Tatort Medien Beiträge:
 
1. Krieg und Medien
2. Von Krieg zu Krieg
 
< zurück >
 

 

Liste

 

Krieg und Medien (Gegeninformationsbüro)

Nicht von ungefähr beginnt dieser Anti-Kriegs-Konvoi hier vor dem SFB-Gebäude, vor dem Glas-Pavillion des Nachrichtensenders Info-radio. Die Bedeutung der Massenmedien für die Vorbereitung, Durchführung und anschließende Aufarbeitung - oder Aufbereitung - von Kriegen war schon immer zentral. Seit dem 1. Weltkrieg ist eine systematische Medienarbeit fester Bestandteil jeder Militärstrategie. Die französische Historikerin Ann Moreli beschreibt die Prinzipien der Kriegs-propaganda [Interview auf arte], die sich seitdem nicht sehr verändert haben: Zunächst muß die eigene Bevölkerung überzeugt werden, "daß man selbst keinen Krieg will, sondern daß die anderen angefangen haben. Wir verteidigen uns nur." Zudem muß der "Feind personifiziert werden. Man muß zeigen, daß die anderen einen an der Spitze haben, der krank, geistig verwirrt, ein Verbrecher ist." Ver-schwiegen werden muß, "daß es wirtschaftliche Interessen hinter jedem Krieg gibt. Man stellt deshalb ‚humanitäre Ziele' in den Mittelpunkt eines Krieges." Vorgeblich ging es beim 1. Weltkrieg um die Verteidigung der kleinen Nationen oder um die Vorbereitung der Welt auf die Demokratie. Im Hintergrund aber standen die Kontrolle des Suezkanals und der Kampf um die Kolonien. Ähnlich beim Irakkrieg 1991. Vordergründig sollte die zivile Bevölkerung Kuwaits und Iraks vor der Willkür der irakischen Machthaber geschützt oder die Welt vor der Gefahr irakischer Massenvernichtungswaffen bewahrt werden. Doch im Zentrum standen Öl und Hegemoniean-sprüche der westlichen kapitalistischen Staaten in der Region. Als letztes muß aber während des Krieges vor allem über die Greueltaten berichtet werden, "die die feindliche Armee begangen hat, obwohl alle Armeen Grausamkeiten begehen." Man zeigt, "daß die Anderen Grausamkeiten als taktisches Mittel einsetzen". Die eigenen Grau-samkeiten werden jedoch als notwendige Kollateralschäden oder technische Pannen bagatellisiert. Paradebeispiel ist der Jugoslawien-Krieg. Deshalb will das Militär in Zeiten moderner Massenmedien Kontrolle über Informationen, Bilder und JournalistInnen haben, damit sich die verheerende Wirkung der Vietnamkriegs-Bilder nicht wiederholt. Seitdem wird die totale Informations- und Bildkontrolle angestrebt. Erster Krieg dieser Art war der Falklandkrieg 1984 mit festen Reporterpools. Bilderlos, da die möglichen Bilder schädliche Bilder gewesen wären. Anders z.B. Panama 1989: die Verhaftung Noriegas wird extra für die Kameras wiederholt, da ein Bild des Sieges gewollt war. Doch es geht nicht nur um die Kontrolle über Bilder bzw. um die mediale Inszenierung "realer" Ereignisse, sondern auch um Fälschungen. Mit Einzug der PR-Agenturen professionalisierte sich seit dem Golfkrieg die falsche Zuordnung tatsächlicher Bilder und die Produktion gestellter Bilder und gestellter Szenen. Zu dem Zeitpunkt, als deren Lügen - wie die Brutkastenlüge - publik wurden, war eine andere PR-Agentur bereits damit beauftragt, den Jugoslawien-Krieg propagandistisch vorzubereiten. "Wir haben das meisterhaft geschafft," erklärt der Direktor der PR-Agentur Ruder Finn Global Public Affairs, James Harff, "und zwar zwischen dem 2. und 5. August 1992, als die New Yorker 'Newsday' die Sache mit den Lagern herausbrachte. (...) Wir sind sofort auf den Zug aufgesprungen. Im Handumdrehen konnten wir die Serben in der öffentlichen Meinung mit den Nazis gleichsetzen". Er fährt fort, daß die Medien von nun an ihren Sprachgebrauch wandelten und emotional stark aufgeladene Begriffe benutzten wie "ethnische Säuberung, Konzentrationslager usw., bei denen man an Nazi-Deutschland, Gaskammern und Auschwitz denkt." Denn Propaganda spielt nicht nur während des Kriegs ein zentrale Rolle, sondern auch schon vorher. Mit ihrer Hilfe wird die Kriegsbereitschaft und -unterstützung der eigenen Bevölke-rung hergestellt. "Dazu war es aber notwendig, nicht etwa nun die Gewalt als solche zu propagieren, sondern es war notwendig, dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge so zu beleuch-ten, daß im Gehirn der breiten Masse des Volkes ganz automatisch allmählich die Überzeugung ausgelöst wurde: wenn man das eben nicht im Guten abstellen kann, dann muß es eben mit Gewalt abgestellt werden; so kann es aber auf keinen Fall weitergehen." Dieses Zitat stammt nicht etwa aus dem deutschen Verteidigungs-ministerium anläßlich des Jugoslawienkrieges, sondern aus einer Rede Adolf Hitlers vor der deutschen Presse am 10. November 1938. Dieses Muster