Hurra, wir sind wieder wer
Von Dietrich Kittner
Der 64jährige Kabarettist zu NATO, CIA
Deutschlichkeit und Europawahl
Hurra! Werra! Hurra! Wir Deutschen haben endlich mal wieder
einen Krieg gewonnen! Fürs erste einen kleinen nur, aber weiter so: nächstes Mal darf es
dann schon ein bißchen mehr sein. Immerhin haben die »Internationalen Ärzte gegen einen
Atomkrieg« schon jetzt erklärt, noch nie sei die Menschheit der Gefahr einer nuklearen
Auseinandersetzung so nah gewesen. Krieg ist wieder schick geworden in Deutschland und
anderswo; da sollte es doch mit den Chinesen zugehen, wenn es nicht irgendwie doch noch
mal klappte. Wir Deutschen sind wieder wer! Sieg! Und das kurz vor der Wahl. So etwas
bringt Stimmen. Man frage Clinton. Sicher hat sich Schröder auch sofort eine Zigarre
angesteckt.
Und dann gleich ein doppelter Sieg: einmal - wenn auch erst
im dritten Anlauf - über Jugoslawien; dann aber - und das ist fast noch wichtiger - über
die jetzt völlig entmachtete UNO und die lästigen Normen des mühsam gezimmerten
Völkerrechts. Straflos mehrere fundamental wichtige internationale Verträge zu
zerreißen, das schafft so leicht keiner! Die Welt weiß nun, wer das Sagen, bzw. das
Bomben hat. Keine kleine Nation wird künftig noch wagen, gegen deutsche, im Klartext
amerika- nische Ultimaten oder Vertragsdiktate aufzumucken. Die neue Welt- ordnung ist
manifest: Herren und Knechte. Und die Deutschen gehören zu den Herren! Abgesehen von
ihrer engen Bindung an die USA.
Auch Herr Joseph Fischer wird wohl stillvergnügt aus seinem
Armani gefeixt haben. Hat er doch wenigstens auf dem Balkan zwei politischen
Grundforderungen seiner Partei zum Durchbruch verhelfen können: einer beachtlichen
Frauen-, ja sogar Kinderquote unter den bedauerlichen Kollateral-Opfern humanitärer
NATO-Bomben - und die Schaffung ab jetzt naturbelassener, zwar ökologisch noch nicht so
ganz intakter, aber immerhin schon menschenleerer, weil nach Zerstörung chemischer
Industrieanlagen und Einsatz von Uranmunition unbewohabar gewordener Landstriche.
An Menschenrechtsfragen als Grund für den Kosovokrieg
glauben eh nur noch die ganz Doofen oder solche, die noch nie von der Türkei und den
Kurden gehört haben oder von amerikanischen PR-Firmen, die gegen Millionensummen
auftraggebenden Staaten emotional wirksame Kriegs- gründe liefern. In Wirklichkeit
spielte der von der CIA für unerläß- lich gehaltene Ring um ein möglicherweise doch
noch als Rivale wiedererstarkendes Rußland eine Rolle und wohl auch die schon 1941 von
Hitler direkt nach der Osterweiterung eines Militärbündnisses auf Ungarn erkannte
Notwendigkeit eines schnellen Weges zum Öl.
Und dann hat es Joschkas neue Freundin, die blutige
Madeleine, ja auch deutlich gesagt. Es gehe darum, »den amerikanischen Werten« weltweit
zum Durchbruch zu verhelfen. Zunächst wohl den Rüstungswerten. Das ist geglückt. Nun
aber gilt es, statt der für amerikanischen Geschmack un- erträglichen Cevapcici die
freiheitlichen Bouletten mit dem großen M auf dem Balkan durchzusetzen. Vor allem aber:
Es gibt in Belgrad bisher keine Börse! »Was General Motors nützt, nützt den USA«,
verteidigte sich Clinton unlängst gegen den Vorwurf, die staatliche CIA betreibe in
Deutschland Industriespionage für private amerikanische Konzerne. Nach der
Friedenserzwingung kommt, wie bekannt, das »Aufbauwerk Südost«. Deutschland darf auch
ein wenig mittun. In Kragujevac steht dann anstelle der zerstörten Zastava-Fabrik ein
VW-Montage-Werk. Und die großen Baufirmen warten wohl auch schon Bagger bei Fuß auf Mil-
liardengewinne. Und dann ist alles, alles gut. - Bis möglicherweise die Aktienkurse
wieder fallen. Dann muß ein neuer Markt befreit werden.
Ethnische Konflikte sind für Mazedonien und Montenegro von
der UCK, deren Sprecher am Montag im Schweizer Fernsehen stolz bekannte: "Wir haben
den Krieg angefangen", schon angekündigt. Wenn nicht, dann eben die Vojvodina. Oder
die Ukraine. Schon die alten Römer wußten: Viele kleine Vasallenstaaten sind leichter zu
beherrschen als ein großer, gefestigter. Solange es weltweit noch ein einziges Dorf ohne
McDonald- Krippe gibt, werden die USA für die Menschenrechte kämpfen, pardon, bomben.
Und die Deutschen machen mit, schon um auf der Gewinnerseite zu sein. Siegen macht
nämlich süchtig. Eine UCK findet sich überall, besonders, wenn die deutschen
Geheimdienste ihr - wie von »Monitor« gezeigt - vor Beginn der Kämpfe Waffen liefern
und Ausbilder stellen.
Weil ich einerseits für die Zukunft ähnliche,
möglicherweise noch folgenschwerere »Friedenserzwingung« befürchte, andererseits nach
deutschem Brauch als Satiriker zur Überparteilichkeit verpflichtet bin, bleibt mir für
morgen nur folgende pauschale Wahlempfehlung: Keine Stimme den Blockparteien, die in ihren
Programmen völkerrechts- widrige Angriffskriege ausdrücklich ablehnen, um diese gleich
nach der Wahl zu beginnen! Wer für den Frieden ist, suche sich statt dessen aus der
Vielzahl der Parteien, die in Fraktionsstärke geschlossen gegen den Krieg stimmten, eine
heraus.
aus: ND, v. 12./13. 6. 1999
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