Der Balkankrieg
Deutschland
strebt wieder nach Größerem. Fünf Jahre nach der Einheit
dürfen deutsche PolitikerInnen, wieder von Zielen träumen, mit
denen sie nach dem Scheitern des "Generalplan-Ost" 50 Jahre lang hinterm
Zaun halten mußten. "Der Griff nach der Weltmacht", wie er sich schon
hinter den geopolitischen Vorstellungen des wilhelminischen Kaiserreichs
verborgen hat, steht wieder auf der Tagesordnung. Als drittgrößter
Beitragszahler machen die Deutschen Druck auf die UNO - vor 50 Jahren
ausdrücklich gegen die Feindstaaten Deutschland und Japan gegründet
-, um über einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen mit über weitweite UNO- Kampfeinsätze zu bestimmen.
Systematisch bereitet die Bundesrepublik den Einsatz ihrer Armee in zukünftigen
Krisengebieten vor. Im Juli 94 beschließt das Bundesverfassungsgericht,
Auslandseinsätze der Bundeswehr außerhalb des Bündnisgebietes
zu billigen, drei Tage später werden durch das Kabinett im Bundestag
erweiterte Möglichkeiten für einen Adria-Einsatz deutscher Marine-
Soldaten durchgesetzt, im Dezember stimmen Regierung und SPD in einer "außenpolitischen
Notgemeinschaft" einem Kampfbombereinsatz grundsätzlich zu. Ein halbes
Jahr später, mittlerweile unter Zustimmung einiger grüner Politikerlnnen,
beschließt der Bundestag den ersten deutschen Kriegseinsatz in Bosnien-Herzegowina.
Inzwischen sind Bodentruppen wieder im Gespräch.
Aus Gründen der angeblich "humanitären Verantwortung" geht auch
die einst sich pazifistisch nennende Grüne Partei langsam dazu über,
Deutschlands Interessen bewaffnet durchsetzen zu wollen. Daß sie
ihre "humanitäre Verantwortung" und die daraus' schlußgefolgerte
Notwendigkeit einer militärischen Intervention nicht bei den Massenmorden
in Ruanda oder Kurdistan, sondern bei der Verteidigung der moslemisch-kroatischen
Föderation in Bosnien erkannt hat, spricht für sich. "Es sei
gerade die Verantwortung der Deutschen, aufgrund ihrer Geschichte, das
faschistische Treiben der Serben nicht zuzulassen." Während PolitikerInnen
nebenher durch die Gleichstellung serbischer Kriegstreiber mit den Nazihorden
eine gefährliche Relativierung mit dem Nationalsozialismus
betreiben, reicht ihr Humanismus offensichtlich nicht soweit, radikal "offene
Grenzen für alle Bürgerkriegsflüchltinge" zu fordern.
Für
diejenigen, die hierherkommen wollen um vor dem Krieg zu flüchten,
soll der Laden dichtbleiben. Das alles erinnert an das Verhalten der USA
1943, als zwar dort die grausame Realität deutscher Vernichtungslager
bekannt war, trotzdem aber nur wenige Flüchtlinge aufgenommen wurden.
Wenn jetzt gar in Teilen der PDS über ein militärisches Eingreifen
diskutiert wird, dann zeigt das, wie schnell die Hoffnung auf ein bißchen
Mitmischen-Wollen im parlamentarischen Spektakel zur Korrumpierbarkeit
führen kann.
Noch dürfen die Deutschen keine eigenen Atomwaffen besitzen, dafür
wird allerdings alles getan, die vitalen Interessen in den Ostgebieten
schon vor der von Verteidigungsminister Rühe so gewünschten NATO-Osterweiterung
durchzusetzen. In enger Verbindung zu Vertriebenen-Verbänden und "Volksdeutschen"
in der ehemaligen Sowjetunion entstehen deutsche Enklaven. Im Baltikum
wird die Partei eines deutschen Neonazis zur zweitstärksten Kraft,
halb Tschechien ist ökonomisch fest in deutscher Hand.
Schnitt, genug. Dies sollte kein "antideutsches" Plädoyer sein, schließlich
wissen wir, daß auch die Bonzen in den anderen imperialistischen
Staaten im Zuge der internationalen Konkurrenz dafür sorgen werden,
ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen. Aber wir leben, wie die meisten
von euch, in diesem Scheißland und fragen uns: Wo sind die Linken,
die der Bosnien-Politik Deutschlands auch nur einen Funken Widerstand entgegensetzen.
Liegt es nur am desolaten Zustand der militanten Linken, daß lediglich
die AIZ ihre Aktion gegen den CDU-Militärpolitiker Breuer im Zusammenhang
mit dem Balkankrieg stellt? Würden in anderen Zeiten, wovon wir gerade
träumen, sämtliche Rüstungsindustrien in Flammen stehen?
Oder liegt es daran, dass das entsprechende "Gut-' Böse"- Schema fehlt?
Schließlich kann mensch sich im Balkan mit der nationalistischen
Politik eines Milosevic genausowenig identifizieren wie auf die eines auf
Selbstbestimmungsrecht pochenden Islamisten Izetbegovic. Aber das hat die
Linke weder im Libyen-, noch im zweiten Golf-Krieg daran gehindert, zu
zehntausenden, manchmal gar hunderttausenden auf die Straße zu
gehen. Sind es die bürgerlichen Medien, die mit ihrer gezielten Informationspolitik
auch unsere Köpfe vernebelt haben? Gibt es überhaupt Objektivität,
den "richtigen" Blickwinkel in diesem Konflikt? Klar ist, im Balkan gilt
es keine positiven Errungenschaften mehr zu erhalten, es gilt auch nicht,
irgendeine Befreiungsbewegung zu unterstützen. Aber es gilt, gegen
die imperialistischen Interessen zu agieren und den Krieg zu stoppen. Einen
Krieg, durch den bereits Hundertausende gestorben, Millionen zur Flucht
gezwungen, und wir wissen nicht wieviele Frauen vergewaltigt worden sind.
Gerademal hundert Leute folgen nach dem Beschluss des Bundestags zum Bosnien-Einsatz
der Bundeswehr in Berlin einem Demoaufruf, von einzelnen kleineren Protestaktionen
abgesehen verlief dieser Einsatz selbst in einem friedhofsruhigen Hinterland.
Da wird es schon beinahe peinlich, wenn wir feststellen müssen, daß
sich mit unserer Kriminalisierung mehr Menschen aus der radikalen Linken
beschäftigen als mit diesem Krieg.
Auch wir, die GdV-Combo, haben keine Antwort auf die zahlreichen Fragen,
die sich anlässlich der Passivität der Linken stellen. Aus aktuellem
Anlaß haben wir aber unsere Krämerei in der Geschichte kapitalistischer
und patriarchaler Strukturen ausgesetzt, um uns dem Thema zu widmen. Wir
werden den Schwerpunkt unserer Arbeit darauf legen, die Hintergründe
des Krieges herauszuarbeiten. Daran anschließend kommt einen Artikel
von GenossInnen, die sich mit dem Verhältnis Deutschland-Osteuropa,
der Ost-West-Grenze und der Situation von Migrantlnnen hier beschäftigen.
