Das Abenteuer Menschlichkeit
Wer sich darauf einläßt,
einem anderem zu helfen,
steckt mittendrin;
im Abenteuer
Menschlichkeit
(Deutsches Rotes Kreuz)
junge Welt
Inland
14.10.1999
Protest gegen Fremdverpflegung
150 Flüchtlinge seit dem
30. September in Berlin im Hungerstreik
Gestern versammelten sich etwa
160 Menschen vor der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales
in Berlin- Kreuzberg. Auf Schildern und Transparenten forderten sie »Bargeld
für alle!«, »Weg mit dem Arbeitsverbot« und »Keine
Fremdverpflegung«. Für die Durchsetzung dieser Forderungen waren
am 30. September 150 Flüchtlinge aus vier Flüchtlingsheimen -
betrieben vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) - in Berlin-Pankow in den Hungerstreik
getreten. In ihren Heimen wurde vor vier Monaten die Bargeldzahlung an
die Bewohner eingestellt und die Fremdverpflegung eingeführt.
Mit dem Hungerstreik war das Berliner Rote Kreuz in die öffentliche
Kritik geraten. Die Mitarbeiter bemühten sich zunächst in die
Heime, um Vollversammlungen abzuhalten. Sie zeigten sich bestürzt
und boten einen Notdienst für die Hungerstreikenden an. Fünf
Tage später war die Bestürzung gewichen: Das DRK zog den Notdienst
wieder ab und begann statt dessen, die Hungerstreikenden unter Druck zu
setzen. Den Streikenden wurden Fragebögen vorgelegt, in denen sie
sich zwischen »verbesserter« Fremdverpflegung oder - bei Fortsetzung
des Hungerstreiks - der Aufgabe der DRK-Trägerschaft entscheiden sollten.
»Für drei neue Sorten Wurst sollten wir den Hungerstreik beenden«,
kommentierte eine Rednerin vor der Senatsverwaltung. Das DRK bekommt pro
Tag und pro Person 13,50 Mark für die Verpflegung der Flüchtlinge
vom Sozialamt. Das Essen, das die Bewohner der Heime bekommen, kostet nach
Aussagen des Unterstützerkreises, gut geschätzt, sechs Mark.
Während die Flüchtlinge draußen über ihre Situation
in den Flüchtlingsheimen berichteten, verhandelten im Senatsgebäude
Vertreter der Hungerstreikenden und des Bündnisses gegen das Asylbewerberleistungsgesetz
mit der Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU). Eva Weber, Mitglied des
Bündnisses, erklärte das Anliegen des Gesprächs, das bis
zum Redaktionsschluß der jungen Welt andauerte: »Frau Hübner
soll dem DRK ein Signal geben. Das DRK behauptet immer, es könnte
nicht aus den Verträgen mit den Bezirks- und Sozialämtern und
den Zulieferfirmen raus.« Wenn Frau Hübner dem DRK aber nach
dem Ausstieg ihre Unterstützung zusagen würde, zusagen würde,
daß keine Regreßansprüche geltend gemacht würden,
wäre das Argument des DRK entkräftet.
Wera Richter
junge Welt <http://www.jungewelt.de/1999/10-14/014.shtml> |
SEIT 30.9.99 HUNGERSTREIK
DER FLÜCHTLlNGE AUS DEM DRK-HEIM BUCHHOLZER STRASSE IN PANKOW
KUNDGEBUNG am Mittwoch 13.10.99 um 14 UHR
ORT => => Senatsverwaltung
für Gesundheit und Soziales -
Oranienburgerstrasse 106;
Berlin Kreuzberg
U-Bahn: "Kochstraße" -
dann mit dem Bus 129
(=> "Herrmannplatz") bis
"Waldeckpark"
Wir sind Menschen und wir wollen wie Menschen behandelt werden!
Wir wollen unsere Kinder als Kinder behandeln können!
- Bargeld für alle! Gleiche Sozialhilfe wie für Deutsche!
- Abschaffung der Fremdverpflegung und der Sachleistungen
- Freie Wahl der Unterkunft!
- Volle medizinische Versorgung!v
Wir sind nicht freiwillig hier, sondern zur Flucht gezwungen!
- Kein Aushungern und kein Entzug
der Unterkunft von Flüchtlingen,
um die Rückkehr zu erzwingen!
- Abschaffung des Arbeitsverbotes!
- Weg mit dem Asylbewerberleistungsgesetz!
BERLINER BÜNDNIS
gegen das Asylbewerberleistungsgesetz
c/o Antirassistische Initiative e.V. - Yorckstr. 59 -
10965 Berlin - Fon 785 72 81 - Fax 786 99 84
Seit 30. September 150 Flüchtlinge im Hungerstreik!
