Sp@niens Kollektive 1936 - real, widersprchlich und mythenbehaftet. Einige Kollektivierungen begannen schon Ende Februar 1936. Die anarchistische Bewegung sprang ber ihren Schatten. Die Wahlteilnahme der Libert„ren sicherte der Volksfront die Mehrheit und somit 35.000 politischen Gefangenen die Freiheit. In den l„ndlichen Regionen der Groágrundbesitzer, wie in Andalusien z. B., gingen landlose B„uerinnen und Bauern zur Enteignung ber. Der 19. Juli 1936 Der Generalstreik der beiden groáen Gewerkschaften UGT (SozialistInnen) und der CNT (AnarchosyndikalistInnen), sowie die Bewaffnung der Menschen, die die Soziale Revolution anstrebten, lieáen den Milit„rputsch Franco`s scheitern. Der Madrider Kongreá der CNT im Jahre 1931 (ca. 1 Million Mitglieder) beschloá Maánahmen zur Kollektivierung und den Weg des freiheitlichen Sozialismus. Die spanischen LandarbeiterInnen waren gleich den IndustriearbeiterInnen in Syndikate oder Gewerkschaften organisiert. Diese Gewerkschaften verwandelten sich nach dem 19. Juli 1936 in Produktions- und Verteilungsgemeinschaften. Zwang zum Beitritt in die Kollektive wurde nicht ausgebt (1). Die jahrzehntelange Vorbereitung trug Frchte. Augustin Souchy beschrieb es: "Die Arbeiter w„hlten sich selbst ihre technischen und organisatorischen Leiter. Mehr war nicht erforderlich. Alles andere entsprang dem guten Willen zur Zusammenarbeit und der Initiative im Produktionsprozeá. (2). Jedoch der D„mpfer folgte: Nur ein geringer Teil Spaniens war von der anarchistischen Bewegung dominiert. Die spanische Republik nach dem Juli 1936. Der franz”sische Historiker Pierre Vilar analysierte die Ausgangslage speziell in Hinblick auf die anarchosyndikalistische Hochburg Kataloniens: "Die CNT erhoffte eine Vergesellschaftung (durch die Kontrolle der branchenm„áig zusammengeschlossenen Gewerkschaften). Die UGT und die moskauh”rigen KommunistInnen PCE (die in der katalanischen PSUC h„ufig frher einfach Sozialisten gewesen waren) dachten eher an Verstaatlichung (Kontrolle des Staates und Planung an der Unternehmensspitze). Eine reiche Tradition brachte schlieálich die gem„áigten Katalanen dazu, fr genossenschaftliche Formen einzutreten (manche Anarchisten waren nicht von vornherein dagegen)." (3) Im erweiterten Blickfeld: "In Madrid und Zentralspanien kamen die syndikalistischen Methoden kaum zur Geltung;..." (4). Und im Baskenland nahmen die Land- und Industriearbeiterinnen gar keine Enteignungen vor. Also aus der Traum!? Herbst 36 Das Regierungsdekret und das Kippen der CNT-Brokratie. Der Kenner der historiographischen Zunft W. L. Bernecker deutet als erste Klippe das Enteignungs- und Nationalisierungsdekret vom 7. Oktober 1936. "Dieses Dekret verschaffte dem Staat (d. h. den Kommunisten, die ber das Landwirtschaftsministerium die Entwicklung auf dem Agrarsektor kontrollierten) umfangreiche L„ndereien, womit die spontane, zumeist von Anarchisten und Sozialisten getragene, sich jeglicher Staatskontrolle entziehende Kollektivierung, wollten die Kollektivist(Inn)en nicht mit den gesetzlichen Bestimmungen in Konflikt geraten, ihr Ende finden muáte. Die spontane Kollektivierung von unten wurde abgel”st durch die Verstaatlichung und die M”glichkeit einer Kollektivierung von oben, die wiederum durch das Mittel der Kreditvergabe seitens des Institutes fr Agrarreform (ebenfalls KP-orientiert) gesteuert werden konnte." (5). Der libert„re Kaffeehaus-Literat C. Sempruna-Maura kritisierte das Eingehen der CNT- Leitung folgendermaáen: "Ich habe die Fehler und M„ngel des Kollektivierungsexperiments in der katalanischen Industrie (...) nicht verschwiegen, es ist aber zumindest seltsam, den Widerstand gegen die Durchfhrung des Dekrets nur fr ein Wiederauftauchen des kapitalistischen Geistes zu halten, w„hrend es sich haupts„chlich um den Widerstand der Arbeiter gegen Maánahmen handelte, die praktisch ihre Autonomie und Selbstverwaltung der ersten Monate liquidierten. Dabei waren selbstverst„ndlich auch besondere, eigenntzige Interessen einiger reicher Kollektivit„ten vorhanden, die ihre Autonomie und den status quo weiter bestehen lassen wollten,...