Kommentar

Abgeriegelt

Jeder der 432 Rekruten, die in Berlin zum Eid antraten, muß sich vorgekommen sein wie ein Castor auf zwei Beinen

Von Ullrich Fichtner

Ist es das wert? Ist es wirklich nötig, für die Traditionspflege der Bundeswehr ein zentrales Berliner Stadtviertel einen ganzen Tag lang abzuriegeln? Ist eine Veranstaltung vernünftig zu nennen, für die sämtliche Museen am Rande des Tiergarten schließen müssen? Ist es hinzunehmen, daß zum Schutz einer verkrampften Operngala von künstlerisch zweifelhaftem Wert Polizei und Feldjäger in großer Zahl in der Hauptstadt aufmarschieren?

geloebnixAn diesem "öffentlichen" Gelöbnis war öffentlich nur das Interesse. Die 2000 geladenen Gäste betraten den weiträumig abgesperrten Bendler-Block mit Sicherheitsausweisen. Die Bilder des Abends sprechen deshalb mitnichten von einer Armee inmitten der Gesellschaft, sie sprechen vom genauen Gegenteil: Nur abgeriegelt vom zivilen Rest der Welt darf sich die deutsche Armee beim großen Schwur ein bißchen feiern. Kann die Hardthöhe an derlei Eindrücken interessiert sein?

Verteidigungsminister Scharping tut seiner eigenen Truppe nichts Gutes, wenn er sie zur Weihe in der Wagenburg verdonnert. Jeder einzelne der 432 Rekruten, die am Dienstag abend zum Eid antraten, muß sich vorgekommen sein wie ein Castor auf zwei Beinen: unerwünscht - ein mulmiges Gefühl, das abfärbt auf die ganze Bundeswehr. Wenn Scharping daran gelegen ist, das - letztlich längst positive - Image der Armee noch weiter aufzupolieren, muß er sie präsentieren, wo sie in einer zivilen Gesellschaft hingehört: Die Kaserne ist ihr Platz. Dort mag sie - öffentlich, halböffentlich - ihre Rituale zelebrieren. Innenstädte sind dafür keine geeignete Bühne.

Frankfurter Rundschau 21.07.1999
  

geloenix nachlese
Gegen-Informations-Büro
Zurück!