Protest gegen die Fremdverpflegung im DRK Flüchtlingsheim Buchholzer
Straße 34
Seit Juni 99 protestieren Flüchtlinge aus vier Berliner Flüchtlingsheimen
gegen ihre unmenschliche Bbehandlung, gegen die Verweigerung ihrer Selbstverpflegung
und jeglichen Bargeldes. Selbst das Taschengeld von 80 DM im Monat wird
vielfach gestrichen. Gesetzliche Grundlage dieser Praxis ist das Asylbewerberleistungsgesetz,
das in Berlin besonders brutal umgesetzt wird. Die BewohnerInnen der drei
DRK-Heime protestieren bisher mit einer Straßenblockade, Essensverweigerung
und einem Besuch in der DRK-Zentrale. Mit Kundgebungen vor dem Sitz der
Sozialsenatorin Hübner und dem dem Sozialamt Spandau suchten die Flüchtlinge
immer wieder Gespräche mit den Verantwortlichen um ihre Situation
zu verändern. Die Gespräche blieben bislang ohne konkretes Ergebnis.
An den Lebensbedingungen der Flüchtlinge in den Heimen änderte
sich nichts. Die Demütigung und Entmündigung, in einem so reichen
Land wie der BRD ohne einen Pfennig Bargeld existieren zu müssen,
wie auch die unzureichende Ernährung machen die Menschen seelisch
und körperlich krank. Selbst schwerkranke Menschen erhalten trotz
ärztlicher Atteste weder die krankheitsbedingt erforderliche Diät
noch eine andere Unterkunft mit der Möglichkeit der Selbstversorgung,
zum Teil erhalten sie von den Sozialämtern nicht einmal Krankenscheine.
Viele erleben die Heimsituation und die drohende Obdachlosigkeit nach Flucht
und Vertreibung als weiteres Trauma.
Nachdem auf einer Vollversammlung am 29.9.99 in in der Buchholzer Straße
die zuständigen DRK-Vertreter jegliche Verantwortung für die
menschenwürdige Behandlung von sich wiesen, brachen die Flüchtlinge
nach zwei Stunden das Gespräch ab und begannen am 30.9.99 den Hungerstreik.
Die Flüchtlinge fordern:
- Abschaffung der Fremdverpfegung!
- Sofortige Auszahlung der Sozialhilfe in bar!
- Uneingeschränkter Zugang zu medizinischer Versorgung!
- Freie Wahl der Unterkunft!
- Kein Aushungern und kein Entzug der Unterkunft von Flüchtlingen,
um die Rückkehr zu erzwingen!
- Abschaffung des Arbeitsverbotes!
- Weg mit dem Asylbewerberleistungsgesetz!
Wir sind Menschen und wir wollen wie Menchen behandelt werden!
Wir sind nicht freiwillig hier, sondern zur Flucht gezwungen!
Die hungerstreikenden Flüchtlinge laden alle Menschen ein,
sich selbst ein Bild von den Lebensbedingungen in den Heimen zu machen.
Besuchen Sie die Heime des Berliner Roten Kreuzes in der Buchholzer Str.
34-35 (Pankow), der Blankenburger Str. 141 (Pankow) und der Streitstr.
5 (Spandau).
Beteiligen Sie sich an den Protesten der geflüchteten Menschen
und spenden Sie für Ihre Unterstützung auf folgendes Konto:
Flüchtlingsrat Berlin - Nothilfe für Flüchtlinge,
Bank für Sozialwirtschaft,
BLZ 100 205 00, Konto-Nr. 311 68 03, Stichwort "Hungerstreik"
Für Rückfragen und Hintergrund-Informationen: Bündnis gegen
AsylbLG
c/o Antirassistische Initiative Berlin
Telefon 785 72 81 - Fax 768 99 84
Die Forderungen der Hungerstreikenden werden unterstützt von Flüchtlingen
aus den DRK-Wohnheimen Streitstraße 5; Blankenburger Straße
141 und anderen Menschen, die unter die Aushunger- und Vertreibungsgesetze
fallen.
Unterstützt u.a. vom Flüchtlingsrat Berlin, Karawane für
die Rechte der Flüchtlinge und Migrantinnen, Frauen-Lesben-Gruppe
für Bleiberecht, Kein Mensch ist illegal - Berlin, Antirassistische
Initiative Berlin - ARI, Initiative gegen das Asylbewerberleistungsgesetz,
Forschungsgesellschaft Flucht und Migration - FFM, Romani Union Berlin/brandenburg,
Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeninitiativen - BAG-SHI, Asyl in
der Kirche e.V., Bündnis Polnischer Sozialrat e.V. - ZAPO, Internationale
Liga für Menschenrechte, AG Pankower Mädchen- und Frauenprojekte,
Flüchtlingsberatung Oase Pankow e.V., Kontakt- und Beratungsstelle
für ausländische Flüchtlinge e.V. KuB,
V.i.S.d.P.
Berliner Bündnis gegen das Asylbewerbergesetz, Fon 785 72 81 |