In diesem Text werden u.a. die ökonomischen Interessen der deutschen
Ostpolitik beleuchtet. Die Beteiligung Deutschlands am Krieg in Bosnien
kann von diesen Interessen nicht getrennt gesehen werden. Die deutsche Regierung
verschafft sich über die "Humanitätsschiene" dabei unabhängig
vom Balkan-Konflikt die Option, zukünftig weltweit militärisch
mit dabei sein zu können. Dieser außenpolitischen Option entsprechen
auch innenpolitische Propagandaaktionen so z.B. die haufenweisen und mediengerecht
aufgemachten Besuche Kohls "bei der Truppe", öffentliche Rekrutenvereidigungen
und der Zapfenstreich in Bonn. Gegen die aggressive Außenpolitik
vorzugehen, heißt auch, diese innere Mobilisierung anzugreifen. Leider
hatten wir keinen Platz mehr, uns auch diesem Thema zu widmen. Trotz des
relativ geringen Widerstands gegen diese Propagandashows macht wenigstens
eines Mut: Es zeichnet sich ab, daß 1995 ein Rekordjahr der Kriegsdienstverweigerung wird.
Nie wieder Deutschland. Krieg dem Krieg
Wir
haben uns in unserer Beschreibung über den Balkan-Krieg auf die Entwicklungsgeschichte
und die hinter den verschiedenen Kräften stehenden Interessen konzentiert
- insbesondere auf die Rolle Deutschlands. Wir sind also zum einen nur
sehr begrentzt auf die aktuellste Entwicklung eingegangen, zum andern haben
wir nicht die Brutalität dieses Krieges beschrieben. Alle wissen was
Krieg bedeutet: Massenmord, Vergewaltigung, Vertreibung. Das alles findet
im ehemaligen Jugoslawien, wie zeitgleich etwa in Kurdistan oder Tschetschenien,
statt. Durch gezielte Medienberichterstattung wurde der Terror, wie er
von ALLEN beteiligten Kriegsparteien ausgeübt wird, zum gezielten
Mittel, um z.B. die Notwendigkeit eines militärischen Eingreifens
zu rechtfertigen. Es gibt in diesem Krieg nicht "die Guten" und "die Bösen".
Es gibt historische und aktuelle Gründe, sich nicht in die antiserbische
Koalition von FAZ über CDUSPD - GRUENE bis zur taz einzureihen, was
uns aber nicht dazu veranlassen kann, in der nazionalistischen Politik
eines Milosevic und seiner Armee einen Verbündeten zu sehen. Aus "taktischen
Gründen" die brutale Vorgehensweise der serbischen Armee zu verniedlichen,
wie es die junge Welt häufig betreibt, halten wir für falsch.
Offensichtlich braucht die Linke in ihrem Kampf gegen Deutschland immer
einen Verbündeten. Während die AIZ ihre Partnerlnnen in den Muslimen
sucht, versucht sich die junge Welt offensichtlich in Serblnnen.
Und da wären wir schon beim nächsten notwendigen Vor-Wort. "Die
bosnischen Serblnnen", "die bosnischen Muslime", "die bosnischen Kroatlnnen".
wir selber schreiben in dieser völkisch definierten Terminologie. Eigentlich
müßten wir jeweils differenzieren in "NationalistInnen" und
"Bevölkerung", was sich wiederum häufig nicht trennen lässt.
In Bosnien-Herzegowina lebten jahrzehntelang die verschiedenen "Gruppen"
problemlos zusammen und es gab auch während des Krieges Widerstand
aus der Bevölkerung, der sich gegen die NationalistInnen aller Parteien
richtete. Und trotzdem sollten wir keine Augenwischerei betreiben: Sowohl
die KroatInnen wie auch bosnischen Muslime wählten, genauso wie die
Deutschen, in ihrer Mehrheit ihre Schlächter Tudjman bzw. Izetbegovic
selber. Und wenn es auch in Serbien eine Friedensbewegung gibt, so konnte
sich doch ein Milosevic deshalb so stark machen, weil er die Interessen
"des serbischen Volkes" gegenüber anderen "Völkern" vertritt.
Vorsicht, stark bleihaltig
Wir haben ja schon immer gesagt, daß wir
nicht besser sein können als das, was die Linke auf die Reihe kriegt.
Gern hätten wir euch die Laune beim Lesen etwas erhöht und die
Seiten mit abstürzenden Tornados und explodierten Rüstungsindustrien
geziert. Allein fehlten uns die entsprechenden Bilder. Tja, daß ihr
euch jetzt durch Bleiwüsten kämpfen müßt, habt ihr
euch selber zuzuschreiben!
Kurzer Blick in die neuere Geschichte des ehemaligen Jugoslawien:
Am
28. 6. 1914 wird in Sarajevo der österreichische Thronfolger Franz
Ferdinand und seine Frau durch ein Attentat getötet. Dieses wahrscheinlich
vom östereichischen Geheimdienst inszenierte Attentat liefert den
Anlass zum österreich-serbischen Krieg. Die Vormachtsstellung der
Habsburgischen Monarchie sollte gesichert werden, vor allem, nach dem sich
zuvor die Bewegungen für einen gemeinsamen südslawischen Staat
in der Region gestärkt hatten. Das zaristische Rußland beschließt,
Serbien zu unterstützen, Deutschland verbündet sich mit Österreich-Ungarn
und erklärt am 1.8. Rußland, am 3.8. Frankreich, das sich mit Rußland im
Bündnis befindet, den Krieg.
1915 tritt auch Bulgarien in den Krieg gegen Serbien ein, um Makedonien
zu erobern. Im 0ktober des Jahres zwingen die deutsche, österreichische
und bulgarische Armee die SerbInnen zur Flucht.
Währenddessen hatten südslawische Emigrantinnen in London den
"Südslawischen Ausschuß" gegründet, der sich für die
Vereinigung der Südslawen einsetzte. Nach den Beschlüssen der
Konferenz von Korfu 1917 konstituiert sich 1918 der "Nationalrat der Serben,
Kroaten und Slowenen", der nach Kriegsende die Vereinigung der Südslawen
zu einer Monarchie verkündet, Prinzregent Alexander proklamiert das
"Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen" ("Kraljevina SHS").
Im November 1920 wurde die verfassungsgebende Versammlung gewählt.
Die
serbische Demokratische Partei (DS), die sich für ein Zusammenwachsen
zu einer jugolslawischen Nation einsetzt, stellt mit 92 von 419 Sitzen
ganz knapp die stärkste Fraktion. Die Kroatische Bauernpartei (HSS)
boykottiert das Parlament in Belgrad und gründet in Zagreb eine "kroatische
Volksbewegung". Die Zentralistische Verfassung wird im Juni 1921 mit den
Stimmen der SerbInnen und MoslemInnen gegen die KroatInnenen und KommunistInnen
angenommen. 1929 setzte König Alexander die Verfassung außer
Kraft und löste das Parlament auf. Im gleichen Jahr wurde der Staat
in Königreich "Jugoslavija" umbenannt.
