Gegen-Informations-Büro

konkret: vor dem Krieg ...

Jürgen Elsässer

Im Kosovo same procedure as last year: Die Krauts legen den Brand, die Yankees löschen mit Benzin

Mitte Februar fand im US-Headquarter in Stuttgart eine Konferenz statt, auf der sich amerikanische und deutsche Generäle unter Vorsitz von Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark über den nächsten Balkan-Krieg verständigten. Die »Frankfurter Allgemeine« (»FAZ«) berichtete: »Sicherheitspolitiker im westlichen Bündnis erwarten, daß es auf dem Balkan bald zu Milosevics viertem Krieg kommen wird ... Namentlich die deutsche Seite machte in diesem Gedankenaustausch über die Lehren der Luftoperationen (im Kosovo-Krieg 1999, J. E.) darauf aufmerksam, daß es zur Beherrschung einer Krise auf ihrem Höhepunkt darauf ankomme, Gewaltdrohungen nur mit kurzen Erfüllungsfristen auszusprechen und danach sofort wahrzumachen. Die amerikanischen Teilnehmer widersprachen nicht, sondern stimmten implizit zu ... Wenn überhaupt Gewalt, dann auch entschlossen zum Sieg.«

Der Eindruck, den die Zielstrebigkeit - »Gewaltdrohungen mit kurzen Erfüllungsfristen« - vor allem der deutschen Nato-Generäle auf die anwesenden »FAZ«-Redakteure gehabt hat, muß so stark gewesen sein, daß seither keine Woche vergeht, ohne daß die Zeitung Stimmung für einen bald bevorstehenden Krieg macht. So hieß es etwa am 1. März: »Milosevic schürt Spannungen im Kosovo und in Montenegro. Neues Kräftemessen mit dem Westen? Nach dem Krieg ist vor dem Krieg ... Nachkriegs- und Vorkriegszeit gehen ... ineinander über.« Am 6. März: »Ein Jahr nach dem Kosovo-Krieg droht der nächste Kampf. Hat der erste Krieg nach dem Kosovo-Krieg schon begonnen?« Am 10. März: »›Kriegsbeginn: 28. März‹« - wobei das Datum jedoch als Hirngespinst »einer neuen nationalistischen Erhitzung der (serbischen) Bevölkerung« und der Belgrader Tageszeitung »Nedeljni Telegraf« dargestellt wurde, wofür es selbstverständlich keinerlei Gründe gebe.

Dabei ist die Mobilmachung der Nato bereits angelaufen. »Man atmet bereits Kriegsluft«, schrieb die italienische Tageszeitung »Il manifesto« Ende Januar, die Uno habe in Albanien vier Auffanglager für Flüchtlinge vorbereitet, die bei einer blutigen Eskalation aus Montenegro erwartet werden. Mitte Februar besuchten zunächst Nato-Oberbefehlshaber Clark und dann Nato-Generalsekretär George Robertson die Regierung in Skopje. Anschließend versetzte der Nato-Aspirant Mazedonien seine Truppen an der Grenze zu Jugoslawien in Alarmbereitschaft. Zur selben Zeit fand das erste gemeinsame Nato/WEU-Stabsmanöver statt, das eine »WEU-geführte Operation mit Rückgriff auf Nato-Ressourcen« in einem fiktiven »Kiloland« probte, wo man »ethnisch und sozial bedingte schwere Unruhen und gravierende humanitäre Probleme« mit Waffengewalt zu bewältigen wußte (»Neue Zürcher Zeitung«).

Die Übung stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übertragung der Befehlsgewalt der Kfor-Truppen am 1. April: Zum ersten Mal wird dann das Kommando für die Besatzungsarmee nicht mehr über die Nato-, sondern über die Eurokorps-Befehlsstränge ausgeübt werden. Vom 19. März bis 10. April wird im Kosovo selbst geprobt - ein Manöver mit 2.000 Soldaten soll »die Entschlossenheit der Nato demonstrieren«, hieß es in einer Erklärung aus Brüssel.

