In Osttimor findet Völkermord statt, ein wirklicher,
kein erfundener wie im Kosovo. Indonesien hält widerrechtlich ein
fremdes Territorium besetzt, das nach dem Wunsch seiner Bevölkerung
und der UNO unabhängig werden soll.
Jugoslawien hat sein eigenes Territorium verteidigt - gegen NATO und Sezessionisten.
Es ist in der Tat zutiefst heuchlerisch, die marktwirtschaftlichen Beziehungen
mit Indonesien in den Nächten der langen Messer auf Osttimor nicht
zu suspendieren, während gleichzeitig der ökonomische Vernichtungskrieg
gegen Jugoslawien fortgesetzt wird. Doch die Forderung nach Gleichbehandlung
darf nicht darin bestehen, dem Habibie- Regime die NATO an den Hals zu
wünschen, was ohnedies ein frommer Wunsch wäre. Man muß
dem Interventionismus grundsätzlich abgeneigt sein.
Interventionen unter UN-Flagge bleiben Interventionen, und die Entwicklung
hat gezeigt, daß die der neuen Weltordnung innewohnende Aggressivität
gegen das Völkerrecht gerichtet ist. Die UNO ist in dieser Kostellation
so unsouverän wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Ihre Entscheidungen
sind durch das Kräfteverhältnis vorgegeben. Setzt ein Veto im
Sicherheitsrat der Aggression dennoch Grenzen, ist es um den souveränen
Willen der Weltorganisation auch schon geschehen. Die NATO-Politik gegenüber
Jugoslawien ist völkerrechtswidrig und sie bleibt es auch mit dem
Mandat der UNO. Im Kosovo ist im Grunde heute die UNO von der NATO dazu
mandatiert, die illegale Sezession auf zivile Gebiet zu vollenden.
Der Osttimor-Konflikt mag durchaus ein sympathisches Beispiel für
internationales Eingreifen darstellen. Doch dazu bedürfte es einer
anderen »internationalen Gemeinschaft«.
Alle, die militärisches Eingreifen verlangt haben, haben die Möglichkeit
eines Krieges in Kauf genommen. Und sie sprechen UN, Nato & Co. das
Recht zu, die Welt nach den Bedürfnissen von Arbeitszwang und Ausbeutung
zu ordnen. Überall und mit allen Mitteln.
junge Welt 18.09.1999
Einfallstor des Interventionismus
Warum sieben PDS-Bundestagsabgeordnete nicht für einen Blauhelmeinsatz
auf Osttimor stimmen wollten
Bei der Abstimmung über den gemeinsamen Osttimor-Antrag von SPD,
CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen am Donnerstag abend konnte
sich erstmals auch die PDS-Fraktion im Bundestag nicht der interventionistischen
Logik von UN-Blauhelmeinsätzen verschließen. Ein größerer
Teil ihrer Abgeordneten stimmte für den Antrag. Die Abgeordneten Winfried
Wolf, Ulla Jelpke, Sabine Jünger, Heidi Lippmann, Carsten Hübner,
Ilja Seifert und Heiner Fink begründeten in einer Erklärung,
warum sie nicht dafür stimmen wollten. Bei der Abstimmung selbst stimmten
nur zwei PDS-MdB - Wolf und Lippmann - gegen den Antrag. jW dokumentiert
im folgenden die Erklärung der sieben.
»Wir stimmen aus den folgenden vier Gründen nicht für den
gemeinsamen Antrag von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen:
1. Dem Antrag kann nicht zugestimmt werden, weil er sich gerade
zum gegebenen Zeitpunkt, in unserem Land und angesichts der den Antrag
tragenden Kräfte den Vorwurf der Heuchelei gefallen lassen muß:
Dieselben Parteien, die es im Fall Kosovo richtig fanden, die UNO zu ignorieren
und das Völkerrecht nach dem Motto »legal, illegal, kollateral«
beiseite zu schieben und einen Angriffskrieg zu führen, plädieren
jetzt im Fall Osttimors für eine UN-Intervention.
2. Dem Antrag kann nicht zugestimmt werden, weil er in seiner Substanz
fragwürdig ist:
-
Seit Wochen findet das Morden in Osttimor statt, und dennoch haben die
den Antrag unterstützenden Parteien und die im Sicherheitsrat vertretenen
Mächte nichts zum Schutz der Bevölkerung getan.
-
Eine Intervention nach Kapitel VII der UN-Charta, das heißt eine
militärische Blauhelmaktion, geht erheblich über das hinaus,
was im Fall Osttimors den Menschen vor Ort hilft. Notwendig sind internationale
Polizeikräfte, die dem Wüten der Paramilitärs Einhalt gebieten.
Eine umfassende Militäraktion hingegen kann - wie in Somalia - zur
Eskalation beitragen.