Der Ustascha Staat
Mit Unterstützung italienischer Faschisten baut der Rechtsanwalt Ante
Pavelic 1929 die rechtsradikale “Ustascha” (Aufständische Kroatische
Freiheitsbewegung) auf. Auch für Hitler zeigt der Faschist große
Begeisterung. In einern Memorandum beschreibt Pavelic 1936 die “Bewunderung
des kroatischen Volkes” für Hitler-Deutschland. Die Ustascha hatte
klare Ziele. Neben der Bekämpfung der serbischen Staatsgewalt als
Trägerin des jugoslawischen Staates sagt sie vor allem “dem Judentum
und dem Kommunismus” den Kampf an. Pavelic träumt von einem groß-kroatischen
Staat unter Einbeziehung Bosnien-Herzegowinas.
Am 25.3.1941 tritt Jugoslawien dem “Dreimächtepakt” (Deutschland,
Italien, Japan) bei, woraufhin es in Belgrad und anderen Städten zu
Massenkundgebungen gegen den Beitritt kommt. Zwei Tage später wird
die Regierung von serbischen Offizieren um den General D. Simovic gestürzt.
Hitler beschließt daraufhin, Jugoslawien früher als geplant
anzugreifen. Am 6.4.1941 wird Belgrad bombadiert, während gleichzeitig
die Wehrmacht von Süden her nach Jugoslawien eindringt. Große
Teile des jugoslawischen Territoriums wurden unter Deutschland, Italien,
Ungarn und Bulgarien aufgeteilt. Serbien untersteht der deutschen Militärverwaltung
und Kroatien sollte als eigenständiger Staat zum wichtigsten Staathalter
deutscher Politik in der Region werden. Am 15.4.1941, zwei Tage vor der
“bedingungslosen Kapitulation” der jugoslawischen Armee erkannten Deutschland
und ltalien den “Unabhängigen Staat Kroatien” (USK), dessen Gebiet
auch Bosnien-Herzegowina und den nördlichen Teil Serbiens beinhaltete,
diplomatisch an. Unmittelbar nach der Nationalstaatsgründung beginnt
die Ustascha mit ethnischen Säuberungen. Gemeinsam mit der deutschen
SS werden Konzentrationslager errichtet, in denen 750.000 Serblnnen, 60.000
Jüdlinen, 26.000 Roma und einige tausend oppositionelle Kroatlnnen
umgebracht werden. Alle Nichtkroatlnnen werden von öffentlichen Ämtern,
Presse und Rundfunk entfernt, der Gebrauch der von den Serblnnen benutzten
kyrillischen Schrift wird verboten."
Die Ustascha erhält besondere Unterstützung durch die katholische
Kirche. Franziskaner halfen bereits Jahre vor dem Einmarsch der Deutschen,
insbesondere bei der Zwangskatholisierung von 240.000 Serblnnen, die unter
dem Motto “Christus und die Ustascha marschieren gemeinsam durch die Geschichte”
stattfindet. In vielen serbisch bewohnten Dörfern zwingen die Faschistlnnen
Menschen zu Massentaufungen, um die “Re-Kroatisierung der (serbisch-) orthodoxen
Bevölkerung durchzusetzen. Die geplante Vernichtung der Muslime wird
nicht direkt durchgeführt, stattdessen nutzt Pavelic die bestehenden
Ressentiments zwischen Muslimen und Serblnnen und bietet prominenten Moslems
hohe Regierungsämter an. Die dadurch entstandene Kollaboration führt
in der Folge in Ost-Bosnien zum Bürgerkrieg zwischen muslimischer
und serbischer Bevölkerung.
Der Widerstand gegen die Ustascha entwickelt sich zunächst aus den
Reihen der serbischen, monarchistischen Cetnici. Als die Kommunistlnnen
unter der Führung Titos nach dem Angriff Hitlers auf die Sowjetunion
1941 den Kampf aufnehmen, bekämpfen die Cetnici die KommunistInnen
und werden dafür aus Italien unterstützt. Letztendlich aber konnten
sich die Kommunistlnnen trotzdem gegen die Ustascha durchsetzen. Am 5.5.
1945 flüchteten Pavelic, sein Innenminister, der Bischof von Banja
Luka, der Erzbischof von Sarajewo und mehr als tausend weitere KriegsverbrecherInnen.
Pavelic wurde von den britischen Besatztugstruppen festgenommen, aber wieder
freigelassen. Er starb 1959 in einem deutschen Krankenhaus im frankistischen
Spanien.
Jugoslawien nach dem 2.Weltkrieg
In
Jajce bildet sich bereits 1943 unter der Präsidentschaft Titos eine
provisorische Regierung. Der Exilregierung in London, die den Cetnik-Führer
Mihailovic zum Kriegsminister gemacht hat, werden alle Befugnisse abgesprochen.
Am 29.11.1945 wird die Monarchie offiziell abgeschafft und die “Föderative
Volksrepublik Jugoslawien” ausgerufen, die aus den Teilstaaten Serbien,
Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Macedonien und Montenegro besteht. Innerhalb
Serbiens gibt es noch die autonomen Gebiete Vojvodina und Kosovo-Metohija.
Die von der Kommunistischen Partei geführte Volksfront kann bei den
Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung einen großen Erfolg erringen.
Alle Unternehmen wurden verstaatlicht.
Die jugoslawische KP wehrt sich erfolgreich gegen die Einmischungsversuche
Stalins. Eine vom bulgarischen Staatschef Dimitrov und Tito ausgehende
geplante Osteuropäische Föderation, der auch Albanien, Polen,
die Tschechoslowakei, Ungarn und eventuell Griechenland beitreten sollten,
kommt auf Druck Stalins nicht zustande. Unzufrieden über die zu große
Selbsständigkeit der Staaten statutiert Stalin an Titos Jugoslawien
ein Exempel. Der Staat wird unter dem Vorwand ideologischer Abweichungen
aus der Kominform - der Nachfolgeorganisation der Komintern - ausgeschlossen
und wirtschaftlich isoliert. In den anderen realsozialistischen Staaten
wurden führende, unliebsame Kommunistlnnen als Titoisten verfolgt.
Jugoslawien erhält wirtschaftliche und militärische Unterstützung
von den USA, der BRD und anderen westlichen Staaten, läßt sich
aber nie ganz in den Westen integrieren. Innerhalb des Staates herrscht,
was die wirtschaftliche Situation anbelangte, ein starkes Nord-Süd-Gefälle
zwischen den entwickelten Gebieten wie Slowenien und Kroatien und weniger
entwickelten wie zum Beispiel dem Kosovo. Ab Mitte der 60er Jahre setzt
eine starke Abwanderung von Arbeiterlnnen aus den industriellen Gebieten
nach Westen ein, woraufhin zahlreiche Menschen aus den ärmeren Gebiete
in die industriell entwickelten umsiedelen.
