Massaker auf Bestellung
Der Titel dieses Beitrags deutet bereits auf eine kritische
Auseinandersetzung mit den offiziellen Nachrichten hin.
Denn auch für einen Krieg gegen Jugoslawien musste die
Zivilbevölkerung der Nato-Länder dazu gebracht werden,
den Wunsch nach einer Kriegsbeteiligung zu hegen und den
Einsatz von Truppen einzufordern. Hierzu diente u.a. das
sogenannte "Brotschlangenmassaker" vom 27. Mai 1992, bei
dem angeblich serbisches Artilleriefeuer mindestens 20
Menschen auf einem Markt in Sarajevo tötete. Drei Tage
später beschloss der UNO-Sicherheitsrat ein Embargo gegen Jugoslawien.
Anschließend auftauchende Zweifel bezüglich der Täter, nämlich
die zufällige?! Anwesenheit eines bosnischen Fernsehteams, die
Tatsache, dass es sich bei den Toten überwiegend um Serben
handelte, nicht vorhandene Granateinschläge usw. änderten
nichts an der internationalen Isolation Jugoslawiens.
Auch der erste Kriegseinsatz der Nato seit ihrer Gründung
sowie der erste Kampfeinsatz von US-Truppen auf europäischem
Boden seit 1945 hatten ein Massaker als Auslöser: Am 5. Februar
1994 wurden 68 Menschen durch eine Mörsergranate in Sarajevo
getötet und ca. 200 verletzt. TV-Sarajevo und CNN meldeten
übereinstimmend sofort, dass es sich um eine serbische
Granate gehandelt habe, und für Clinton lag es bereits
zwei Tage später "auf der Hand, dass mit größter
Wahrscheinlichkeit die Serben verantwortlich sind" (1).
Eine unabhängige Untersuchung der Tathergänge fand nicht
statt. Während die nichtdeutsche Presse offen die
Beteiligung bosnischer Serben an dem Attentat aufgrund
verschiedener Hinweise bezweifelte, begann hier die
totale Kriegspropaganda. So titulierte die FAZ "Wann,
wenn nicht jetzt?", "Rufe nach Schlägen gegen die
serbischen Belagerer", und die FR fragte "Wie lange
noch?" Während die taz intellektuell verbrämt konstatierte:
"Luftangriffe auf serbische Stellungen machen vor allem
psychologisch Sinn", brachte es die BILD für einfachere
Gemüter auf den Nenner: "Bombt die Mörder nieder!".
Ein weiteres Attentat in Sarajevo am 28. August 1995 führte
zwei Tage später zur Erfüllung des von Cohn-Bendit im Frühjahr
desselben Jahres gehegten Wunsches "Zuerst wird Pale bombadiert
und dann..." (2): Nato-Geschwader bombardierten tagelang die
"Republika Srpska". Auch, dass u.a. zwei Republikaner des
US-Senats die Anschuldigung gegen serbische Täter
öffentlich zurückwiesen, hatte keinerlei Auswirkungen
mehr auf die geschickt herbeigeführte Kriegsbereitschaft
der Deutschen.
Nun zum Fall Srebenica, der aktuell wieder Schlagzeilen macht,
denn seit dem 13.3.00 steht Radislav Krstic vor dem Den Haager
Kriegsverbrechertribunal. Der bosnisch-serbische General wird
wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und
Vertreibung angeklagt, da er als Stabschef des "Drina-Korps"
entscheidend an dem Vorgehen in Srebenica am 13. Juli 1995
mitgewirkt haben soll. Vielleicht klären sich jetzt die
Widersprüche zwischen angeblich 6 bis 8.000 Toten, die die
moslemische Regierung bzw. das Tribunal beklagt, und den
holländischen Blauhelm-Soldaten, die keinerlei Gräueltaten
beobachtet hatten bzw. dem IKRK (Internationales Rotes Kreuz),
das in seinem Memorandum feststellt: "Mehrere 1.000 der vermissten
Soldaten erreichten Zentralbosnien" (3).
Obwohl zahlreiche Materialien ernstzunehmender Quellen existieren,
die die Horrorversion von Srebrenica deutlich in Frage stellen, ist
es schwierig, eine eindeutige Aussage bezüglich des tatsächlichen
Ablaufs zu machen. Jedoch sollte bei der Einschätzung der offiziell
aufgetischten Daten und Infos folgendes berücksichtigt werden:
- Zu den Vorgänge in Srebenica und Umgebung haben seit Frühjahr
1992 mehrere Journalisten die Vorgeschichte Srebenicas recherchiert.