-
Eine UN-Aktion unter Führung australischer Militärs heißt
den Bock zum Gärtner machen: Australiens Regierung ist eng mit dem
Regime in Djakarta verbunden. Australisches Militär hat Teile des
indonesischen Militärs ausgebildet und bewaffnet. Australisches Militär
wird in der Region als Teil einer neokolonialen Politik gesehen. Es kann
nicht ausgeschlossen werden, daß ein solcher Militäreinsatz
letzten Endes dazu führt, den Weg Osttimors in die Unabhängigkeit
auszubremsen oder zu verhindern.
Eine UN-Polizeiaktion unter maßgeblicher Beteiligung z.B. indischer
Militärs hätte eine ganz andere Glaubwürdigkeit als die
im UN-Beschluß festgelegte Option eines Blauhelm-Einsatzes unter
australischer Führung.
3. Dem Antrag kann nicht zugestimmt werden, weil er die enge Zusammenarbeit
zwischen den vorausgegangenen Bundesregierungen und der neuen Bundesregierung
mit dem Regime in Djakarta verschweigt und diesbezüglich keine wirksamen
Konsequenzen zieht.
Die Bundesrepublik Deutschland ist seit Jahrzehnten auf das engste mit
der Diktatur in Djakarta verbunden. Das Massaker an Hunderttausenden sogenannten
»Kommunisten« bei Suhartos Machtantritt fand mit stillschweigender
Billigung der damals CDU-geführten Regierung statt. In den 70er und
80er Jahren waren es von SPD und FDP getragene Regierungen, die diese Politik
fortsetzten und die Zusammenarbeit um militärische Komponenten ergänzten.
Seit 1982 waren CDU/CSU- und FDP- Regierung dafür verantwortlich,
daß die militärische Zusammenarbeit mit Djakarta u.a. durch
die Lieferung von NVA- Rüstungsgütern intensiviert wurde. Noch
ein Jahr vor dem erzwungenen Rücktritt Suhartos präsentierte
sich Kanzler Kohl als Anglerfreund des Diktators Suharto.
All dies erfolgte, obgleich das Regime Suharto in ganz Indonesien Menschenrechte
mit Füßen trat, Osttimor völkerrechtswidrig besetzt hielt
und Tausende Menschen in Osttimor ermorden ließ.
Die neue Bundesregierung hat in dem Jahr, in dem sie regiert, nichts unternommen,
um eine andere, demokratisch legitimierte deutsche Indonesien-Politik umzusetzen.
Sie setzte vielmehr auf den Suharto-Nachfolger Habibie, der keine demokratische
Legitimation aufzuweisen hat, der weiterhin im engen Zusammenhang mit der
Diktatoren-Familie Suharto und der Staatspartei Golkar steht und der eng
mit deutschen Konzern- und Rüstungsinteressen verbunden ist.
All dies in dem Antrag zu verschweigen, daraus keine konkreten Konsequenzen
- z.B. Stopp jeder militärischen und jeder wirtschaftlichen Zusammenarbeit
der BRD mit der Regierung Habibie (Ausnahme: eindeutige Hilfen für
die Bevölkerung) - zu ziehen, ist unredlich.
4. Dem Antrag kann auch aus spezifischer PDS-Sicht und mit Blick auf die
Geschichte der Grünen nicht zugestimmt werden. Die Zustimmung zu UN-Blauhelmeinsätzen
war in unserem Land historisch das Einfallstor zur Transformation von Kräften,
die sich dem Weltfrieden und der internationalen Solidarität verpflichtet
fühlten hin zu Kräften, die imperialistische Kriege rechtfertigten
und nunmehr als Kriegsparteien mittragen. Immer wurde dieses Ja zu Blauhelmaktionen
mit dem Verweis auf »Sonderfälle« gerechtfertigt. Immer
ging dies einher mit einer Idealisierung der UN, das heißt mit einem
Absehen von der Tatsache, daß der UN-Sicherheitsrat ein Instrument
in Händen derjenigen Mächte ist, die maßgeblich für
eine neokoloniale Weltherrschaft und für Kriege zur Verteidigung dieser
Herrschaft verantwortlich sind.
Immer konnten diejenigen Kräfte, die diesen Weg ablehnten, nachweisen,
daß solche UN-Blauhelmaktionen nicht erforderlich sind, daß
Maßnahmen unter diesem Level bewußt nicht ergriffen wurden,
und daß damit auch die Vereinten Nationen im Sinne einer Politik
instrumentalisiert wurden, in der Krieg als Fortführung von Politik
mit anderen Mitteln erscheint.
Wir wollen mit unserer Ablehnung zu dem genannten Antrag dazu beitragen,
daß die PDS diesen Weg auf einer schiefe Ebene, an deren Ende sie
selbst zur Kriegspartei zu werden droht, nicht geht.« |