findet sich auch jetzt wieder beim Afghanistan-Krieg: In Deutschland wird die humanitäre Notwendigkeit hervorgehoben, in den USA wird sich auf die Bedrohung durch den Terrorismus konzen-triert. Auf jeden Fall muß etwas unternommen werden, und wenn nichts anderes hilft dann eben Krieg. Dies fällt um so leichter, als das Feindbild Islam seit dem Golfkrieg von Medien und Politik syste-matisch aufgebaut worden ist. Geostrategische Interessen werden verschwiegen. Wie immer wird gleich zu Anfang versucht, die regionalen Medien auszuschalten, um auch im Feindesland die Informationshegemonie zu erlangen. Das afghanische Radio wird in der ersten Angriffswelle bombardiert, ebenso die lokale BBC in Kabul. Zum ersten Mal in der neueren Kriegsgeschichte gibt es jedoch eine neue Situation durch die Existenz des arabischen Nachrichtensenders Al Dschazira, der nicht die westliche Definition von "Wahrheit" übernimmt sondern eine tatsächlich unabhängige Berichterstattung versucht. Als Mitte Oktober die US-Regierung merkt, daß sie den Informationskrieg zu verlieren droht, wird die PR-Agentur Rendon Group beauftragt. Einerseits wird mit der PR-Agentur erforscht, mit welchen Meldungen, Bildern, etc. die Meinung der eigenen Bevöl-kerung (auch der Verbündeten) manipuliert werden kann - ist es ein Zufall, das bald darauf ein Bin-Laden-Video gefunden wurde? Anderseits dienen sie dazu, die Medienunternehmen mit Quoten hebenden Informationen und geschickt aufbereiteten Bildern zu füttern, unter anderem im Pressezentrum in Pakistan, denn diese Art der Informationskonzentration wird von den Journalisten auch gerne angenommen. An diesem Punkt treffen sich die Interessen der Militärstrategen und der Massenmedien: Der Krieg wird mit seiner schnellen Abfolge von Neuigkeiten einer sensationsgeleiteten Nachrichtenstruktur gerecht. Er liefert das Material, das die Quoten-fixiertheit der kommerziellen Medienkonzerne bedient. Eine fundierte Recherche der angebotenen Nachrichten findet nicht statt. Nachrichten werden eben wie andere Produkte auch gemacht. Erst im Nachhinein werden die unbesehen übernommenen Informationen genauer beleuchtet und dann folgt in der Regel das Eingeständnis eigener Versäumnisse. Das Militär geht das kalkulierte Risiko ein, daß ihre Lügen im Nachhinein rauskommen, denn erstens ist das öffentlich Interesse dann bereits auf andere News gerichtet, und zweitens hat es keine Konsequenzen für das zukünftige Verhalten der Medien: Nach dem Golfkrieg wurden in den Medien Versäumnisse eingestanden und Selbstkritik geübt - was nichts an ihrem Verhalten im Jugoslawienkrieg änderte. Das gleiche Spielchen wiederholte sich nach dem Ende des Jugoslawienkriegens - und heute folgen sie wieder dem altbekannten Strickmuster. Doch JournalistInnen und Medien schlampen nicht nur im Eifer des Gefechts. Aus vorauseilendem Gehorsam werden Informationen und Meinungen verschwiegen, denn "in Kriegszeiten ist das Versäumnis zu lügen eine Nachlässigkeit, das Bezweifeln der Lüge ein Vergehen und die Erklärung der Wahrheit ein Verbrechen." [Arthur Ponsody, brit. Schriftsteller] Was die wenigen nicht-konformen JournalistInnen zu spüren bekommen. Kurz nach dem 11.September nahm der Springer-Verlag in seine Unternehmensgrund-sätze, die von MitarbeiterInnen unterzeichnet werden müssen, folgenden Passus auf: die "Unter-stützung des transatlantischen Bündnisses und der Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika." Hier in der BRD gilt immer noch, daß die öffentlich-rechtlichen Sender die Vertreter einer objektiven Berichterstattung sind, daß sie jenseits vordergründiger ökonomischer Interessen der Privaten stehen und somit die Meinungsvielfalt bewahren. Daß dieser Schein trügt, bestätigen selbst ausländische Korrespondenten wie William Horskey von der BBC, der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland vorwirft, den Machthabern viel zu respektvoll gegenüberzutreten. Und dabei seien doch "in einer Diktatur Journalisten und Politiker einer Meinung." [Hugh Carleton Green, ehem. Generalintendant BBC]. Vorreiter auch hierbei ist CNN, die in einer internen Dienstanweisung ihre MitarbeiterInnen dazu aufgefordert hat, bei Berichten über Afghanistan immer die Verantwortung der Taliban deutlich zu benennen, denn es wäre "pervers", nur über zivile Opfer zu berichten. CNN hat übrigens wenige Tage nach dem 11. September ihre Satellitenanlagen in Afghanistan aufgebaut. Seit letzter Woche stehen sie in Somalia - und die deutschen Medien berichten darüber nicht. Denn: Bisher werden weder quotenträchtige Bilder noch spannend aufbereitete Stories angeboten.