So soll das serbische Siedlungsgebiet um Srebenica und Bratunac seit
April ´92 durch moslemische Truppen blockiert worden sein, um einen
moslemisch dominierten Staat innerhalb Bosniens zu schaffen. Bei der
anschließenden moslemischen Großoffensive sollen 50 serbische Dörfer
dem Erdboden gleich gemacht worden sein. Über die mehr als 1200
massakrierten serbischen Zivilisten und 3000 Verletzten wird in
der westlichen Presse jedoch erst ab 1995 berichtet (BBC, Misha
Glenny; Joan Hoey; The Times; etc.).
- Louise Arbour, die oberste Strafverfolgerin des Den Haager
Kriegsverbrechertribunals, gab Ende ´98 in einem Spiegel-Interview
zu, dass noch immer keine eindeutigen Beweise vorlägen, um
die serbische Seite zu belasten.
- "Das Massaker von Srebenica beeinflusste die Haltung der
internationalen Gemeinschaft zu Serbien. Mit Nato-Hilfe kam
es einen Monat später zu Gegenangriffen der kroatischen
Truppen in Kroatien und im September zusammen mit
bosnischen Truppen in Bosnien-Herzegowina. Die
serbischen Armeen büßten große Gebiete ein, die
Belgrader Führung stimmte schließlich im November
1995 dem Dayton-Abkommen zu, das den Krieg in Bosnien-Herzegowina
beendete." (4) Diese klaren Erkenntnisse bezüglich des engen
Zusammenhangs von Massakern und dem Kriegsverlauf stammen
von dem als "Serbenfreund" unverdächtigen Erich Rathfelder
von der taz.
Racak
Nun zu den Ereignissen von Racak, die u.a. als Rechtfertigung
für die Auslösung des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien dienten.
Im folgenden werden die Racak-Version der OSZE-Newsletter
(5) vom Januar ´99 und die im nachhinein auftauchenden
Varianten und Zweifel gegenübergestellt: "Der ernsthafteste
Zwischenfall im Januar seit der Feuerpause im Oktober
´98 geschah am 15. Januar im Dorf Racak. Das Massaker
von Racak wird lange als ein Schlüsselereignis im
Kosovokonflikt erinnert werden; es war sicherlich
ein entscheidender Moment für die Beobachterkommission
der OSZE. Am 16. Januar gingen Beobachter-Teams zum Dorf
Racak in der Nähe von Stimlje." Als sie in Racak ankamen,
entdeckten sie 36 Körper (später wurden 45 bestätigt),
wovon 23 in einem Graben lagen. Nach der Stellungnahme
von Kommissionsleiter Walker, der den Ort besichtigte,
waren "viele der Opfer ältere Menschen, viele aus nächster
Nähe erschossen, die meisten von hinten oder vorn in den
Kopf." Walker erzählte bei einer Nachrichtenkonferenz:
"Ich habe nicht die Worte, um meine persönliche Abscheu
zu beschreiben, oder all derjenigen, die bei mir waren,
angesichts dessen, was man nur als unaussprechliche
Grausamkeiten beschreiben kann... Obwohl ich kein
Jurist bin, nachdem, was ich persönlich sah, zögere
ich nicht, dieses Ereignis als ein Massaker, ein
Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beschreiben.
Noch zögere ich, die Sicherheitskräfte der Regierung
ihrer Verantwortung zu beschuldigen." Walker forderte
eine Untersuchung durch das Den Haager Kriegsverbrechertribunal.
Am 18.Januar wurde Walker durch den Außenminister der Republik
Jugoslawien Jovanovi zur persona non grata erklärt und sollte
das Land innerhalb von 48 Stunden verlassen. Am 20.Januar
erklärte die OSZE-Troika (die Außenminister Vollebaek aus
Norwegen, Wolfgang Schüssel, Österreich und Bronislaw Geremek,
Polen), dass die Entscheidung, Walker auszuweisen, "völlig
inakzeptabel" sei und dass "Jugoslawiens Autoritäten ihre Entscheidung,
Walker auszuweisen, zurücknehmen und voll mit der OSZE kooperieren müssen".
Sie fügten hinzu, "die Morde in Racak und der Unwille der jugoslawischen
Führung, mit der OSZE zusammenzuarbeiten, stellt einen ernsten Fall von
Nichterfüllung der UN-Resolution und der Abmachungen, die zwischen
Minister Geremek und Minister Lovanovic unterschrieben wurden, dar."
