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USA/BRD/NSA/BND: Amerik. Spionage-Technik bringt BND in Erklaerungsnot Pochen auf Rückständigkeit

Amerikanische Spionage-Technik bringt den Bundesnachrichtendienst in Erklärungsnot

Von Udo Ulfkotte

Wenn ein Geheimdienst ein Patent anmeldet, dann muss sich dahinter nicht unbedingt etwas Geheimnisvolles verbergen. Die Einzigen, die sich für gewöhnlich mit solchen Patenten beschäftigen und wie in einem Kaffesatz darin zu lesen suchen, sind gegnerische Geheimdienste. Deshalb mag es den technischen amerikanischen Geheimdienst National Security Agency (NSA) überrascht haben, welch große Aufmerksamkeit nicht nur Fachkreise einem der NSA am 10. August erteilten Patent widmeten. Immerhin war das Patent mit der Bewilligungsnummer des amerikanischen Patentamtes 5.937.422 nur eines von 23, das die NSA allein seit März dieses Jahres erhielt.

Irgendjemand muss am Sitz der NSA übersehen haben, dass es im Internet weltweit abrufbar ist und zum ersten Mal einen direkten Hinweis darauf gibt, wie weit die Möglichkeiten der vollautomatischen Überwachung jeglicher Kommunikation in den Datennetzen vorangeschritten sind. Demnach war die NSA, die im nationalen Interesse politische, wirtschaft- liche und sonstige Erkenntnisse im Ausland sammelt, schon vor mehr als zwei Jahren (zum Zeitpunkt der Antragstellung) in der Lage, Inhalte von Telefongesprächen in allen Sprachen computergesteuert auszuwerten. Das allein wäre der Erwähnung kaum wert, hatte man es in Fachkreisen doch schon immer vermutet. Neu ist vielmehr der in dem Patent enthaltene Hinweis, dass die so gewonnenen Erkenntnisse vollautomatisch, also ohne menschliches Zutun, in nach vorgegebenen Themen angelegte Dateien ein- geordnet werden können, selbst wenn in dem abgefangenen Gespräch so genannte Schlüsselwörter nicht fallen. Bislang hatten Fachleute die Auffassung vertreten, ein Teil der rund 27.000 NSA-Mitarbeiter sei damit beschäftigt, aufgezeichnete Gespräche abzuhören und erst nach der Auswertung manuell in Dateiablagen einzuordnen.

Doch die Fachleute haben sich offenbar geirrt. Wie bei der Ahnenforschung ordnet das jetzt der NSA erteilte Patent (es erweitert ein 1995 auf diesem Gebiet erteiltes Patent mit der Nummer 5.418.951) Textbestandteile nach Stammbäumen sinngemäßer und vorgegebener Zusammengehörigkeit. Ausgewertet wird damit ohne Rücksicht auf die tatsächliche Wortwahl der inhaltliche Sinn eines Textes. Suchbegriffe, auf die die NSA in vergangenen Jahren die weltweite Datenflut durch- scannte, werden in dem Patent nicht mehr genannt. Das Patent belegt, dass die NSA schon Anfang 1997 über Möglichkeiten verfügte, mitge- schnittene Gespräche auszuwerten, auch wenn so genannte "Hit-Wörter" nicht fallen. Die geheimdienstliche Sprach- und Texterkennungstechnik der Vereinigten Staaten ist demnach den zivil erhältlichen Varianten (etwa für die Spracheingabe über ein Mikrofon und anschließende Bear- beitung an einem Computer) um viele Entwicklungsjahre voraus.

Das aber lässt aufhorchen. So hatte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) Hanning bei einer Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht zur Frage der Fernmeldeaufklärung im Juli zu Protokoll gegeben, Spracherkennungssoftware könne vom BND "wohl erst in einigen Jahren" eingesetzt werden. Er hatte in dem Prozess, in dem es um die Verfassungsmäßigkeit der Überwachung des internationalen Fernmeldeverkehrs durch den BND ging, behauptet, die technische Entwicklung hinsichtlich der Spracherkennung sei noch nicht so weit fortgeschritten, dass sie zufrieden stellende Ergebnisse liefere. Hanning erweckte den Eindruck, der "Staubsauger im Äther' des BND erfasse derzeit nur Telexe und - mit Einschränkungen - Faxe. Bei Telefongesprächen könne nur nach beteiligten Telefonnummern gefiltert werden.

