Das Thomas Weißbecker Haus (TWH) ist ein traditionell selbstverwaltetes Treberwohnprojekt, welches aus den Treberkämpfen der 60-er und 70-er Jahre entstanden ist.
Schon damals suchten junge Menschen nach Möglichkeiten, selbstverwaltete und kollektive Wohn- und Arbeitsstrukturen zu entwickeln. Unter der Trägerschaft des SSB e.V.(Sozialpädagogische Sondermaßnahmen Berlin e.V.) entstanden neben dem TWH noch andere Wohnprojekte von jugendlichen TreberInnen.
Im TWH wird eine Mischform von Krisenübernachtung und betreutem Jugendwohnen in der Form praktiziert, daß die Jugendlichen die Möglichkeit haben, sich freiwillig in die bestehenden Hausstrukturen zu integrieren.
Das Haus ist in der Treberszene bekannt. Die Adresse wird daher von den Jugendlichen selbst weitergegeben und die Jugendlichen kommen freiwillig zu uns, d.h. unsere Realität ist die einer "aufgesuchten Sozialarbeit", wodurch ein ganz anderer Kontakt zu den Jugendlichen hergestellt werden kann.
Sie erhalten keine Mittel aus dem für sie zuständigen KJHG, sondern lediglich nach BSHG und müssen erheblich mehr Wege und Termine in Kauf nehmen, um diese Leistungen überhaupt zu bekommen. Trotz dieses nicht unerheblichen Nachteils entscheiden sich die Jugendlichen für ein Leben in unserer Einrichtung, was für die Qualität des Wohnangebotes im TWH spricht.
Für die kurzfristige Unterbringung in Krisensituationen stehen im TWH zwei komplett eingerichtete Zimmer für jeweils zwei Jugendliche zur Verfügung. Diese Räume müssen nicht, wie beispielsweise im Sleep In, am Morgen verlassen werden. Die Jugendlichen erhalten hier die Möglicheit, sich auszuruhen, ihre persönlichen Grundbedürfnisse (Körperpflege und Hygiene, Reinigung der Bekleidung, Einkaufen, Kochen und Essen u.ä.) zu befriedigen und in Ruhe über ihre individuellen Perspektiven nachzudenken.
In Frage kommende Perspektiven sind dabei zurück auf die Straße zu gehen, sich für ein anderes Jugendwohnprojekt zu entscheiden, zurück zu den Eltern zu gehen, eine eigene Wohnung zu finden oder sich in die Struktur des TWH zu integrieren.
Im Unterschied zu anderen Einrichtungen der Jugendhilfe haben die Jugendlichen im TWH die Möglichkeit, in frei gewordene Zimmer des Hauses nach Absprache mit den Etagen- und Hausplena einzuziehen, d.h. die Entscheidungen über längerfristiges Wohnen werden gemeinsam von den Jugendlichen und den anderen HausbewohnerInnen getroffen. Die Sozialarbeiterin nimmt an dieser Entscheidungsfindung insofern teil, als sie besonders bei Jugendlichen unter 18 Jahren darauf achtet, daß die Konstellation der in Frage kommenden Wohnetage einen Einzug zuläßt. Dazu gehört, daß die MitbewohnerInnen in der Lage und bereit sind, der/m Neueinziehenden dabei zu helfen, sich in das Leben im Haus zu integrieren und ihren/seinen Verpflichtungen wie regelmäßigen Schul- oder Ausbildungsbesuch nachzukommen. In der Zeit bis zur eventuellen Klärung der individuellen Verhältnisse ( z.B. der Suche nach einem Ausbildunsgplatz ) müssen sich die Jugendlichen wie alle anderen BewohnerInnen in hausinterne Arbeitsgruppen integrieren.
Dieser Teil unserer Konzeption zielt in erster Linie auf das Erlernen der Übernahme von Eigenverantwortung und gleichzeitig von Verantwortung für Gruppenprozesse. Insgesamt fördert dieser Ansatz die Fähigkeiten zur Selbstständigkeit und zu sozialem Verhalten bzw. trägt zu deren Vertiefung bei.
Zur Aufnahme in das TWH gehört das Akzeptieren der von den HausbewohnerInnen selbst aufgestellten Hausregeln, wie z.B. kein Drogenmißbrauch, keine Gewaltanwendung sowie Mitarbeit bei allen anfallenden Arbeiten im und am Haus.
