Gegen-Informations-Büro

echelon - NSA hoert alles

Thu, 30 Apr 1998

Ob Faxe, Telefonate, E-Mails: «Echelon» belauscht alle

Paris (dpa) - «Echelons» großen Lauschern entgeht offenbar nichts. «Pro Minute werden mehrere Millionen Kommunikationsverbindungen abgehört und abgefangen - das Netz zieht sich über den gesamten Globus», erklärte der britische Europa-Abgeordnete Glynn Ford vor Journalisten.

Ford ist Initiator eines aufsehenerregenden Berichts über das weltweite Spionagenetz «Echelon», der seit Ende 1997 im Umlauf ist. Nach dem von einer Arbeitsgruppe der EU-Kommission erstellten Bericht werden systematisch Telefonate, E-Mails, Telexe und -faxe von fünf angelsächsischen Nationen unter Führung der USA abgehört.

Während der Bericht in Deutschland kaum für Aufregung sorgte, löst der «weltumspannende Lauschangriff» in Frankreichs Medien seit Wochen wahre Wogen der Empörung aus. Liberale wie konservative Medien sprechen mit Blick auf den Schaden für die Volkswirtschaft offen von «Wirtschaftskrieg». «Der übersteigerte Größenwahn des Abhörsystems Echelon stellt zweifellos einen noch nie von irgendeiner Macht erreichten Gipfel dar: im Bereich der Spionage ist es die Entsprechung zum Atomwaffen-Arsenal», meinte die linksliberale «Liberation», die dem Netz eine vierseitige Titelgeschichte widmete.

Das Szenario eines «Very Big Brothers» geht um. Dabei ist «Echelon» (etwa: Staffel, Stufe) ebensowenig eine neue Einrichtung wie die Erkenntnisse des Berichtes für Insider überraschend sind.

Das weltweite Spionagenetz, das von Kanada, Großbritannien, Neuseeland, und Australien mitgetragen wird, war schon 1948 von den USA ins Leben gerufen worden. Damals hatte es seine Lauscher zunächst nur gen Osten gerichtet. Zum Abhören der militärischen Aktivitäten des Ostblocks wurden sechs terrestrische Abhörstationen gebaut - Menwith Hill und Morwenstow in Großbritannien, Geraldton in Australien, Waihopal in Neuseeland, Yakima und Sugar Grove in den USA.

Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden die Anlagen neu ausgerichtet. «In den vergangenen drei Jahren wurde Echelon reaktiviert und dank des Satellitennetzes verstärkt», erklärte Alain Pompidou, der die Arbeiten an dem EU-Bericht überwacht hat. Glaubt man den Darstellungen der Experten, dann zapft «Echelon» auch die Daten von 25 Intelsat-Kommunikationssatelliten an und übermittelt sie gegebenenfalls über das Netz der Vortex-Satelliten der National Security Agency (NSA) in deren Zentrale in Fort Meade (Maryland).

Dieser bedeutendste aller US-Geheimdienste - auf den allein ein Drittel des für Spionagezwecke vorgesehenen Budgets entfällt - analysiert mit seinen 20 000 US-Angestellten mehrere Millionen Daten pro Minute. Sie werden per Computer nach Schlüsselwörtern gefiltert, wobei jedes Land seine eigene Liste erstellt: von Drogen über Mafia, Terror und Geldwäsche bis zu Daten über Patente, Verhandlungsangebote oder Umweltschutz-Organisationen. «Das Problem ist die Art, wie die Stichwortlisten erstellt werden: den islamischen Jihad verstehe ich, Schlüsselwörter wie Amnesty International oder Greenpeace, die nach dem Bericht ein Abhören auslösen, verstehe ich dagegen nicht», betont der Brite Glynn Ford in einem «Liberation»-Interview.

Den wirtschaftlichen Schaden durch die Zweckentfremdung der einstigen Militärspionage schätzen Experten im High-Tech-Sektor auf eine zweistellige Milliardenhöhe. Frankreich, das wie die übrigen Kontinental-Europäer von der Anlage in Menwith Hill belauscht wird, macht «Echelon» zumindest zum Teil für einen überraschenden Mißerfolg 1994 in Saudi-Arabien verantwortlich. Ein schon als «historisch» eingestufter Auftrag über Rüstungsgüter und Airbus-Flugzeuge im Wert von 30 Milliarden Franc ging damals überraschend an den Rivalen McDonnell-Douglas. Französische, aber auch deutsche Luftfahrt-Manager bestätigen heute hinter vorgehaltener Hand, daß spätestens seitdem Verhandlungen nicht mehr per Telefon, Fax oder E-Mail geführt werden - zumindest nicht ohne eine wirksame Verschlüsselung der Daten.

[echelon]

[start] [aktuelles] [infopool] [gegeninfo] [search] [termine] [links]