Am größten ist die Kriegsgefahr im kosovarischen Mitrovica und im angrenzenden Südserbien. »Mitrovica, Auslöser für den nächsten Balkankrieg« verkündete eine Analystin der International Crisis Group (ICG) Ende Februar im kanadischen »Toronto Star«. Die ICG ist ein Think Tank, der von der US-Regierung und der EU-Kommission finanziert wird und wissenschaftliche Studien mit frei erfundener Propaganda in literarisch anspruchsvoller Weise verknüpft. So heißt es in dem zitierten Artikel weiter, Mitrovica sei »der Notnagel in Belgrads Strategie, mit der Vertreibung aller Nichtserben aus der Region ein ›Groß-Serbien‹ zu schaffen«. Da nun aber offensichtlich ist, daß zumindest seit dem Nato-Einmarsch keine Nichtserben, sondern ausschließlich Nichtalbaner aus der Region vertrieben werden, und daß Mitrovica der allerletzte Zipfel des Kosovo ist, in dem sich letztere ohne Lebensgefahr noch bewegen können, müssen Anlässe geschaffen werden, die diese Offensichtlichkeit in den Hintergrund treten lassen.

Am besten eignen sich dazu, wie im Vorfeld der bisherigen Balkan-Kriege, CNN-Bilder von serbischen Massakern. Ein Ableger der albanischen Terror-Gruppe UCK hat zu diesem Zweck Operationen jenseits der Provinzgrenze in Südserbien begonnen. »Ziel ist es, die serbische Armee mit bewaffneten Zwischenfällen zu provozieren und dadurch eine Nato-Intervention in Serbien selbst herbeizuführen«, berichtete Ende Februar der »Guardian«. Ein US-Militärsprecher gab gegenüber der britischen Zeitung seine Bereitschaft kund, auf dieses Kalkül einzugehen. »Wenn in dieser Region Greueltaten verübt werden, werden wir reingehen und aktiv werden. Im Augenblick arbeiten wir an einer Definition, was eine Greueltat ist.« Im englischsprachigen Programm von Radio Netherlands weckten solche und ähnliche Äußerungen aus Nato-Kreisen Befürchtungen: Sie »haben eine unheimliche Ähnlichkeit mit der Sprache, die die Nato vor Beginn ihrer Luftschläge vor einem Jahr benutzt hat«. Einen großen Unterschied haben die niederländischen Kollegen allerdings übersehen: Während sich die Nato vor einem Jahr wenigstens noch bemühte, ihre Intervention mit einem angeblichen Völkermord zu rechtfertigen, spart man sich dieses Mal das moralische Pathos. Da beim besten Willen kein Holocaust herbeizuphantasieren ist, muß es diesmal ohne gehen. Ein Anschlag mittlerer Preisklasse oder auch, wie 1914, ein Attentat könnte genügen, die Nato-Militärmaschine in Gang zu setzen - wenn es gelänge, die Serben dafür verantwortlich zu machen.

In Mitrovica hätte es fast geklappt. Die drittgrößte Stadt der Provinz ist durch den Fluß Ibar geteilt in eine albanische Südhälfte mit etwa 80.000 Bewohnern und eine Nordhälfte mit 16.000 Serben und Roma, von denen knapp 8.000 nach dem Nato-Einmarsch aus anderen Teilen des Kosovo hierher geflüchtet sind. Am 13. Februar wurden französische Kfor-Einheiten im Nordteil gezielt aus dem Hinterhalt beschossen, zwei Soldaten wurden getroffen. Der Anschlag wäre wohl ohne weiteres den Serben in die Schuhe geschoben worden, hätten französische Scharfschützen das Feuer nicht erwidert und einen der Heckenschützen getötet - einen Albaner namens Avni Haradinaj, nach serbischen Informationen einer der fünf Brüder von Ramush Haradinaj, des engsten Verbündeten von UCK-Führer Hashim Thaci. Nach einem längeren Gefecht hoben die Franzosen schließlich ein ganzes Nest albanischer Terroristen aus, die sich in einen serbischen Wohnblock eingeschlichen, die Bewohner aus günstig gelegenen Appartments vertrieben und von dort das Feuer eröffnet hatten.