Eine weitere Besonderheit im Wohnprojekt TWH ist die Aufhebung der im Jugendwohnbereich vorgeschriebenen Altersbegrenzung. Dies ist ein Ergebnis der mittlerweile 25- jährigen Geschichte des TWH, d.h. es wohnen noch immer Menschen im Haus, die als minderjährige TrebegängerInnen eingezogen und heute Ansprech- und Kontaktpersonen für die jugendlichen TreberInnen sind. Aufgrund ihrer eigenen Sozialisationserfahrungen können diese Personen ein anderes Verständnis und damit einen anderen Umgang mit den Problemen der TreberInnen entwickeln. Diese Mischung der Altersstruktur fördert die Möglichkeiten des Voneinander- Lernens, der Integration der TreberInnen ins Wohnprojekt und trägt wesentlich zur Stabilisierung der Gemeinschaft bei. Diese Altersmischung ist ein weiterer, wesentlicher Bestandteil unserer Konzeption.
Durch die Teilnahme an den anfallenden Arbeiten im und am Haus eröffnet sich für die Jugendlichen die Möglichkeit, eine ganze Palette unterschiedlicher Arbeitsbereiche kennenzulernen, z.B. Arbeiten im Garten, in der Küche, in der Gastronomie, im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsorganisation und handwerkliche Arbeiten. Hierbei können erfahrungsgemäß persönliche Interessen geweckt und Neigungen entdeckt werden, die maßgeblich zu einer besseren Orientierung in der Berufswelt führen bzw. in die Aufnahme einer Berufsausbildung münden. Das Konzept des Miteinander- Wohnens wird im TWH erweitert um die Möglichkeiten des Miteinander- Arbeitens im Rahmen von Praktika, ehrenamtlicher oder gemeinnütziger Arbeit und bietet damit den Jugendlichen und jungen Heranwachsenden eine neue Qualität beruflicher Orientierung und persönlicher Perspektivfindung.
Das Angebot des Wohnprojektes TWH ist besonders für Jugendliche in der heutigen Zeit so attraktiv, da sie hier die Möglichkeit haben, eigene Perspektiven zu entwickeln und im Rahmen selbstgewählter und -bestimmter Strukturen und Regeln zu verwirklichen statt auf die Einlösung gesellschaftlicher Versprechungen zu warten.
Aus unseren Erfahrungen sind ca. 2/3 der Jugendlichen, die ins TWH kommen, der Gruppe von "nicht integrationswilligen Jugendlichen" zuzurechnen und ca. 1/3 sind eher bereit, auf die vorhandenen Angebote einzugehen. Da für beide Gruppen das Angebot "TWH" attraktiv ist, kommen auch sehr unterschiedliche Jugendliche gemeinsam im Wohnprojekt unter. Damit kommt es zu keiner "Ghettoisierung" der Jugendlichen mit langer Straßenkarriere und es besteht die Möglichkeit, voneinander zu lernen und positive Anregungen zu vermitteln. Da es eines unserer Ziele ist, die Jugendlichen auf ein zukünftiges, eigenständiges Leben in sich ständig verschärfenden gesellschaftlichen Konkurrenzsituationen vorzubereiten, ist die oben beschriebene Durchmischung ein Teil unseres Konzeptes und trägt damit den veränderten gesellschaftlichen Realitäten Rechnung.
Das hier von uns dargestellte Konzept ist kein theoretisch erdachtes, sondern basiert auf unseren Erfahrungen aus der Treberarbeit. Das große Problem besteht darin, daß die geleistete Arbeit jeglicher finanzieller Grundlage entbehrt. Die Praxis sieht so aus, daß sich eine (!) Sozialarbeiterin um die Belange aller im Haus lebenden ca. 40 Personen kümmern muß und dabei die Arbeit mit den TreberInnen zusätzlich bewältigen soll. Dies ist, selbst bei sehr guter Zusammenarbeit mit allen ehrenamtlich Tätigen im Haus, schlichtweg unmöglich.
Desweiteren benötigen die Jugendlichen Geld für die Zeit, bis alles soweit geordnet ist, daß sie z.B. Sozialhilfe beantragen können, was ja mitunter längere Zeiträume in Anspruch nimmt.
Die Jugendlichen sollten solchen in Jugendhilfeeinrichtungen gleichgestellt werden, d.h. Hilfen nach dem KJHG bekommen können und damit nicht mehr benachteiligt werden.
Es ist uns bis heute nicht gelungen, dieses Konzept auf eine finanziell tragfähige Grundlage zu stellen.