Im Gegensatz zum jährlichen amerikanischen Gesamtbudget für die Auslandsspionage in Höhe von derzeit 28 Milliarden Dollar ist der kaum eine Milliarde Mark erreichende Etat des BND zwar bescheiden. Damit allein könnte jedoch kaum erklärt werden, warum der BND angeblich hinter den technischen Entwicklungen anderer westlicher Geheimdienste um viele Jahre zurückfällt. Denn der EU vorliegende Berichte heben hervor, dass der technische britische Geheimdienst Government Communications Headquarters (GCHO) schon seit Jahren erfolgreich Sprach- und Texterkennungstechnologie bei der Telefonüberwachung einsetzt. Dessen Etat ist jedoch nicht höher als der des BND. Merkwürdig ist auch, dass das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz Spracherkennungstechnologie schon seit Jahren erfolgreich einsetzen. Und warum genehmigt die G-10-Kommission auch dem BND regelmäßig Stichwortlisten für Wortdatenbanken, wenn doch die Spracherkennung - auf dem zivilen Markt längst für jeden privaten PC zu haben - aus Pullacher Sicht angeblich noch Zukunftsmusik ist? Zudem vereinbarten Deutschland und Frankreich vor wenigen Tagen eine engere geheimdienstliche Zusammenarbeit; der erste Schritt in Richtung eines europäischen Geheimdienstes. Der französische Auslandsgeheimdienst DGSE setzt Spracherkennungstechnologie - auch in den zwei gemeinsam mit der Schweiz betriebenen Abhörstationen - schon seit Jahren erfolgreich ein. Wird der BND also von den Franzosen Nachhilfestunden auf diesem Gebiet bekommen?

Der BND wird nicht umhinkönnen, seine angebliche technische Rückständigkeit näher zu erläutern. Auch in einem anderen Fall nimmt sich sein Verhalten befremdlich aus. So versicherten BND-Chef Hanning und der Geheimdienstkoordinator des Kanzleramtes, Uhrlau, nach einem Besuch des NSA-Horchpostens in Bad Aibling Anfang November, man habe keinen Zweifel mehr daran, dass die Vereinigten Staaten beim Abhören "weder gegen deutsche Interessen noch gegen deutsches Recht gerichtete" Aktivitäten ausübten. Mit anderen Worten, weder die Telekommunikation deutscher Bürger noch die deutscher Unternehmen werde von den Amerikanern belauscht.

Wenig später aber erhielt der Brüsseler STOA-Ausschuss der EU den dritten Teil einer brisanten Dokumentation, in der Franck Leprévost, Mitarbeiter der Technischen Universität Berlin, hervorhebt, dass europäischen Firmen durch elektronische Spionage der Amerikaner ein jährlicher Verlust von mehreren Milliarden Euro zu Gunsten amerikanischer Unternehmen entstehe. Zusätzlich wurde vor wenigen Tagen bei einer Konferenz niederländischer Geheimdienstforscher in Amsterdam mit dem Thema "Fernmeldetechnische Aufklärung" auch von amerikanischen Teilnehmern bestätigt, dass die NSA weiterhin zielgerichtet auch deutsche Telefonate abhöre; zwar nicht vorrangig von Bad Aibling aus, sondern aus dem britisch-amerikanischen Horchposten Menwith Hill.

Der BND, 1946 mit amerikanischer Hilfe gegründet, befindet sich in Erklärungsnot. Dem von seinem derzeitigen Präsidenten postulierten Ziel, mehr Transparenz in die Arbeit der Behörde zu bringen, haben öffentliche Äußerungen Hannings bislang jedenfalls kaum gedient.

aus: FAZ, v. 9. 12. 1999

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