Die Lage in der Stadt hatte sich schon in der Vorwoche zugespitzt, und selbst aus der Darstellung von Bundeswehr-Pressesprecher Klaus Geier wird deutlich, daß die Verantwortung dafür eindeutig die albanische Seite trägt: »In der Nacht auf den 4. Februar hatte es in der Stadt massive Unruhen gegeben. Am Tag zuvor, am 2. Februar, wurde ein UNHCR-Bus mit serbischer Dorfbevölkerung, die in die Stadt zum Einkaufen gefahren werden sollte, patrouilliert durch französische Kfor-Soldaten, mit Raketenwerfern beschossen. Dabei wurden zwei Serben getötet, es gab mehrere Verletzte. In der Nacht darauf wurde eine Handgranate in ein serbisches Café im Norden von Kosovska Mitrovica geworfen - von wem auch immer, die Ermittlungen laufen noch. Es gab 15 Schwerverletzte. Im weiteren Verlauf der Nacht wurden auch drei Albaner, zwei Männer und eine Frau, erschossen. Auch hierzu laufen noch die Ermittlungen.« Auch die Bilanz der während der Februar-Unruhen Festgenommenen zeigt deutlich, von wem die Gewalt ausging: Nach Nato-Angaben waren über 80 Prozent der abgeführten Unruhestifter Kosovo-Albaner, selbst bei der deutsch-amerikanischen Razzia in Nord-Mitrovica waren von 51 Festgenommenen »mindestens 44« (»FAZ«) Albaner.

Obwohl bei dieser Razzia in den serbischen Wohnquartieren Mitrovicas jedes Haus durchwühlt und selbst in Schulen und Kinderkrankenhäusern Türen eingetreten wurden, war die Ausbeute kläglich: Ganze 25 Waffen wurden sichergestellt, informierte die »Chicago Tribune«. Dennoch bauten US-Emissär Richard Holbrooke, der deutsche Außenminister Joseph Fischer und Nato-Generalsekretär Robertson anschließend den jugoslawischen Präsidenten zum Sündenbock auf: Belgrader Agenten, hieß es, heizten die Stimmung in der Stadt an. In Wirklichkeit sind auf den Kundgebungen in Nord-Mitrovica ausgesprochen Milosevic-feindliche Töne zu hören, weil sich die Kosovo-Serben von ihm verraten fühlen. Die Nato-Propaganda soll davon ablenken, daß auf der Gegenseite sehr viel mehr und viel besser organisierte Scharfmacher am Werk sind. So berichtet der »Spiegel«, daß sich derzeit etwa 200 hochrangige Offiziere des albanischen Geheimdienstes im Kosovo aufhalten, darunter Spitzenagent Xhavit Haliti, ein enger Berater des UCK-Chefs Thaci. »Ziel sei die Destabilisierung des Kosovo und seine Kontrolle durch Tirana«, zitiert das Magazin albanische Thaci-Kritiker. Und bei der Demonstration vom 22. März, bei der ein Teil der 50.000 Albaner die Kfor-Absperrungen durchbrach und nach Nord-Mitrovica stürmen wollte, ist dem Reporter des britischen »Daily Mail« aufgefallen: »Darunter waren die Gesichter von einigen sehr bekannten Extremisten der UCK.«

Trotz der eindeutigen Beweislage wurden die Tatsachen in vielen westlichen Medien auf den Kopf gestellt; man gab nicht den albanischen Terroristen, sondern den Serben und sogar den Franzosen die Schuld für die Eskalation. Typisch war etwa ein Kommentar der »Tageszeitung«, in dem es - zwei Tage nachdem ein albanischer Krankenwagen voller Waffen in Mitrovica von der französischen Kfor gestoppt worden war - hieß, daß das albanische »Vorurteil, die Franzosen stünden auf der Seite der Serben, bestätigt« worden sei.

Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen veröffenlichte die »FAZ« am 24. Februar eine ganzseitige Expertise, die nur als Frontalangriff gegen den Westen im allgemeinen und Frankreich im besonderen zu werten ist. Mit der Forderung, die Kernelemente der UN-Resolution 1244 - die Multiethnizität des Kosovo und seine Zugehörigkeit zu Jugoslawien - künftig ganz einfach nicht mehr zu beachten, schlug die »Zeitung für Deutschland« nichts weniger vor, als die völkerrechtliche Grundlage des Friedensschlusses zwischen der Nato und Jugoslawien ganz offiziell außer Kraft zu setzen - und damit den Frieden selbst. Auszüge aus dem Artikel: »Es zeigt sich, daß die internationale Verwaltung ... kein erkennbares Ziel und keine klare Perspektive hat ... Westliche Politiker und Diplomaten haben die Lage noch dadurch kompliziert, daß sie sich ausdrücklich mit der Begründung für das Verbleiben der serbischen Minderheit im Kosovo einsetzten, damit eine Rückkehr zu Serbien möglich bleibe ... ›Multikulti‹ ist nach dem Geschehenen im Kosovo passé ...