Liste

 

Von Krieg zu Krieg! (Gegeninformationsbüro)

Die Kriege gegen Irak, Jugoslawien, Afghanistan und nun gegen Somalia haben den gleichen Charakter, der nach alter Schreibweise die Bezeichnung "Imperialismus" beschrieb. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat ein neuer Wettlauf der Großmächte um Einflußsphären begonnen und hat alt-neue deutsche Großmachtträume reaktiviert. Die Brisanz dieser Träume, die sich vor unseren Augen und an den besuchten Tatorten zusehends materialisieren, sollen hier kurz und skizzenhaft dargestellt werden: - Der Druck zur räumlichen Expansion und Militarisierung der deutschen Außenpolitik, den sowohl politische Zirkel - insbesondere der CDU/CSU und SPD - als auch die wehrtechnische und die zivile Industrie auf die politischen Entscheidungsträger ausüben, hat sich in den letzten Jahren verstärkt und seit 1992 zu einer zunehmenden Akzentuierung der deutschen Außenpolitik auf militärische Optionen geführt. - Der Wille der deutschen politischen und wirtschaftlichen Eliten, ihren Einflußbereich vor allem nach Ost- und Südosteuropa sowie Zentralasien zu erweitern, wird zwangsläufig zu sozialen Verwerfungen in den betreffenden Ländern führen. Weiterhin werden zwischenstaatliche Konflikte geschürt, sobald regionale oder staatliche Instabilitäten geplante Investitionsvorhaben in Frage stellen. Dies folgt aus der definitiven Erwartung der transnationalen Konzerne - und nicht nur der deutschen - nach Planungssicherheit und der für die Kapitale notwendigen Erweiterung von Absatzmärkten und Erschließung von Arbeitskräftereservoiren und Rohstoffvorkommen. - Die Bereitschaft diese Interessen mit einer funktionierenden bundesdeutschen Angriffs- armee zukünftig eher militärisch durchzusetzen wird sich deutlich erhöhen, wobei dies mit oder ohne UN-Mandat; mit oder ohne NATO, im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) oder auch im Alleingang geschehen kann. - Militärische Potenz ermöglicht zudem in gesteigertem Maße diplomatische Erpress-ungen gegenüber anderen Staaten, so wie es Seiters für die (CDU/CSU-Fraktion) im Februar 1998 im deutschen Bundestag formulierte: "Eine Diplomatie ohne Schwert ist eine Diplomatie ohne Wert." Weitergedacht bedeutet diese Aussage nichts anderes als: Eine Diplomatie mit Schwert ist nichts anderes als imperialistisches Großmachtstreben. - Die von Deutschland dominierte EU steht bislang nur wirtschaftlich in Konkurrenz zur USA. Angestrebt wird jedoch eine eigenständige Europäische Verteidigungs- und Sicherheitsidentität, die langfristig außerhalb der NATO-Strukturen auch ein militärisches Gegengewicht zur USA darstellen soll. Die daraus resultierenden Risiken und Konfliktpotenziale werden in der Öffentlichkeit weder wahrgenommen noch thematisiert. Sie äußern sich bislang lediglich in der Militarisierung der Sprache, wenn z.B. von "Wirtschaftskrieg" zwischen