Das Gegeninformationsbüro entstand vor einem Jahr,
als der NATO-Angriff gegen Jugoslawien begann. Die Leute, die sich damals spontan zusammengefunden haben, hatten zunächst nur eine Gemeinsamkeit: Das Entsetzen darüber, dass dieses Land sich nach 50 Jahren wieder an einem Angriffskrieg beteiligt. Gegen ein Land, das in diesem Jahrhundert schon zweimal Opfer deutscher Aggression wurde. Bei dem Versuch, eine Position gegen diesen Krieg zu artikulieren, stießen wir von Anfang an auf das Problem, dass jahrelange Propaganda gegen "die Serben" und die Undurchsichtigkeit der Ereignisse des 10-jährigen Bürgerkriegs in Jugoslawien bis in die Linke hinein ihre Wirkung nicht verfehlten. Wie aber auch sollten wir gegen den NATO-Einsatz Position beziehen? Angesichts der täglichen Meldungen über Massaker, ethnische Säuberungen, Vertreibungen, Apartheidspolitik des serbischen Regimes etc.? Die Medien verbreiteten fast ausnahmslos gleichlautend immer schrecklichere Horrormeldungen über das Vorgehen der jugoslawischen Armee und serbischer Banden. Nur wenige ausländische Medien meldeten Zweifel an dieser massiven Kriegsrechtfertigungspropaganda an. Dabei gab es zahlreiche offensichtliche Widersprüche in den Darstellungen. Von Anfang an war es ein Problem einzuschätzen, was an den Meldungen wahr oder falsch, übertrieben oder verzerrt ist. Es ist und bleibt eine Sisyphus-Arbeit nachzurecherchieren, woher eine Information kommt, was da dran sein kann oder mit welchem Interesse sie verbreitet wird. Im Nachhinein ist manches einfacher, weil hinterher manche Medien, den demokratischen oder objektiven Schein wahrend, Teile ihrer eigenen Propaganda während des Krieges kritisch hinterfragen - allerdings ohne den grundlegenden Tenor dabei zu verändern. Trotz unserer intensiven Auseinandersetzung mit den Eckpfeilern der Propaganda haben wir keine endgültige und widerspruchsfreie gemeinsame Position gefunden. Außer der, daß wir diesen Überfall auf Jugoslawien als Verbrechen verurteilen. Unsere Auseinandersetzung mit den Geschehnissen in, um und gegen Jugoslawien spiegeln sich in den Referaten wider, aus denen sich ein Gesamtbild ergibt. Sie sollen einen Eindruck von dem vermitteln, wie - unter anderem - Propaganda gemacht wird und wie politische Entscheidungen beeinflusst werden. Auch wenn hinterher Meldungen relativiert, Falschmeldungen benannt und Widersprüche aufgedeckt werden, bleibt die Schwierigkeit zu erkennen, was wahr, was falsch und was neuerlich verdreht ist. Das führt dazu, dass ernsthafte Menschen überhaupt ein Problem haben, Positionen zu beziehen, die sie guten Gewissens vertreten können. Wer aber keine Position hat, ist nicht handlungsfähig. Womit ein Ziel der Propaganda so oder so erreicht ist. Nicht immer machen PropagandistenInnen ihren eigenen Standpunkt so deutlich wie die TAZ in ihrer Ausgabe vom 25.Juli 1988, als sie die rechtsradikale Parole vom "Vielvölkerkerker Jugoslawien" übernahm. Jugoslawien, Mitte der 80er Jahre mit 20 Milliarden Dollar und ständig sinkenden Exporterlösen hoffnungslos überschuldet, wurde für einen in Aussicht gestellten 400-Millionen-Dollar-Kredit vom IWF mit Forderungen nach sogenannten Strukturanpassungsmaßnahmen überzogen. Diese beinhalteten nicht nur die Forderungen nach Lohnstop, Aufhebung der Preisbindung, Schließung unrentabler und Privatisierung rentabler Betriebe, sondern auch die Forderung nach Einstellung der innerjugoslawischen Ausgleichszahlungen, insbesondere durch die "reicheren" Republiken Kroatien und Slowenien. Gegen diese restriktiven IWF-Auflagen kam es daraufhin in ganz Jugoslawien zu Massenstreiks und Demonstrationen hunderttausender Arbeiterinnen und Arbeiter. Unter anderem weil das Lohnniveau in Slowenien und Kroatien um das zweieinhalbfache höher war als in den anderen Republiken, entwickelten sich unterschiedliche Vorstellungen, wie die Wirtschaftskrise bekämpft werden könne. Sowohl das Bedürfnis der Menschen in Kroatien und Slowenien, ihren höheren Lebensstandard zu verteidigen, als auch das Gefühl vieler Menschen in den anderen Republiken, zu kurz gekommen zu sein, erweckte in ganz Jugoslawien nationalistische Tendenzen. Auch in Serbien, das seit Anfang der 80er Jahre mit dem verstärkten Terror separatistischer albanischer Gruppen zu kämpfen hatte, bekamen nationalistische Propagandisten Zulauf. Der Zerfall des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens kam in fast allen Republiken den Nationalisten zugute. Nur in Montenegro und Serbien gewann die Sozialistische Partei die Macht, allerdings nicht, ohne auf die dumpfen nationalistischen Gefühle eines Teils der Bevölkerung einzugehen. Während sich wie in Kroatien rechtsradikale völkisch-nationalistische Kräfte durchsetzten, schossen sich die Medien hier jedoch von vornherein auf Serbien als Feindbild ein. Das hatte auch einen Grund. Nach dem Zerfall des alten Jugoslawien gingen Kroatien und Slowenien auf Schmusekurs mit IWF, EU und NATO. Serbien und Montenegro, die heute das Rest-Jugoslawien bilden, widersetzten sich den IWF-Auflagen und der Öffnung für das westliche Finanzkapital von Anfang an. Dieser "Nationalismus" durfte nicht ungestraft agieren. Und der Öffentlichkeit mußte von vornherein deutlich gemacht werden, wer die Bösen sind. Dabei spielten auch hier PR-Agenturen eine Rolle. |