Daß ein selbständiges Kosovo zur ›Destabilisierung‹ des ganzen südlichen Balkan führen könnte, ist weit hergeholt.« In kruder ökonomistischer Manier konstruiert der Autor einen Zusammenhang zwischen den »französischen Eigentumsansprüchen auf (die Mine) Trepca« - dort, im Norden Mitrovicas, hat ein französisch-griechisches Konsortium vor einigen Jahren Anteile erworben - und der angeblichen pro-serbischen Politik der »französischen Schutzmacht« - ganz so, als hätten sich nicht die Deutschen selbst den entscheidenden wirtschaftlichen Einfluß in der Provinz gesichert: über den Aufbau der bisher einzigen Privatbank (»Micro Enterprise Bank of Kosovo«), gegen den Widerstand der EU-Kommission vorangetrieben von der Commerzbank und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), und über die Einführung der Deutschmark, verfügt von UN-Administrator Kouchner.

Doch selbst der ist den »FAZ«-Büchsenspannern verdächtig, weil er das »nationale Interesse« der Franzosen vertrete, und auch die US-Administration bekommt schlechte Noten, weil sie in Rambouillet eine »für Milosevic akzeptable Autonomie« zur Vertragsgrundlage gemacht habe. Über die Bevölkerungsmehrheit im Kosovo heißt es schließlich in der Diktion Wilhelms des Zweiten gegenüber schwarzafrikanischen Kaffern: »Staatsbildende Begabung haben die Albaner, durch ihre Geschichte bedingt, nun einmal nicht, und ihre gegenwärtigen politischen Führer hätten kaum die Fähigkeiten, einen Staat zu führen.« Das Kosovo soll also selbständig werden, aber nicht unter albanischer Führung? Das erinnert daran, daß der »FAZ«-Haushistoriker Arnulf Baring bereits 1991, zur Zeit der Sezession Kroatiens und Sloweniens, Deutschland die Rolle des Protektors der neuen Mini-Republiken empfohlen hatte: »Der Versuch völliger Unabhängigkeit kann doch eigentlich gar nicht gutgehen ... Irgendwo müssen all diese Kleinstaaten doch unterschlüpfen.«

Die aktuelle Mächtekonstellation weist eine fatale Parallele zu den Wochen unmittelbar vor dem 24. März 1999 auf: Franzosen und Russen versuchen ihr Möglichstes, wenigstens die minimalen Interessen der Serben zu verteidigen und eine militärische Eskalation zu verhindern (was übrigens die russischen Kfor-Soldaten mittlerweile bereits mit drei Toten bezahlen mußten). Deutsche und amerikanische Think Tanks raten zu aggressivem Vorgehen und haben große Teile der jeweiligen Entscheidungsträger schon dafür gewonnen: Kouchner und die OSZE-Führung um die österreichische Außenministerin Ferrero-Waldner vertreten ungeniert die »FAZ«-Vorschläge einer Abspaltung des Kosovo von Jugoslawien, Fischer, Holbrooke und Robertson präsentieren Milosevic als Sündenbock für die Krise in Mitrovica.

Doch während in Deutschland der Aggressionskurs auf keinerlei Kritik stößt, gibt es - auch das eine Parallele zur Vorkriegszeit 1998/99 - in den USA eine veritable Spaltung in der politischen Klasse. »Ein deutlicher Riß im militärischen Oberkommando« (»Chicago Tribune«) wurde während der Verlegung der US-Einheiten nach Mitrovica Mitte Februar sichtbar. Wesley Clark (unterstützt von Kfor-Kommandeur Reinhardt) ordnete die Dislozierung zusätzlicher Truppen im französischen Sektor an, was noch am selben Tag einen Protestbrief von Henry Shelton, Generalstabschef der US-Streitkräfte, zur Folge hatte. Der General reklamierte, daß die GIs sich um die Sicherheit ihres Sektors kümmern und nicht zu Hilfsdiensten in andere Sektoren abkommandiert werden sollten. Sheltons Brandbrief, kommentierte die Londoner »Times«, »ist das jüngste Anzeichen, daß Amerika, besonders in einem Wahljahr, nicht bereit ist, Verluste an Menschenleben in abgelegenen Weltgegenden hinzunehmen«.