Kroatische Nationalistlnnen protestieren gegen die Hilfen der Regierung
für unterentwickelte Regionen, weil dadurch Kroatien “wirtschaftlich
ausgebeutet” werde. Die kroatische Parteiführung setzt sich sogar
an die Spitze dieser Bewegung. 1971 wird aufgrund dieser nationalistischen
Spannungen ein paritätisch nach den Republiken besetztes Parteipräsidium
geschaffen und gleichzeitig Tito zum Präsidenten des Präsidiums
auf Lebzeiten ernannt. Trotzdem werden Stimmen nach einer eigenen kroatischen
Armee laut. Tito greift ein und setzt die kroatische Parteispitze
ab. 1974 wird eine neue Verfassung angenommen, durch die die Selbstverwaltungen
ausgebaut werden und die den Provinzen Vojvodina und Kosovo den Status
von autonomen Provinzen” verleiht.
Von der Verschärfung der Krise zum Erstarken des Nationalismus
Schon vor dem Tod Titos im Mai 1980 steigen die wirtschaftlichen Probleme
Jugoslawiens zunehmend. Danach sollte sich die Situation noch weiter zuspitzen.
Anfang der 80er Jahre beträgt die Inflation bereits 40 Prozent, die
Auslandschulden rund 20 Milliarden US-Dollar (etwa zur selben Zeit kam
es in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, zu nationalistischen Demonstrationen,
bei denen elf Menschen getötet wurden). Ein Programm des Internationalen
Währungsfonds verschärft die soziale Situation zusätzlich.
Der Reallohn geht in nur sechs Jahren, bis 1986 um bis zu 40 Prozent zurück,
die Produktivität sinkt in den Keller. Anfang 1986 beträgt die
Inflationsrate etwa 100 Prozent, Anfang 1987 verfügte die Regierung
das Einfrieren der Löhne.
In dieser Situation bekommt der Nationalismus in Jugoslawien an allen
Ecken und Enden Aufwind. Aus Slawlnnen wurden plötzlich unterschiedliche
“Rassen” oder “Völker”: “Kroaten, Serben, Moslems”. In der serbischen
Parteiführung setzt sich 1987 Milosevic mit seinem nationalistischen
Kurs gegen den als liberal geltenden Republikpräsidenten Stainbolic
durch. Im Dezember 1989 beginnt ein innerjugoslawischer Handelskrieg. Serbien
belegt slowenische und kroatische Waren mit Sondersteuern, Kroatien verlangt
Sondersteuern von Serblnnen, die Ferienhäuser an der Adria besaßen,
Slowenien stellt seine Zahlungen an den Republikenfinanzausgleich ein.
Die Kommunistische Partei zerfäll 1991 in einzelne Republikorganisationen.
Im Januar 1991 beginnen in Kroatien schwere Unruhen, ein knappes halbes
Jahr später, an 25.6. beginnt mit der Ausrufung der Souveränität
Sloweniens und Kroatiens der Zerfall Jugoslawiens - und der Krieg.
Kroatien: Mit Deutschtands Hilfe zum neuen Ustascha-Staat
Die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens
Am
25.6.1991 erklären Slowenien und Kroatien einseitig ihre Unabhängigkeit
von der jugoslawischen Föderation. Zuvor hatte in dem zu 95% von
SlowenInnen bewohnten Gebiet ein Referendum stattgefunden, in dem allerdings
auch nur diese stimmberechtigt waren. Was das für die wenigen Nicht-Slowenlnnen
angesichts der nationalistischen Mobilisierung bedeutet, ist offensichtlich.
Bereits in den 80er Jahren wurden dort Arbeitsgesetze erlassen, die auf
einen Schlag alle Nicht-Slowenlnnen zu Ausländern mit minderen Rechten
erklärte: Sie verloren rechtswidrig ihren gesamtjugoslawischen Anspruch
auf eine Wohnung, auf Aus- und Fortbildung und soziale Sicherung. Heute
wird in Slowenien der Anschluß an Osterreich diskutiert, was Rechtsradikale
wie Jörg Haider freudig unterstützen.
In Kroatien lebten vor dem Krieg knapp 5 Millionen Menschen, davon 78%
Kroatlnnen, 12% Serblnnen und je 1% Moslems, Slowenlnnen und UngarInnen.
Die “Kroatische Demokratische Gemeinschaft” (HDZ) erringt unter Führung
des ehemaligen Generals Tudjmann im April 1990 bei Parlamentswahlen die
absolute Mehrheit und bildet eine kroatische Nationalgarde. Daraufhin proklamieren
die in der Krajina lebenden SerbInnen das “Autononie Gebiet Krajina”. Durch
die Erfahrungen der Ustascha-Zeit hatten die Serbinnen allen Grund, eine
kroatische regierte Krajina zu fürchten. In der seit über 400
Jahren von Serblnnen bewohnten Krajina metzelte die Ustascha am grausamsten.
Aber auch die antisemitischen und der Ideologie der Ustascha folgenden
Vorstellungen Tudjmanns, die enge Zusammenarbeit der HDZ mit internationalen
neonazistischen SöldnerGruppen sowie die alltäglichen Diskriminierungen
geben den Serblnnen allen Grund, sich vor einer kroatischen Herrschaft
auf der Krajina zu fürchten (s.u.). Entsprechend entscheidet sich
die überwältigende Mehrheit der Krajina-Serblnnen für eine
Loslösung von Kroatien und für den Ansch1uB an Serbien.
Im Dezember 1990 verabschiedet das kroatische Parlament eine neue Verfassung,
in der die den Serblnnen bisher zugestandenen Minderheitenrechte eingeschränkt
werden. Das Schachbrett-Wappen der Ustascha wird zum nationalen Hoheitswappen,
etwa vergleichbar wäre die Ersetzung des Bundesadlers durch das Hakenkreuz.
Im Gegenzug kostituiert sich die “Serbische Republik Krajina”. Im März
1991 marschieren erstmals Truppen der kroatischen Nationalgarde in der
Krajina ein und es kommt zu ersten Kämpfen mit der vom serbischen
Belgrad aus geführten jugoslawischen Bundesarmee. Zwischen 250.000
(kroatische Angaben) und 350.000 (serbische Angaben) Serblnnen flüchen
in dieser Zeit aus der Krajina.
In
dieser schon eskalierten Situation beginnt Deutschland, auf diplomatischem
Weg aktiv einzugreifen. Während sich darnals noch die USA, England
und Frankreich bemühen, den Zerfall Jugoslawiens zumindest hinauszuzögern,
um Verhandlungslösungen zu finden - nur so wäre eine Internationalisierung
des Konflikts vermeidbar gewesen -, macht Außenminister Genscher,
unter massiver Unterstützung der deutschen Medien, Druck auf die EG,
Kroatien und Slowenien anzuerkennen. Das “Selbstbestimmungssrecht der
Völker” steht im neu erwachten Großdeutschland auf der Tagesordnung,
wohlwissend, daß diese Forderung im damaligen Jugoslawien unausweichlich
zum Bürgerkrieg führen wird. Das haben alle Beobachterlnnen gewußt.
Das Ziel ist eindeutig: Dem neuen Deutschland werden durch ein schwaches,
auseinanderfallendes Jugoslawien auf dem Balkan Tür und Tor geöffnet.
