Nur die Telekom-CD blieb übrig

Die Polizei durchsuchte Wohnungen von Gelöbnisgegnern. Der Vorwurf: Urkundenfälschung. Die Betroffenen sprechen von einer "billigen Retourkutsche"

Die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes hat die Geschäftsräume der Jungdemokraten/Junge Linke sowie über zehn Privatwohnungen durchsucht. Gegen 19.10 Uhr drangen acht Beamte am Freitag abend in die bereits verlassenen Büroräume in der Rosa-Luxemburg-Straße in Mitte ein. Das Schloß ließen sie von einem Schlüsseldienst aufbohren.

Der Durchsuchungsbeschluß lautete auf gemeinschaftlich begangenen Hausfriedensbruch und Urkundenfälschung. Mitglieder der Jungdemokraten waren an den Störaktionen gegen das Bundeswehrgelöbnis am vergangenen Dienstag beteiligt gewesen. In der Presse war über gefälschte Einladungen spekuliert worden, mit deren Hilfe die Demonstranten die Sicherheitsabsperrungen überwunden hätten. Gesucht wurde daher nach Anhaltspunkten für die Herstellung solcher Dokumente. Die Beteiligten selbst hatten keine Auskunft darüber gegeben, wie es ihnen gelungen war, in die Veranstaltung zu gelangen.

Nach über einer Stunde beschlagnahmten die Beamten sämtliche Computer, Drucker, den Inhalt eines Aktenvernichters und zwei Regenschirme mit den Aufschriften "Tucholsky hat recht" und "Bundeswehr abschaffen". Auf der Festplatte der Rechner waren die Namen aller Mitglieder und Interessenten sowie Abrechnungen für Bildungsveranstaltungen gespeichert.

Bei den Jungdemokraten schließt man nun weitere Durchsuchungen auf der Basis der beschlagnahmten Adreßdateien nicht aus. "Das einzige, was die dagelassen haben, war das Adreßverzeichnis der Telekom", klagte einer der Beschuldigten. Eine der betroffenen Privatwohnungen war bereits im Anschluß an das Gelöbnis mehrere Stunden besucht worden. Die Polizei konnte gestern keine weiteren Auskünfte geben.

Martin Handke, stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungdemokraten, kritisierte die Aktion als "billige Retourkutsche für die internationale Blamage Deutschlands". Die Durchsuchung solle von politischem Engagement abschrecken. Es handele sich um "Staatsbürgerkunde durch die Polizei".

Reinhard Schult, Sprecher des Neuen Forums, in dessen Räumen die Jungdemokraten ihr Büro unterhalten, will die Polizei wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung anzeigen. Gerade nach dem "Angriffskrieg der Nato" und der "rot-grünen Bundeswehr" seien Aktionen wie die gegen das Gelöbnis nötiger denn je, solidarisierte sich das Neue Forum mit den Gelöbnisgegnern.

Andreas Spannbauer

taz Berlin lokal Nr. 5895 vom 26.7.1999 Seite 19 75 Zeilen
TAZ-Bericht Andreas Spannbauer

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