Hinter Shelton stehen das Pentagon und US-Verteidigungsminister William Cohen, hinter Clark das State Department und US-Außenministerin Madelaine Albright. Letztes Jahr endete das Kräftemessen zwischen beiden Lagern unentschieden: Während der elfwöchigen Air Campaign dominierten die Scharfmacher, doch mit der Drängelei nach Bodentruppen hatte Clark den Bogen überspannt - nach dem Waffenstillstand wurde auf Druck des Pentagon seine Ablösung als Nato-Oberbefehlshaber beschlossen. Bevor er sein Amt Anfang Mai abtritt, scheint er nun - siehe die eingangs geschilderte Tagung in Stuttgart - gleichgesinnte Nato-Generale sammeln zu wollen, die die Operationen auch ohne ihn radikalisieren.

Matthias Küntzel hat in einer sehr lesenswerten Studie (Der Weg in den Krieg. Deutschland, die Nato und das Kosovo, Elefanten Press) nachgezeichnet, »daß keine andere Nato-Macht diesen Konflikt so wie Deutschland geschürt hat: zielstrebig, bewußt und die Vorgaben der Vereinten Nationen vorsätzlich mißachtend. Während die übrigen Nato-Staaten in ihrer Haltung gegenüber Jugoslawien schwankten und auf den Nationalismus der Kosovo-Albaner unschlüssig und situativ reagierten, verfolgte Deutschland als langjährige Schutzmacht der ›Kosovo-Befreiungsbewegung‹ UCK ein ebenso langfristig angelegtes wie klar umrissenes Ziel: Das Kosovo sollte mit Hilfe der Nato-Luftangriffe in ein Protektorat verwandelt werden.«

Dieselbe Rolle spielt Deutschland auch bei der augenblicklichen Eskalation in Südserbien. Dort treibt seit vergangenem November eine Terrorgruppe mit dem albanischen Akronym UCPMB (»Befreiungsbewegung für Presheva, Medvegja und Bujanovic«) ihr Unwesen, bei insgesamt 15 Anschlägen sind mindestens 20 Menschen ums Leben gekommen. Wer sind die Freischärler, die das Gebiet von Serbien loslösen und mit »Großalbanien« vereinigen wollen? Die Londoner »Times« definierte sie Ende Februar als »radikale Splittergruppe innerhalb der UCK«, und die kosovo-albanische Tageszeitung »Koha Ditore« recherchierte, daß diese UCK-Fraktion vom Fonds »Das Vaterland ruft« finanziert wird.

Der Fonds wird nicht von der UCK-Spitze um den Albright-Amigo Thaci kontrolliert, sondern von Thacis schärfstem Opponenten Bujor Bukoshi. Bukoshi ist seit 1991 international nicht anerkannter Ministerpräsident der Kosovo-Albaner, hat bis letztes Jahr unter Protektion der Bundesregierung in Bonn residiert und von dort aus unter Flüchtlingen und Arbeitsimmigranten Geld für den bewaffneten Kampf gesammelt. Die Bundesregierung ließ das Eintreiben dieser Kriegssteuern zu, obwohl die USA zumindest seit Sommer 1998 mehrfach dagegen interveniert haben. Ende Januar legte Bukoshi nun erstmals einen Kassenbericht vor, und dieser zeigt, daß die Geldspenden aus Deutschland für diesen Fonds noch bedeutender sind, als man bislang vermuten durfte. Demnach flossen seit 1991 insgesamt 216,7 Millionen Deutschmark in den Fonds, aber nur 30,4 Millionen Schweizer Franken und 3,6 Millionen US-Dollar (alle Zahlen nach »Radio Free Europe/Radio Liberty«). Von diesen Einnahmen sind im Augenblick noch 53,6 Millionen Mark in der Kasse - und mit dieser Summe versucht Bukoshi, sich durch Förderung der UCPMB als noch erfolgreicherer Kämpfer gegen die verhaßten Serben zu profilieren als Thaci.

Den Sieg einer von Deutschland kontrollierten UCK-Fraktion werden die USA sicherlich nicht zulassen. Notfalls werden sie ihn verhindern, indem sie selbst wieder die Führung im Krieg gegen Serbien übernehmen. Same procedure as last year: Die Krauts legen den Brand, die Yankees löschen mit Benzin.

Jürgen Elsässer schrieb in KONKRET 2/2000 über die Mafia-Herrschaft in Montenegro

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