Kroatien, mit dem die agressiven deutschen Außenpolitiker bereits
zu Zeiten des Nationalsozialismus gute Erfahrungen gemacht haben, soll
als Statthalter in der Region die deutsche Interessen durchzusetzen helfen.
Und auch das Feindbild ist klar: “Die Serben”, die mit der Zentralregierung
in Belgrad versucht haben, Jugoslawien als Gesamtstaat zu erhalten. Zum
Feind wird damit auch indirekt wieder die russischen Machthaber, die traditionell
die serbischen Interessen vertreten, allein, weil sie sie als die ihren
westlich des Balkangebirges ansehen.
Durch die Androhung, nötigenfalls auch im Alleingang Slowenien
und Kroatien anzuerkennen, kann sich Deutschland in der EU durchsetzen.”Ein
grosser Sieg für die deutsche Politik”, meinte Kohl damals.
Im Nachhinein wird diese Entscheidung von verschiedenster Seite hart
kritisiert. “Es lag im Interesse der EG-Solidarität, daß Briten
und Franzosen dem deutschen Beispiel - wenn auch zögernd - folgten.
Erst kürzlich hat Präsident Mitterand wieder bedauert, daß
die Republiken anerkannt worden sind, ehe eine Verständigung über
das Schicksal der Minoritäten erreicht worden ist”, so die “Zeit”
vom 31. Juli 1992. Selbst der mittlerweile zum aktiven Kriegstreiber mutierte
Grüne Joschka Fischer gestand im Sommer diese Jahres ein: “In einer
Mischung aus laut vorgetragenem Moralismus, mehr oder weniger eingestandenen
historischen Präferenzen, die eindeutig in Richtung Kroatien und Slowenien
und gegen Serbien gingen sind dem erstmaligen Versuch des vereinigten und
wieder voll souverän gewordenen Deutschlands, eine eigenständige
Außenpolitik zu betreiben, setzte Deutschland schliesslich die internationale
Anerkennung Kroatiens und Sloweniens durch, ohne daß die Bedingungen
der friedlichen Trennung der früheren jugoslawischen Teilstaaten durchverhandelt
worden waren”. Die zögerliche Haltung Frankreichs und Groß-Britanniens
führte Fischer allerdings auf einen, ihm unverständlichen “anti-deutschen
Reflex” zurück.
“Ohne Hilfe der Deutschen hätten wir nicht bis jetzt standhalten
können”, so Tudjmann im November 1991. Ermuntert durch die Unterstütztung
Deutschlands und auch Österreichs setzt Kroatien weiter auf Konfrontation
auf der Krajina. Im Februar 1992 wird zwar ein Waffenstillstand beschlossen
und 13.000 UNO-Blauhelme in Kroatien stationiert, ein Jahr später
aber bricht die kroatische Seite diesen Waffenstillstand erneut und dringt
in die Krajina ein. Im März und April 1993 verfasst die UNO zwei Resolutionen,
die das Gebiet zu kroatischem Staatsterritorium erklären. Die Probleme
der dort lebenden Serblnnen müßten laut UNO innerhalb des kroatischen
Staates gelöst werden. In den folgenden zwei Jahren bleibt die UNO
in Kroatien, bis am 12. Januar 1995 Tudjmann den Blauhelmen das Bleiberecht
kündigt.
Während in Genf über verschiedene Kompromißvorschläge
zur Beilegung des Krieges verhandelt wird, beginnt die kroatische Armee
Anfang August 95 ihre Operation “Gewittersturm”. Innerhalb von 48 Stunden
werden die serbischen Stellungen in der Krajina zerschlagen und große
Teile der Zivilbevölkerung in die Flucht getrieben. 90 Prozent aller
serbischen Dörfer sind nach Angaben der unabhängigen Helsinki-Gruppe
zerstört. Stolz darf sich Tudjmann im Fernsehen kurze Zeit später
als Eroberer der wiedergewonnenen Haupstadt der Krajina, Knin, feiern lassen.
War der serbische Bevölkerungsanteil bereits durch die Ustascha-Faschisten
von 28 auf 14 Prozent reduziert worden, so sind es jetzt, nach der Operation
“Gewittersturm” gerade noch 3 Prozent. Mehrere hundertausend Krajina-SerbInnen
befinden sich seither auf der Flucht. Von einem militärischen Eingreifen
der NATO, wie zwei Wochen später in Sarajewo gegen serbische Stellungen,
war von den westlichen Friedenssicherern kein Wort zu hören.
Nach Informationen der Zagreber Wochenzeitung Panorama konnte
Tudjmann sich auf seine Verbündeten verlassen: Ende Juli fanden Geheimgespräche
zwischen US-Außenminister Christopher, seinem deutschen Kollegen
Kinkel sowie Vertretern der kroatischen und bosnisch-muslimischen Regierung
statt, um einen Militärpakt vorzubereiten. Ein entsprechendes Abkommen
schlossen Zagreb und das bosnisch-muslimische Sarajewo schon am 22.Juli.
Eine Woche später überschritten kroatische Verbände die
Grenze nach Bosnien und eroberten die Städte Glamoc und Grahovo im
Hinterland von Knin, eine Woche später war Knin erobert.
Mit deutschen Waffen und neonazistischen Helfern ...
“Man
könnte die Errichtung von Hitlers neuer europäischen Ordnung
sowohl aus der Notwendigkeit, die Juden zu beseitigen, als auch als nachträgliche
Korrektur der französisch-britischen Sünde des Versailler Vertrages
rechtfertigen”. Franco Tudjmann, derzeit kroatischer Präsident, macht
aus seiner rechtsradikalen und antisemitischen Einstellung keinen Hehl.
In seinem Buch “Wasteland- Historical Truth” relativiert er die Verbrechen
der Ustascha. Im KZ Jasenovac seien nicht hunderttausende, sondern “nur”
30.000 Menschen umgebracht worden. Bewußt bezieht sich der Faschist
positiv auf die Geschichte der Ustascha. Unmittelbar nach der Eigenständigkeit
Kroatiens wurde unter Führung seiner Partei ein “Heimatpass” eingeführt,
der das Recht auf soziale Leistungen auf ethnisch “echte Kroaten” beschränkte.
1992 wurde ein Gesetz vorgeschlagen, das die kroatische Frau auffordert,
3-4 Kinder für die Sicherung der “kroatischen Ethnie” zü gebären
und die Abtreibung verbietet.
Daß
eine solche Politik in den rechtsradikalen Kreisen Deutschlands auf grobe
Unterstützung trifft, liegt auf der Hand. Von der NSdAP/AO über die
Reps bis zu rechten CDUlern konnte Tudjmann mit Solidaritätsbekundungen,
Waffenlieferungen und dem Einsatz von Söldnern rechnen. Gemeinsam mit
der noch rechteren Organisation “HSP” und deren militärischem Flügel
“HOS” kann Tudjmann auf ein breites Arsenal internationaler Nazis zurückgreifen.