der EU und den USA die Rede ist oder der US-Diplomat Robert Zoellick EU-Strafzölle mit Nuklearwaffen gleichsetzt. Kaum abschätzbare Gefahren ergeben sich des Weiteren aus dem Engagement der USA und NATO in Zentralasien, einer Region, in der sowohl Rußland als auch die aufstrebende Wirtschaftsmacht China eigene vitale Interessen verfolgen. - Die Kosten dieser aggressiven Politik der Großmächte haben die Bevölkerungen der betroffenen Staaten zu tragen. In den Industriestaaten wird die Belastung erhöhter Militärausgaben, wehrtechnischer und wirtschaftlicher Forschung auf die Lohnabhängigen und Arbeitslosen umgewälzt, während die Unternehmen Steuererleichterungen einstreichen können. In den Zielländern der marktwirtschaftlichen Durchdringung - wie den Transformationsstaaten der GUS ist Massenarbeitslosigkeit bereits heute Realität. Dadurch initiierte Migrationsbewegungen gelten in den USA und innerhalb der EU schon heute als Gefährdungspotential des westlichen Wohlstands. Rudolf Scharping erklärt in der Zeitschrift Europäische Sicherheit zum Konzept des "erweiterten Sicherheitsbegriffs": "Dabei hat die deutsche Sicherheitspolitik zu berücksichtigen, dass immer mehr Risiken, die uns direkt betreffen, ihren Ursprung in einem erweiterten geographischen Umfeld haben: die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen (...) wie auch sozio-ökonomische Instabilitäten, die zu Migrationswellen großen Ausmaßes führen können." - Die von Scharping erwähnte Verbreitung von Massenvernichtungswaffen fällt auf die Industrienationen zurück, da sie mit mehr oder weniger verdeckter Unterstützung diese Entwicklung fördern. Die Verbreitung von Waffensystemen ist indes ein weiterer Faktor, der integraler Bestandteil der Forderungen der Rüstungsindustrie darstellt. Der Waffenexport - von der Kleinwaffe bis zur Fregatte - soll nach den Worten Thomas Diehls generell dann genehmigt werden, "wenn nicht gewichtige außenpolitische Interessen zwingend dagegen sprechen. Die diktatorischen, autoritären Machthaber dieser Welt werden sich freuen, auch deutsches Tötungs-know-how ohne den Umweg des Schwarzmarkts beziehen zu können, um nach innen wie nach außen Terror zu verbreiten. - Wer es nicht wahr haben möchte, dass kommende Kriege vorhersehbar sind und logische Konsequenz der kapitalistischen Konkurrenz, möge in die Werke Rosa Luxemburgs schauen, die u.a. mahnte: "Ein Blick um uns in diesem Augenblick zeigt, was ein Rückfall der bürgerlichen Gesellschaft in die Barbarei bedeutet. Dieser Weltkrieg - das ist ein Rückfall in die Barbarei. Der Triumph des Imperialismus führt zur Vernichtung der Kultur - sporadisch während der Dauer eines modernen Krieges, und endgültig, wenn die nun begonnene Periode der Weltkriege ungehemmt bis zur letzten Konsequenz ihren Fortgang nehmen sollte." (Rosa Luxemburg: Die Krise der Sozialdemokratie, Januar 1916).

 
< nach oben >