal in dem er sagte:
Der Feind hat kein Gewissen, kein Mitleid
und keine Ehre, keine Persönlichkeit,
Nationalität und Glauben. Geachtete
Persönlichkeiten aber haben eine Nationalität und einen
Glauben."5 Praktisch aber operieren die
Truppen Jelzins (Bundestruppen) erneut auf tschetschenischem Territorium und fallen dort
auch über friedliche Menschen und Siedlungen her. Nur bekämpfen darf man nicht
das tschetschenische oder eine beliebiges anderes Volk, wohl aber die Extremisten und
Banditen, egal welcher Nationalität. Banditen
gibt es überall, sowohl russische Mafia, als auch die tschetschenische, deutsche, abchasische.
Und dies ist natürlich kein nationales
Problem Russlands. Die Hauptaufgabe der Nationalisten und Faschisten (und aller ihrer
Handlanger) besteht darin, dass sie Völker und
Menschengruppen gegeneinander aufhetzen, um die Interessen der eigentlichen Schurken
zu verteidigen, so wie das der Barkaschov, Limonov, Schirinovski, Basajev, Chattab,
Ben Laden und Co. Hier kreuzen sich grundlegende Unterschiede zweier Prinzipien
(Nationalismus und Internationalismus). Das indes
hat die Gesellschaft fürs Erste nicht begriffen
und zieht dementsprechend keine praktischen Schlussfolgerungen. Der eigentliche
Kampf gegen die Freischärler und Terroristen,
gegen Nationalisten und Faschisten wird sich noch als sehr kompliziert erweisen.
Zur Zeit ist viel von Banditen-Völkern"
die Rede. In Wahrheit jedoch sind die eigentlichen Feinde des Volkes diese falschen,
ekelhaften Scheusale, die an dieser Hatz profitieren oder die, die Bomben in
Wohnhäuser legen.
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