So soll die in der “HOS” kämpfende “Schwarze Legion” von einem ehemaligen
Offizier der NVA geführt werden. Mindestens 30 deutsche Militärausbilder
sind darin aktiv. HIAG, NSdAP/AO und VAPO machen sich in ihren Publikationen
für Kroatien stark. Sowohl Thomas Hainke aus Bielefeld aus der Kühnen-Truppe
“Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front” als Michel Faci Leloup, ehemaliger
Weggefährte Le Pens wurde auf der kroatischen Kriegsseite gesichtet.
Steven Gaunts aus Leeds, Mitglied der “National Front” und die schwedische
Faschistengruppe “Weiger arischer Widerstand” (VAM) verbreiteten Aufrufe,
um in Kroatien “für die weiße Rasse” zu kämpfen.
Schaltstelle für die Solidarität mit Kroatien ist die "Deutsch-Kroatische
Gesellschaft” (DKG) Hamburg und ihr Präsident Hans-Peter Rullmann,
ein ehemaliger Spiegel-Korrespondent in Belgrad, der den Pressedienst “Ost-Dienst”
herausgibt. Er beliefert das neurechte “Europa-Vorn”, das revanchistische
Ostpreussenblatt” und das internationale Militärmagazin “Barett” mit
Artikeln und Berichten und war wesentlich an der Gründung der “Gesellschaft
für kroatisch-deutsche Freundschaft” im Dezember 1991 in Zagreb beteiligt.
Der geläuterte Neonazi Althans bot im Mai 1992 der Weltpresse Fotos
für 5.000 Dollars zum Verkauf an, die “den Kampf neonazistischer Freiwilliger
in Jugoslawien auf seiten der kroatischen Streitkräfte dokumentieren”.
Als Kontakttelefon fungierte der Anschluß von Ernst Zündel
im Toronto. Ebenfalls in Toronto ansässig ist der “Kroatische Nationalrat”
(HNV). Der 1974 von Exilkroaten gegründete Verein ist seit jeher für
die Loslösung Kroatiens aus dem “unnatürlichen grosserbischen
Jugoslawien”. 15 Ortsgruppen des HNV arbeiten in Deutschland, die vom Stuttgarter
Kaufmann Petar Hinic koordiniert werden.
Wesentlich bedeutender als die neonazistische Unterstützung sind
allerdings die Waffenlieferungen, die trotz Waffenembargo über Ex-Jugoslawien
problemlos vonstatten gingen. Vermutlich gab es in den zurückliegenden
Jahren kaum ein Waffenembargo, dessen Einhaltung von den Rüstungsexportländern
so wenig befolgt wurde wie dieses. Zu einem kleinen Skandal führte
Ende August dieses Jahres eine Entdeckung von “monitor" Redakteuren: Sie
konnten kurz vor dem Krieg gegen die Krajina MiG-21-Kampfflugzeuge in Kroatien
filmen, die die Bundewehr abgerüstet hatte. Anstatt sie zu verschrotten,
sind sie in Kroatien gelandet und wurden dort zu Tudjmanns besonderem Stolz.
In einem in Dezember 1992 veröffentlichten “Defence and Foreign affairs
Stratetic Policy”-Papier wurden exemplarisch eine Reihe von Fällen
aufgeführt, die das Ausmaß der deutschen Waffenlieferungen
verdeutlichen sollten. Dort heißt es unter anderem : “Anfang März
1992: Das Kroatische Verteidigungsministerium kaufte 90 Militär-LKW
aus den überzähligen Beständen der Truppenteile der französischen
Armee in Deutschland über eine deutsche Firma.
Mit Unterstützung der ungarischen Regierung würden von der
dort aufgelösten Arbeitermilitz Mitte 1991 10.000 MP's, deklariert
als Polizeiausstattung, nach Kroatien geliefert. Auch die Christenmiliz
des Libanons liefern umfangreiches Kriegsmaterial, das offensichtlich über
Sürafrika und Deutschland in den Balkan gelangt ist. “Es ist
klar, daß das Wäffenembargo nicht funktioniert, Waffen kommen
aus vielen verschiedenen Gebieten stellte der UN-Sonderbeauftragte Cyros
Vance schon im Herbst 1991 fest, Nicht nur die deutsche, sondern die internationale
Rüstungsindustrie verdient sich auf dem Balkan durch Waffenverkäufe
an alle Seiten eine goldene Nase.
Die Republik Serbien
Serbien bildet mit Montenegro sozusagen den “Nachfolgestaat” des ehemaligen
Jugoslawiens. Bislang hat die Sozialistische Partei Serbiens (SPS) unter
der Führung Milosevic noch unangefochten die Macht in Serbien unter
sich. Diese Partei stammt noch aus der sozialistischen Geschichte Jugoslawiens,
allerdings verstand es Milosevic bestens, mit völkisch-serbischem
Gedankengut seine Stellung in dem Mehrparteiensystem zu sichern. Milosevic
war bereits vor dem Zusammenbruch Jugoslawiens darum bemüht, die
“serbische Idee” im Machtgefüge stärker zu etablieren. In der
serbischen Parteiführung kam es 1987 zu einem Machtkampf; bei dem
sich Milosevic mit seinem nationalistischen Kurs gegen den als liberal
geltenden Republikpräsidenten Stambolic durchsetzte. Die jugoslawische
Partei- und Staatsdoktrin sollte serbozentrisch aufgehoben werden. Deutlich
wird diese Linie in einem 1986er Memorandum der serbischen Akademie der Wissenschaften.
Das “serbische Volk” sei durch die "revanchistische Politik einer antiserbischen
Koalition” innerhalb der Kommunistischen Partei “systematisch und absichtlich”
benachteiligt worden. Die jugoslawische Idee wurde als eine Erfindung der
Komintem zur Zerstörung der “kulturellen und geistigen Einheit des
serbischen Volkes” denunziert. Es ist also naheliegend, daß Mitglieder
anderer Bevölkerungsgruppen, sei es Kosovo oder in Bosnien, unter
einer zentralen serbischen Führung unterdrückt werden.
Mit dem entsprechenden nationalistischen Parolen ausgerüstet, gingen
die serbischen Machthaber massiv gegen die Sezessionsbestrebungen der einzelnen
Regionen vor. Im Kosovo versuchte die serbische Regierung nach den ersten
Unabhängigkeitsbestrebungen, durch wirtschaftliche Anreize SerbInnen
anzusiedeln. 1989 trat in Serbien eine neue Verfassung in Kraft, die die
Autonomie des Kosovo erheblich beschränken sollte. Bei darauf folgenden
Demonstrationen gab es nach offiziellen Angaben 22 Tote und über 200
Verletzte. Die Tageszeitung der Kosovo-Albanerlnnen wurde von der serbischen
Regierung aufgelöst. Ein serbischer Polizeieinsatz verhinderte 1992
das Zusammentreten des frisch gewählten Parlaments.
Zu Beginn des Krieges in Bosnien-Herzegowina gab es in Serbien großen
Widerstand. Studentlnnen und Professorlnnen streikten, 100.000 gingen in
Belgrad auf die Straße. Vor allem aber hatte die Jugoslawische Volksarmee
mit Massendessertationen und Widerstand gegen die Einberufung zu Kämpfen.