Diesem OSZE-Newsletter-Bericht stehen nun folgende
Beobachtungen gegenüber:
- Die New York Times beruft sich auf einen anonymen
Repräsentanten der US-Regierung, wenn sie darauf verweist,
dass die Außenministerin Albright bereits einen Tag vor den
Ereignissen in Racak Informationen darüber besaß. Sie erklärte,
dass das Abkommen vom Oktober ´98 über die Beruhigung der Lage
in Kosmet (Kosovo-Metohien) "jeden Moment" gebrochen werden könne.
- Le Figaro hinterfragt am 20.1. in seinem Leitartikel
die Darstellung Walkers, da zu der serbischen Polizeiaktion
gegen die Hochburg der UCK in Racak ein Fernsehteam von AP-TV
und OSZE-Beobachter eingeladen wurden, von denen nicht über
ein Massaker, sondern über Kämpfe berichtet wurde.
Die Filmaufnahmen zeigen ein fast leeres Dorf, einen
starken Schusswechsel, den Ausbruchsversuch der
eingekesselten UCK-Kämpfer und intensive Kämpfe
auf den Hügeln oberhalb des Dorfes.
- Die am folgenden Tag eintreffenden Journalisten wurden
von den UCKlern, die bereits am Morgen das Dorf zurückerobert
hatten, direkt zum Graben mit den 40 Leichen in Zivilkleidung
geführt. Wieso war dieser Graben den Bewohnern, den
OSZE-Beobachtern und dem Fernsehteam am Tag zuvor
entgangen? Wieso fanden die Journalisten kaum Patronen
und wenig Blut beim Schauplatz, wo doch angeblich 23
Personen mit Kopfschüssen getötet wurden?
- Untersuchungen, die Licht in die Vorgänge bringen würden,
werden geheimgehalten, denn, wie die Herald Tribune schreibt:
"Ein westlicher Regierungsbeamter sagte, dass die deutsche
Regierung das finnische Team angewiesen habe, die Zusammenfassung
ihrer Untersuchung nicht zu veröffentlichen." Helen Ranta, die
Leiterin des finnischen Untersuchungsteams: "Es gab Druck von
verschiedenen Seiten." "Grundsätzlich habe ich in der Racak-Zeit
meine Instruktionen vom deutschen Außenministerium bekommen.
Botschafter Christian Pauls hat mich kurz vor der Pressekonferenz
instruiert." (6)
- Und wer ist dieser Walker? 1985 wurde er stellvertretender
Staatssekretär für Zentralamerika. Unter Reagan war er für die
Operation zum Sturz der Sandinistas in Nicaragua verantwortlich
(Stichworte: Oliver North, Waffenlieferungen über Ilopango in El
Salvador für die Contras etc.). Von 1988-92 war er US-Botschafter
in El Salvador, wo er von Jesuiten im Zusammenhang mit einem
Überfall von Todesschwadronen auf eine Universität und mit der
Ermordung von sechs Priestern erwähnt wurde. Während seiner
Botschafterzeit sprach Walker von 50 Militärberatern in El
Salvador, jedoch bezeugte die Washington Post ´96, dass er
einer Feier von 5.000 geheimen US-Kämpfern aus El Salvador
beiwohnte. Für einen unabhängigen Beobachter nicht gerade
sehr vertrauensvoll ... (7)
Einige bürgerliche Medien und weite Kreise des öffentlichen
Lebens äußern ein Jahr nach den Bombenangriffen ihre Kritik
an der Darstellung bzw. Benutzung der Vorgänge in Racak durch
die Bundesregierung und insbesondere die Minister Fischer und
Scharping harsche Kritik. Dagegen tun sich die AnhängerInnen
der These, dass das Wesentliche der Krieg in Jugoslawien sei
(was die Kriegslegitimation indirekt bestätigt), noch immer
schwer damit, das Racak-Massaker als nützliche Propaganda zu
enttarnen und somit ihre These zu hinterfragen. So ist z.B.
die Hauptthese des im November 1999 im ak erschienenen Artikels
"Racak- Mutation eines Massakers" (8), dass ZweiflerInnen an der
offiziellen Racak-Version "Linke Verschwörungstheorien" bzw.
"serbische Propaganda" verbreiten würden.
Abgesehen von diesen "Massakern", bei denen ein direkter
Zusammenhang mit konkreten Krisenverschärfungen zu sehen
ist, wurde während des gesamten Krieges immer wieder auf
die systematische und massenhafte Vernichtung von kosovo-albanischen
Zivilisten durch jugoslawische Sicherheitskräfte hingewiesen.