(...); auf dem Spiel standen eigentlich zwei radikal verschiedene Auffassungen der Kollektivierungen: die demokratische einerseits, die sich auf Autonomie und Selbstverwaltung sttzte, und die staatliche, die die brokratische Hierarchie wieder in die Wirtschaft einfhren wollte. Noch einmal stand die CNT in beiden Lagern gleichzeitig." (6). MYTHOS - Fr wen??? Die konkrete Praxis der Kollektivierungen in Spanien (zumal in Kriegszeiten) bietet immer wieder Anlaá zu Mythologisierungen. Gerade Kritikerinnen und Kritiker des Anarchismus scheinen diesen Mythos aber ganz besonders zu brauchen, wenn sie meinen, ihren politischen GegnerInnen (in diesem Falle den AnarchistInnen) Mythologisierung vorwerfen zu mssen. Wie z.B. ein Vertreter der r„tekommunistischen Gruppe "revolution„rer Funke" es formulierte: "Was waren die anarchistischen Kollektive wirklich? Diese fr Anarchisten(innen?) und Anarchosyndikalisten(innen?) an die Substanz ihres Glsaubensbekenntnisses gehende Frage, (...)."(7, Unterstreichung nicht im Original). In diesem, in nicht wenigen Details durchaus diskussionswrdigen, Pamphlet kann es sich der Schreiberling nicht verkneifen, mit der Phrase "Substanz ihres Glaubensbekenntnisses" dem Leser eine grundlegende Mythenbildung auf Seiten der Libert„ren zu suggerieren. Besieht sich mensch die dazu verwendete Literatur genauer, so ergibt sich, daá von sieben Bchern sechs von anarchistischen Verlagen bzw. Autorinnen sind, die sich durchaus kritisch mit den Kollektivierungen auseinandersetzen. So beschrieb beispielsweise ein hervorragender direkter Beobachter seiner Zeit, Hans-Erich Kaminski, den weitverbreiteten traditionellen libert„ren Machismus: "Die Betriebe der Espana Industrial sind die gr”áten Textilfabriken Spaniens; eintausendachthundert Personen, zumeist Frauen, arbeiten hier. (...). Ihre Direktoren, sofern Fachleute, sind geblieben(...). Die eigentliche Leitung hat der Fabrikrat bernommen, der aus neunzehn vom Personal gew„hlten Arbeitern und Angestellten besteht. Drei der Mitglieder kmmern sich um die Finanzen, drei um den Verkauf, vier um den Einkauf, vier sind mit technischen Fragen und fnf mit Personalangelegenheiten besch„ftigt. Es sind nur M„nner, nicht eine Frau geh”rt zum Fabrikrat. (8)" Das Hispano-Suiza Werk Eine in Barcelona ans„ssige Fabrik, mit ca. 1.000 ArbeiterInnen ein Teil der Kriegsproduktion. "Folgende Waren wurden in der Fabrik hergestellt: gepanzerte Lastwagen, Handgranaten, Krankenwagen, (...). Die Herstellung von Kriegspanzern und Granaten wird erforscht. Neben der laufenden Produktion werden weiterhin Kraftwagen und Flugzeugmotoren hergestellt.(9)" Somit verhinderte der Krieg eine friedliche Produktion! Fazit. Die Trag”die Spaniens, wie Rudolf Rocker sie beschrieb, ist bekannt. Der ™ko-Anarchist M. Bookchin gab darber ein hartes kritisches Resmee ab, was z. B. die Kollektivierung betriff: "Die (CNT-)Gewerkschaft muáte die (...) Industrie wieder ihrer Aufsicht unterwerfen um derartige kollektiv-kapitalistische Praktiken zu unterbinden. Ironischerweise bernahm dann die CNT-Brokratie die Kontrolle ber die Fabriken - zu Lasten der Arbeiterkontrolle - nur um den Rest kooperativen Verhaltens zu retten." (10). Allzu bekanntlich heiát es ja - aus der Geschichte lernen!?!?!? Praktisch ausgedrckt: Fehler erkennen und berwinden. Ob es allerdings ein Patentrezept dazu gibt, sie vollends zu vermeiden, sei in die Zukunft gestellt. So verbleibt die Anarchie weiterhin ein Ideal- nicht mehr und nicht weniger! Drei Millionen Menschen umfasste der letztendlich tragische Verlauf, drei Jahre lang von 1936 bis 1939 den Versuch zu unternehmen, einen freiheitlichen Kollektivismus zu praktizieren. Es gilt trotzalledem der etwas pathetische Spruch von 1936: Viva el Communismo libertario! Literatur-Liste: (1) Die Spanische Revolution III anarchistische texte 28, Libertad Verlag, Seite 07. (2) Die Spanische Revolution II, anarchistische texte 27, Libertad Verlag, Seite 10. (3) Kurze Geschichte zweier Spanien 1936 - 1939, Wagenbach Taschenbcherei, Seite 111. (4) Pierre Broue / Emile Temime: Revolution u. Krieg in Spanien, Bd.1 Suhrkamp-TB, 1968, Seite 184. (5) Kollektivismus und Freiheit, dtv dokumente, 1980, Seite 193 - 194 (6) Carlos Semprun-Maura: Revolution und Konterevolution in Katalonien, Edition Nautilus, 1983, Seite 113. (7) Der revolution„re Funke Nr. 9, o. J., Seite 67 - 75. (8) Kaminski, Hans Erich: Barcelona. Ein Tag und seine Folgen 1.Mai 1937, edition tranvia, Berlin 1986. (9) Siehe (6) Seite 97. (10) Janet Biehl Libert„rer Kommunalismus, Trotzdem-Verlag, 1998, Seite 152. Weitere Literaturtips: Walther L. Bernecker: Die soziale Revolution im spanischen Brgerkrieg, Mnchen 1977. Andreas Bohl: Revolution in Spanien, Mnchen 1984. Hans Magnus Enzensberger: Der kurze Sommer der Anarchie, Suhrkamp Taschenbuch 1972. (mehrere Neuauflagen) Stefan Loibl: Kollektiv oder kooperativ?, Berlin 1988.