Bis heute übrigens schiebt Deutschland serbische Kriegsdienstverweigerer
ab. Von Oktober 1991 bis zum Frühling 1992 gab es laut Informationen
des Berliner “Osteuropa-Archivs” ungefähr 50 Revolten von Reservisten
und es wird geschätzt, daß rund 55.000 Männer daran teilgenommen
haben. Als in einem Dorf in der Vojvoclina alle Männer die Einberufung
verweigern und die Frauen eine Resolution an die serbische Regierung richten,
in der sie die Rückkehr aller Einberufenen fordern, umzingelte das
Militär mehrere Tage lang mit 92 Panzern das Dorf - die Regierung fürchtete,
daß sich die Aktion auf weitere Dörfer und Städte ausweiten könnte.
Im Laufe des ersten Halbjahres 1992 marschierten Truppen der Jugoslawischen
Volksarmee in Nord- und Ostbosnien ein. Im Mai 1992 löste die Belgrader
Zentralregierung die JNA in Bosnien Herzegowina auf. Die Truppen, die sich
nicht in die bosnisch-serbische Armee unter General Mladic eingliedern
lassen, sollen in ihre Heimatrepubliken zurück kehren. In den folgenden
Jahren kam es immer wieder zu Widersprüchen zwischen der Politik
des Führers der bosnischen SerbInnen, Radovan Karadjie, und Milosevic.
Der serbische Präsident stellte sich nicht grundsätzlich hinter
den von Karadzic geführten Krieg - was ihn in Serbien Ärger mit
Ultranationalistlnnen einbrachte -, spielt aber bis heute eine zentrale
Rolle bei internationalen Friedensverhandlungen.
Nach dem Einmarsch 1992, der mit brutalen Übergriffen und der Vertreibung
der nicht-serbischen Bevölkerung begleitet war, hatten die serbischen
und bosnisch-serbischen Einheiten mehr als die Hälfte des Gebietes
von Bosnien Herzegowina unter Kontrolle, während die mittlerweile
in Sarajevo installierte Izetbegovic-Regierung die Kontrolle in den meisten
Regionen verloren hatte. Die bosnisch-serbische Führung rief in den
von ihr kontrollierten Gebieten einen eigenen Staat aus.
(Zur weiteren Entwicklung, v.a. der Rolle der bosnischen Serblnnen
verweisen wir auf den Artikel zu Bosnien-Herzegowina)
Der Krieg in Bosnien Herzegowina

Wenn schon in Kroatien historische Elemente ins Feld gezogen werden, um
Grenzsicherungen und “Selbstbestimmungsrechte” einzuklagen, entbehrt das
in Bosnien-Herzegowina jeglicher Grundlage. Bosnien ist eine multinationale
Region. Ein eigenständiger Staat außerhalb Jugoslawiens, der
auch noch “ethnisch” begründet wird, macht nicht einmal innerhalb dieser
Denkweise einen Sinn. Rund 44% Muslime, 31% Serblnnen und 18% Kroatlnnen
lebten dort vor dem Krieg. Diese drei Bevölkerungsgruppen waren über
die ganze Gegend miteinander vermischt. Die Serblnnen besaßen rund
60% des Landes, die Muslime waren auf die Städte konzentriert. Nachdem
sich ab 1989 in Kroatien der Nationalismus wieder stark machen konnte,
begannen auch bosnischen Muslime, ihre “Identität” in der islamischen
Bewegung wiederzuentdecken. Beides stellte eine Bedrohung für die
Serblnnen dar, sowohl in Form berechtigter Angst der serbischen Bevölkerung
vor rassistischen Angriffen - fast -ganz Bosnien-Herzegowina gehörte
zum damaligen Ustascha-Staat - wie auch als Einschränkung der Hegemoniebestrebungen
der Belgrader Regierung unter Führung des Nationalisten Milosevic
in der Region Bosnien- Hercegowinas.
1990 fanden in der Region die ersten Mehrparteienwahlen der Nachkriegszeit
statt, bei denen die verschiedenen ethnisch orientierten Parteien über
70% der Stimmen für sich verbuchen konnten. Da keine Partei eine
Mehrheit erlangen konnte, mußte die Republik aus einer Mehrparteienkóalition
aus Muslims, Kroatlnnen und SerbInnen regiert werden, wobei die Muslims
die stärkste Partei stellten. In der Folge begannen muslimische Nationalistlnnen,
auf die Schaffung eines ethnisch begründeten Staates zu drängen.
Sie wollten die Übereinstimmung der “ethnischen Nation” und “des Staates”.
Die bosnischen SerbInnen hingegen wollten Jugoslawien nicht verlassen.
Sollte es doch zu einer Unabhängigkeit kommen, wollten sie auf keinen
Fall einen Einheitsstaat, da dieser von einer Koalition von Muslims und
Kroatlnnen dominiert werden würde.
Die kroatische Regierung war mittlerweile zu einem taktischen
Bündnis mit den Muslims übergegangen - eine unheilvolle Allianz,
gab es doch zuvor heftigste kriegerische Auseinandersetzungen zwischen
Muslimen und KroatInnen. Tudjmann hatte sich zum Ziel gesetzt, zumindest
die, hauptsächlich von bosnischen Kroatlnnen bewohnte Herzegowina,
die im Westen an Kroatien grenzt, zu annektieren. Ebenso hatte auch die
serbische Regierung Interesse an einem möglichst großen Einfluß auf
bosnischem Boden.
Im Februar 1991 hatten sich Serbiens Präsident Milosesic und Kroatiens
Staatschef Tudjmann getroffen, um sich über die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas
zu verständigen - eine Option, die beide Staaten trotz der kroatischen
Unterstützung der muslimischen Regierung in Sarajevo bis heute im
Auge behalten hatten. Der Nordwesten sollte Kroatien, der Südosten
Serbien zugeschlagen werden. Dazwischen sollte eine muslimische Pufferzone
entstehen.
Nachdem allerdings im September des Jahres muslimische und kroatische
Parlamentarier die Region zur souveränen Republik erklärten,
proklamierten SerbInnen einige “serbische autonome Regionen”, richteten
eine parlamentarische Versammlung ein und erkannten die Gesetze Bosnien-Herzegowinas
in diesen Gebieten nicht an.
Zur gleichen Zeit drängten Deutschland und die USA ihre Verbündeten
zu einer Anerkennung jener Republiken, die aus der jugoslawischen Föderation
austreten wollten. Nachdem der deutsche Außenminister Genscher durch
Druck dieses Einverständnis in der EU durchsetzen konnte, beschlossen
muslimische und kroatische Mitglieder des bosnischen Präsidiums, die
staatliche Unabhängigkeit durchzusetzen, die serbisclien Mitglieder
weigerten sich, an der Abstimmung teilzunehmen. Im Januar 1992 stimmten,
gegen serbischen Einspruch, die muslimischen und Kroatischen Mitglieder
des Parlaments für die Abhaltung eines Referendums für die Unabhängigkeit,
das im Februar durchgeführt und von den SerbInnen boykottiert wurde.