Bis dann endlich am 22.3.99 der britische Premier Tony Blair
vor dem Unterhaus sagen konnte: "Wir müssen handeln, um Tausende
von unschuldigen Männern, Frauen und Kindern vor der humanitären
Katastrophe zu retten, vor dem Tod, vor der Barbarei und vor der
ethnischen Säuberung durch eine brutale Diktatur."
Jedoch bereits vier Monate nach Beginn des Krieges stellte der private
amerikanische Nachrichtendienst Stratfor Intelligence einen
Zwischenbericht vor, der den zehntausendfachen Massenmord in
Frage stellte. Hierfür wandte er eine ungewöhnlich scheinende
Methode an: Stratfor Intelligence verglich die Zahl der
tatsächlich gefundenen Leichen mit der Zahl der behaupteten
Toten. Systematisch werden Berichte von Flüchtlingen oder
Mitgliedern der KFOR-Truppen aufgenommen und von ICTY
(Internationales Tribunal für Kriegsverbrechen in der
ehemaligen Republik Jugoslawien) an Ort und Stelle überprüft.
Auch wenn die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind,
besteht der Zwischenbericht darauf, dass die angeblich 10.000
Ermordeten wohl kaum jemals gefunden werden. Z. B. hat ein
spanisches Team, das auf 2.000 Autopsien vorbereitet war,
lediglich 187 Leichen in Einzelgräbern gefunden.
(9)
Auch an der von der taz entworfene "Topographie des Schreckens"
(erschreckende Parallelität!) mit ihren behaupteten Massakern sind
arge Zweifel aufkommen, da selbst bei den dort genannten Zahlen nur
gut 10% der behaupteten Toten bislang gefunden wurden.
(10)
27. Mai 1992 |
Brotschlangenmassaker, Sarajevo |
30. Mai 1992 |
Embargo durch UNO-Sicherheitsrat |
05. Febr. 1994 |
Marktplatz in Sarajevo |
28. Febr. 1994 |
1. NATO-Kriegseinsatz |
28. Aug. 1995 |
Marktplatz in Sarajevo |
30. Aug. 1995 |
NATO bombardiert Srpska |
13. Juli 1995 |
Srebenica |
21. Nov. 1995 |
Abkommen von Dayton |
16. Jan. 1999 |
Racak |
24. März 1999 |
NATO-Krieg gegen Jugoslawien |
Zusammenfassend kann festgestellt werden,
dass auf jedes Massaker stets Verschärfungen
in Hinblick auf einen Nato-Angriffskrieg erfolgen.
Wird jedoch die Arbeit der PR-Agenturen und der Medien
allgemein berücksichtigt, so können diese Pfeile auch
umgedreht werden, d.h. wenn die NATO-Länder bestimmte
Ziele verfolgen -auf die in den folgenden Beiträgen eingegangen wird-
und dazu ein Krieg in Jugoslawien dienlich ist, dann werden die
entsprechenden Bedingungen geschaffen, indem vorhandene Konflikte
verschärft bzw. sogar neu kreiert werden.
Quellen:
(1) Neue Staaten, neue Kriege, H. Hofbauer, in: Balkankrieg, Hannes Hofbauer (Hg.), Wien, 1999. [back]
(2) Leichen auf Bestellung, H. Pankow, in: Konkret 8/99 [back]
(3) In unseren Himmeln kreuzt der Fremde Gott,
Alexander Dorin (Hg.), Juni 1999. [back]
(4) General wegen Morden von Srebenica vor Gericht,
Erich Rathfelder, in: taz v. 13.3.00. [back]
(5) nach: Walker:"KVM is Making a Difference" in:
OSCE Newsletter, Vol.6 no.1, January 1999, von der Autorin übersetzt. [back]
(6) "Fragen Sie mich das nicht", Interview mit H.
Ranta in: Jungle World vom 18.8.99. [back]
(7) vgl.: Wie Dr. Fischer lernte, die Bombe zu lieben,
Klaus Bittermann, Thomas Deichmann (Hg.).
Geheim, Nr. 1/1999, "Massaker von Racak":
Durchsichtige Manipulation, bestellte Provokation,
Klaus Hartmann; jw vom 18.3.00.
Massaker oder Manöver, in jw vom 27.1.99.
Virtuelle Massengräber, Rainer Rupp, in: jw vom 6.7.99 [back]
(8) Racak - Mutation eines Massakers, Peter Wuttke,
in: ak 432 v. 18.11.1999. [back]
(9) vgl.: jw, 28.10.99, "Wo sind die Todesfelder im Kosovo" [back]
(10) vgl.: jw, 29.10.99, "Weit unter den Erwartungen";
taz, 17.6.99, Eine Topographie des Schreckens. [back]
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