Zwei Drittel der am Referendum Teilnehmenden sprachen sich für eine
Unabhängigkeit aus. Es kann also davon ausgegangen werden, daß
mit einer Teilnahme der Serblnnen keine Mehrheit zusammengekommen wäre.
Am 6. April, exakt 51 Jahre, nach dem zerstörerischen Bombardement
Belgrads durch die deutsche Luftwaffe, erkannte die EU Bosnien-Herzegowina
als unabhängigen Staat an, die USA einen Tag später. Damit spielten
die westlichen Staaten, vor allem Deutschland und die USA, eine wesentliche
Rolle bei der Ausweitung der Kämpfe. Am 10.5.1992 löst Belgrad
offiziell die Jugoslawische Volksarmee in Bosnien-Herzegowina auf. Die
international völlig widerrechtliche Anerkennung gab den muslimischen
Bestrebungen, ganz Bosnien zu beherrschen, erheblichen Rückenwind.
Die Schaffung des Staates zerteilte die Region, der neue Staat verfügte
über nicht mehr als 20% “seines” Territoriums. Dessen Chef Alija
Izetbegovic hat klare Vorstellungen über die Zukunft Bosnien-Herzegowinas.
Er will den autoritären islamischen Staat und ausdrücklich die
Abschaffung der Meinungs- und Pressefreiheit, hetzt gegen jüdische
Menschen und will Frauen auf die Rolle der Ehefrau und Mutter beschränken.
Auch sein Bild von Zusammenleben serbischer, kroatischer und muslimischer
Menschen in der Region ist eindeutig: “Wir sind uns als Volk genug. Das
multinationale Zusammenleben ist eine nette Sache, aber, das darf ich doch
ganz offen sagen, es ist doch eine Lüge. Ein Soldat stirbt nicht für
ein multinationales Zusammenleben, sondern verteidigt sein eigenes Volk”.
Während die imperialistischen Staaten in der Türkei jedes
Mittel akzeptieren oder gar unterstützen, um die kurdische Unabhängigkeitsbewegung
zu bekämpfen, wurden die Maßnahmen der jugoslawischen Regierung
und der bosnisch-serbischen Armee gegen den Separatismus der bosnischen
Muslime und Kroatlnnen gezielt zu propagandistischen Zwecken benutzt. Vom
selben Terror gegen die serbische Bevölkerung wurde nur wenig berichtet.
Gegen den Hauptfeind, “die Serben” sollte jedes Mittel recht sein. Allein
sie seien, glaubt mensch den deutschen Medien, verantwortlich für
den Krieg. Kein Wunder, schließlich stellen sie mit russischer Rückendeckung
auf dem Balkan die einzigste Macht dar, die den Großmachtplänen
Deutschlands und der USA einen Strich durch die Rechnung machen könnten.
Die schwache Izetbegovic-Regierung war allein nicht in der Lage, die
serbische Armee aus Bosnien-Herzegowina zu vertreiben, zumal diese auf
die gut gefüllten Waffenkammern der ehemaligen jugoslawischen Volksarmee
zurückgreifen konnte. Im Verbund mit Kroatien sah das natürlich anders aus.
Izebegovic selbst kann
zudem auf gute Verbündete in der Türkei, im Iran und in Saudi-Arabien
setzen, die den Staatschef mit grobzügigen Spenden unterstützen.
So kann Kriegsmaterial eingekauft werden.
Im Verlaufe des Krieges zwischen den verschiedenen nationalistischen
Kriegsparteien kam es immer wieder zu Versuchen, die Kämpfe auf diplomatischer
Ebene beizulegen. Ein im Mai 1992 erstellter Friedensplan, der die Macht
der muslimischen Regierung in Sarajewo schmälern und die Hauptfunktionen
der Staatsmacht auf die lokalen Ebenen verlagern sollte, scheiterte nach dem
Massaker in der Wasse-Miskin-Straße, das, von MuslimInnen verübt,
von den internationalen Medien den SerbInnen in die Schuhe geschoben wurde.
Das Blutbad von Sarajevo war auch der Anlaß für das Embargo
gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Der Plan der Kontaktgruppe von 1993,
der eine Kantonisierung Bosniens nach dem Schlüssel von 49:51 zu ungunsten
der SerbInnen vorsah, wurde von diesen abgelehnt, unter anderem, weil wichtige
industrielle Zonen der moslemisch-kroatischen Föderation zugeschlagen
wurden. (Serbien mußte schon mit der Abspaltung Kroatiens und,Sloweniens
auf die wichtigsten industriellen Zonen des ehemmaligen Jugoslawien verzichten).
Diese Ablehnung führte zu einer Eskalation des Bürgerkrieges.
Zunehmend
mischten sich die westlichen Mächte, letztendlich mit Hilfe der NATO
aktiv auf der Seite der bosnischen Muslime und KroatInnen in den Krieg
ein. Am 5. Februar 1994 explodiert auf dem Alimarkt von Sarajewo eine Granate,
Dutzende von Menschen wurden getötet. Schnell waren auch hier die
Schuldigen gefunden: die SerbInnen, obwohl sich die Unprofor von Anfang
an überhaupt nicht auf diese Aussage festlegen wollten, führte
der Anschlag zu einem ersten NATO Ultimatum an die bosnischen SerbInnen.
Knappe 3 Wochen später, am 28. Februar 1994 flog die NATO den ersten
Kampfeinsatz in der Geschichte ihres Bündnisses. Vier angeblich serbische
Flugzeuge die gegen das von der UNO verhängte Flugverbot
verstoßen hatten, wurden von amerikanischen F-16 Bombern abgeschossen.
Auch die seit September 1995 geführten Waffenstillstandsverhandlungen
waren begleitet von permanenten Kriegshandlungen. Während in Genf
ein neuer Friedensplan verhandelt wird, bombardieren NATO-Kampflugzeuge
bosnisch-serbische Stellungen rund um Sarajewo. Ziel sollte es sein, daß
die Serblnnen alle schweren Waffen aus einer 20 Km-Zone um Sarajevo abziehen.
Begründung: Bei einem Granatenangriff auf den Marktplatz von Sarajevo
werden 33 Menschen getötet und 84 verletzt. Obwohl auch hier weltweit
zahlreiche Zweifel an der Urheberschaft des Angriffs bestehen, macht die
muslimische Regierung bosnische SerbInnen verantwortlich und fordert von
der NATO Luftschläge. Im Rückenwind agieren kroatische und muslimische
Streitkräfte weiter. Während sich die Außenminister der
muslimisch-bosnischen Föderation, Kroatiens und Serbiens auf die Anerkennung
der Föderation Bosnien-Herzegowina und der Serbischen Republik im
Verhältnis 51:49 einigen, kündigt Izetbegoviv an, seine Armee
werde “nicht einen Schritt von einer Stellung weichen”. Unmittelbar vor
dem Waffenstillstand versuchen beide Kriegsparteien, durch möglichst
grosse Gebietsgewinne ihre Verhandlungsbasis zu stärken.
radikal 156: Gedanken zum Krieg gegen Jugoslawien
radikal 156: Der Krieg und die deutsche Linke
|